Den Bedarf für einen solchen Ort sieht Blümmel aus verschiedenen Gründen gegeben. So nehme er wahr, dass es für Familien in den vergangenen Jahren aus verschiedenen Gründen zunehmend schwerer geworden sei, den Alltag zu bestreiten. Eltern stünden häufig unter Stress, was sich letztlich auch auf die Kinder niederschlage.
„Die Bedingungen für das Familienleben und damit die Kindheit haben sich in den vergangenen drei Jahrzehnten schneller verändert als in den Jahrzehnten davor“, beschreibt es Raphael Blümmel. Vor 25 Jahren sei man als Kind nach der Schule auf die Straße gegangen und habe mit vielen anderen Kindern gespielt, bis man Abends nach Hause gegangen sei. „Diese selbst organisierte Begegnung von Kindern ist heute seltener geworden.“
Zudem haben sich, so seine Wahrnehmung, die Anforderungen der Gesellschaft an Familien stark geändert. Eltern seien heute mit einer Vielzahl an Erziehungsthemen konfrontiert, häufig werde ein gewisser Druck wahrgenommen, sich mit Fragen wie einer gesunden und ethisch vertretbaren Ernährung auseinanderzusetzen. „Es ist schwierig, sich davon freizumachen, das Beste für sein Kind zu wollen“, sagt Blümmel.
Steigende Anforderung an Familien
Zudem werden Kinder heute früher und länger fremdbetreut und verbringen somit weniger Zeit mit den Eltern, die zunehmend auf zwei Einkommen angewiesen sind. Häufig erlebe er, dass Eltern deshalb den Anspruch an sich stellen, die verbleibende Zeit möglichst gut zu nutzen.
Er sieht ein Problem in der Gesellschaft, die kinderunfreundlicher werde, was an der Situation der Eltern sichtbar werde. „Das muss nicht so bleiben, man kann etwas ändern. Ich hab mich schon vor einigen Jahren gefragt, welche Antwort ich darauf bieten könnte.“ So sei schließlich die Idee der Familienbegegnungsstätte gereift.
Diese selbst organisierte Begegnung von Kindern ist heute seltener geworden.
Vor 25 Jahren sei man als Kind auf die Straße gegangen und habe mit vielen anderen Kindern gespielt, sagt Raphael Blümmel.
„Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es sicher nachvollziehbar, dass es vorteilhaft ist, wenn beide Eltern arbeiten. Aus entwicklungspsychologischer Perspektive ist jedoch in den ersten drei Lebensjahren Bindung zu den Eltern das Hauptthema. Das ist einfacher, wenn man sich die Bezugsperson seltener teilen muss“, so Blümmel.
Familie sei heute zu sehr mit ökonomischen Themen verknüpft. „Eltern sollten mehr Raum für gemeinsame Zeit zur Begleitung der Kinder in ihrer Entwicklung bekommen, wenn sie das wollen. Auf der Familie sollte weniger Stress lasten“, formuliert Blümmel.
Keine Zeit für Begegnung durch Hetzen
Den Fokus legt er in seinem Konzept bewusst auf Begegnung. Zum einen ermögliche die Begegnung den Austausch von Erfahrung. In Zeiten, in denen viele Familien in zunehmender Isolation lebten, fehle es an Gelegenheiten dazu. „Familien könnten sich gegenseitig sicher viele Hilfs- und Entlastungsangebote machen, dafür muss man sich aber auch erst einmal begegnen“, sagt er.
Er selbst habe das Beispiel erlebt, dass Familien nur zwei Häuser voneinander entfernt lebten, aber nur sporadischen Kontakt in den kurzen Situationen beim Bringen oder Abholden der Kinder in der Kita miteinander hatten. „Da ist keine Zeit für Begegnung, weil jeder weiterhetzt.“
Neben dem Kontakt zwischen den Eltern soll in der Gastronomie der FBS auch eine Begegnung mit den Pädagogen und Therapeuten zunächst ohne feste Rollenzuteilungen ermöglicht werden. Hierin sieht er die Chance, eine Augenhöhe herzustellen, die ihm zu einer gelungenen „Erziehungspartnerschaft“ häufig fehle.
Die Finanzierung des Projekts sei ein „knackiger Punkt“, sagt Blümmel, da habe er noch nicht alle Antworten parat. Die involvierten Ärzte und Therapeuten könnten mit den Krankenkassen abrechnen. Weil es das Betreuungsangebot, das ihm vorschwebt, noch nicht gibt, werde es hier besonders kompliziert. Blümmel argumentiert, dass das flexible Angebot der FBS Familien in die Lage versetzen könnte, zumindest für eine gewisse Zeit auf ihren Rechtsanspruch auf einen kostenlosen Kitaplatz zu verzichten. Das würde die Kommunen erheblich entlasten, die häufig großen Aufwand betreiben, um diesen zu erfüllen. Allerdings gebe es dafür keinen „Rechtsrahmen“, was ihm in bisherigen Gesprächen mit Vertretern der Kommunen verdeutlicht worden sei.
Romantische Idee umsetzen
Was das gastronomische Konzept angeht, so verspricht die Kombination aus langer Verweildauer und wenig Verzehr nicht viel Gewinn. „Aber das ist so ein wichtiger Teil, das sollte sich die Einrichtung leisten und subventionieren“, sagt Blümmel. Auch das Kursangebot sollte für die Eltern kostenfrei sein, um niemanden davon auszuschließen. „Wenn der Gesellschaft ein Nutzen von der Einrichtung entsteht, halte ich es für gerechtfertigt, das sie auch gefördert wird. Das ist bis jetzt eine romantische Idee, aber ich bin auch nicht der Experte dafür, wie man so etwas bürokratisch umsetzen könnte“, gibt Blümmel zu.
Aktuell läuft eine Crowdfunding-Aktion auf der Internetplattform www.gofundme.com zur Finanzierung eines Businessplans. Mit diesem in der Hand, hofft er darauf, leichter um Mittel für das Projekt werben zu können. Im September fand bereits ein Treffen mit anderen interessierten Eltern statt, kurzerhand gründete man eine Bürgerinitiative (BI), die sich zum Austausch trifft. Am Wochenende hat die BI mit einer Unterschriftensammlung begonnen.
Auf Instagram informiert Blümmel unter dem Namen der geplanten Einrichtung Familienort_Boppard über aktuelle Entwicklungen zum Projekt.