Eindringliches Porträt über Regisseur Edgar Reitz beim Filmfestival in Simmern
Eindringliches Reitz-Porträt: Ein Misserfolg ebnet den Weg zur „Heimat“-Reihe
Corona-bedingt wurde Abstand gehalten, nicht nur beim Gespräch der Regisseurin des Reitz-Porträts Anna Hepp mit Edgar Reitz und Festivalleiter Urs Spörri.
Werner Dupuis

Simmern. Nicht nur von den im Abendprogramm laufenden Filmen und den im Wettbewerb für den besten modernen Heimatfilm laufenden Produktionen werden die Heimat Europa Filmfestspiele in Simmern geprägt. Von großer Bedeutung ist auch die Hommage an Edgar Reitz, die in der Programmgestaltung ihren Widerhall findet.

Corona-bedingt wurde Abstand gehalten, nicht nur beim Gespräch der Regisseurin des Reitz-Porträts Anna Hepp mit Edgar Reitz und Festivalleiter Urs Spörri.
Werner Dupuis

Seine selbst gewählte Quarantäne und Abstinenz von allen öffentlichen Veranstaltungen angesichts der Corona-Pandemie hat der in München lebende 87-Jährige unterbrochen, um als Schirmherr zum Filmfestival nach Simmern zu kommen. Bei der Eröffnungsveranstaltung wurde er, der mit seinen Filmen dem Begriff „Heimat“ nach dem Missbrauch in der Nazizeit seine ursprüngliche Bedeutung zurückgab, gebührend gewürdigt und gefeiert. Mit seiner „Heimat“-Trilogie und „Die andere Heimat“ hat Reitz dem Hunsrück ein einzigartiges, weltweit geachtetes cineastisches Denkmal gesetzt.

Mit gleich vier Reitz-Filmen, die nicht alle Tage auf einer großen Leinwand zu sehen sind, wird sein Lebenswerk im Festival gewürdigt. Mehr als nur eine Dokumentation ist dabei der Film „800 Mal Einsam – Ein Tag mit dem Filmemacher Edgar Reitz“, von Anna Hepp. In Wirklichkeit zwei Tage lang saß die Regisseurin 2019 mit Edgar Reitz im riesigen, 800 Stühle fassenden Saal des historischen Kinos „Lichtburg“ in Essen zusammen, im Visier von drei Kameras und belauscht von etlichen Mikrofonen. Die beiden Filmschaffenden unterhielten und philosophierten dabei stundenlang über die Gesellschaft mit all den Facetten des täglichen Lebens. Die Vita von Reitz bildete dabei den roten Faden des Gesprächs.

Nüchtern, präzise und kritisch reflektiert Reitz seinen Lebensweg, sein Verhältnis zum Vater, seine Jugend in Morbach und im Hunsrück und seine Flucht nach dem Abitur in Simmern, weg aus der engen Provinz in die weite Welt, um Filme zu machen. Er berichtet von der Entstehung des Oberhausener Manifests und dem Entstehen des Neuen Deutschen Films, von Demütigung durch „Fernsehgewaltige“, die ihm trotz seiner langjährigen Berufserfahrung auferlegten, elf Drehbuchfassungen für seinen sechsteiligen Film „Heimat 3“ anzufertigen.

Auch auf den Stühlen im Publikum vor der Leinwand und beim Auftritt der New Orleans Dudes musste ausreichend Abstand gehalten werden.
Werner Dupuis
Auch auf den Stühlen im Publikum vor der Leinwand und beim Auftritt der New Orleans Dudes musste ausreichend Abstand gehalten werden.
Werner Dupuis
Corona-bedingt wurde Abstand gehalten, nicht nur beim Gespräch der Regisseurin des Reitz-Porträts Anna Hepp mit Edgar Reitz und Festivalleiter Urs Spörri.
Werner Dupuis
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Reitz erinnert sich an Phasen des beruflichen und privaten Scheiterns, explizit nach der Premiere des abendfüllenden Spielfilms „Der Schneider von Ulm“, dem nach einer negativen Besprechung im Magazin „Der Spiegel“ 1978 der Kinoerfolg verwehrt blieb und nach acht Tagen in den Kinos sang- und klanglos verschwand.

„Heimat“ nach dem Misserfolg

Nach diesem Misserfolg und der Trennung von seiner Frau war Edgar Reitz völlig demoralisiert und bankrott. In dieser Phase besann er sich auf seine Heimat, den Hunsrück. 1984 entstand als Folge dessen der erste Teil der Filmreihe „Heimat“.

Auf der Festivalbühne in Simmern sah Edgar Reitz die Regisseurin seiner Biografie wieder. Es war eine herzliche Begegnung. Vor aller Öffentlichkeit formulierte Reitz seine anfänglichen Bedenken diesem Projekt gegenüber: „Es ist immer merkwürdig, sich selbst in Großaufnahme zu sehen.“ Nach mehrmaliger Betrachtung sei er zu dem Entschluss gekommen, dass ein akzeptables Porträt entstanden sei.

Der sowohl von der Kritik als auch vom Publikum völlig unterschätzte Reitzsche Schicksalsfilm „Der Schneider von Ulm“ ist am kommenden Dienstag, 18. August, auf der großen Festivalleinwand zu sehen. Das Heimat Europa Filmfestival zeigt im Rahmen seiner Edgar-Reitz-Hommage außerdem am Dienstag, 25. August, die „Geschichten aus den Hunsrückdörfern“.

Als Gehlweiler sich veränderte

Das „Skizzenbuch“ für die Heimat-Trilogie stammt aus dem Jahr 1982 und ist ein besonderes Zeitdokument, das ein unverfälschtes Bild der Hunsrücker und ihrer Lebensweise widerspiegelt. Der Film wird in restaurierter Fassung gezeigt. Und mit dem „Making of Heimat“ am Dienstag, 1. September, endet die Reihe zu Ehren von Edgar Reitz beim Filmfestival. Es handelt sich um eine Dokumentation, die im Rahmen der Dreharbeiten von „Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“ entstand und beschreibt, wie sich das Erscheinungsbild des Dorfes Gehlweiler während der Filmarbeiten 2013 veränderte. Die Zuschauer erhalten zudem einen Einblick in die Arbeitsweise von Edgar Reitz mit Laiendarstellern.

Von unserem Reporter Werner Dupuis

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