Regionale Künstler gestalten in Emmelshausen den sechs Kilometer langen "Geh-Denke-Weg"
Ein Rundweg zum Gehen und Denken: Regionale Künstler gestalten in Emmelshausen sechs wanderbare Kilometer
Denise Bergfeld

Emmelshausen/Schwall. Ein Höllenhund aus Stahlbeton, ein armer Beter, ein Corona-Baum und eine bunte Installation mit dem Titel „Weiter geht’s“: Seit Kurzem säumen einige Kunstwerke die Parkanlage in Emmelshausen. Ein paar Podeste sind noch leer und warten darauf, bestückt zu werden. Doch was hat es mit den Werken auf sich, die im Park am ZaP von zwei Künstlern aus dem Vorderhunsrück installiert werden? Sie sind Teil eines neuen, von der Tourist-Info Hunsrück-Mittelrhein geplanten Rundwanderwegs, der den Titel „Geh-Denke-Weg“ tragen wird.

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Gehen und Denken werden also auf knapp sechs Kilometern zum Programm, die durch Emmelshausen, Schwall und das Obere Baybachtal führen. Die Strecke kommt ohne viele Höhenmeter aus und ist familen- und kinderwagenfreundlich. Die Idee, einen solchen Kunstwanderweg einzurichten und so den Park zu beleben, hatten die Stadt Emmelshausen und die Tourist-Info. Die Installationen im Park stammen von den Künstlern Hermann-Josef Wilhelm aus Schwall und Andreas Nehring aus Dörth.

Wilhelm, der auch als Ortsbürgermeister die Geschicke von Schwall leitet, wurde mit ins Boot geholt. Wilhelm hatte in der Vergangenheit auch schon der Traumschleife Oberes Baybachtal mit seinen Werken weiteren Erlebnischarakter verliehen. Der Schwaller installierte dort unter anderem die „Um-leitung“, eine Installation aus lauter Umleitungsschildern, die in alle möglichen Richtungen weisen, und den „Spiegelbaum“. Auch der neue Geh-Denke-Weg führt an diesen Werken vorbei. Damit müssen Freizeitwanderer künftig nicht mehr gleich die große 15-Kilometer-Tour laufen, um sie zu sehen, sondern können auch beispielsweise mit jüngeren Kindern die kleinere Tour wählen.

Hermann-Josef Wilhelm war sofort begeistert, als er von der Idee für den Rundwanderweg hörte. Seine Kunst beschreibt er selbst folgendermaßen: „Ich mache Gestallationen. Das ist ein Wort, das ich zusammengestellt habe aus Installationen und Gestaltung.“ Skulpturen fertigt er nicht an. „Bei einer Skulptur muss man ja etwas herausarbeiten. Ich füge zusammen und gestalte.“ Seine Werke seien nicht für die Ewigkeit gedacht. „Wenn ihre Zeit um ist, kommen sie weg“, sagt Wilhelm. Auch die Ausstellung im Park könne sich mit der Zeit wandeln.

Aber nun wartet sie erst einmal noch auf ihre letzten fehlenden Werke: einen großen Dinosaurier, der auf dem alten Stromhäuschen nahe der Rhein-Mosel-Straße seinen Platz finden soll, und einen Roboter, beide von Andreas Nehring. Auch eine Installation mit dem Namen „Familienporträt“ von Hermann Josef-Wilhelm kommt in den Park. Noch ist sie auf seinem Grundstück in Schwall aufgebaut, das Wilhelm als Atelier und Ausstellungsfläche dient. Auch dort wird der Rundweg die Wanderer vorbeiführen. Und dort gibt es zudem jede Menge zu entdecken.

Das „Familienporträt“, das bald im Park zu sehen sein wird, zeigt Lebenslinien in verschiedenen Farben. Jede Kugel steht für einen Menschen, kleinere Kugeln entlang der Lebenslinien für Kinder. Das Werk porträtiert seine eigene Familie, erläutert der 71-Jährige. Solche Porträts fertigt er aber auch individuell als Auftragsarbeiten an.

Seine Kunstinstallationen im Park stellt Hermann-Josef Wilhelm der Stadt als kostenlose Leihgabe zur Verfügung. In einer Zeit, in der durch die Corona-Pandemie Galerien und Museen schließen müssen, das Wandern auf der anderen Seite einen Riesenzulauf erfährt, ist eine Ausstellung an einem neu geplanten Wanderrundweg publikumswirksam gewählt. Auch bei gutem Wetter begeben sich täglich Tausende Menschen auf die Rundtouren in der Region. So kommen sie auch in Pandemiezeiten weiter mit der Kunst in Berührung, und die Künstler erfahren Beachtung.

Der Höllenhund von Andreas Nehring, der den hinteren Eingang des Parks „bewacht“ hat offenbar schon die Aufmerksamkeit von Kindern auf sich gezogen. Denn in seinem Maul hinter den spitzen Zähnen finden sich Moos, Stöckchen und ein paar Steinchen. „Da hat schon jemand den Höllenhund gefüttert“, sagt Wilhelm und lacht. Der Gedanke, dass sich Menschen mit der Kunst beschäftigen und mit ihr auf diese Weise interagieren gefällt dem Schwaller. Auch Wilhelms Werke lassen bewusst Spielraum für Interpretationen – manche etwas mehr, andere sind relativ klar strukturiert – wie der Corona-Baum, der schon seit April 2020 auf dem Vorplatz des ZaP und der Tourist-Info steht und den Beginn des „Geh-Denke-Wegs“ markiert. Der Coronabaum ziehe immer noch die Blicke auf sich, wenn Menschen zum ersten Mal dort vorbeikommen, beschreibt der Künstler. Viele blieben stehen und machten Fotos von der Installation oder erkundigten sich danach.

Der Corona-Baum trägt die Ziffern der Jahreszahl 2020. Sie sind zur Hälfte umgedreht und formen so in der Mitte ein Herz. „Irgendwo ist ein Herz und etwas Herzliches geblieben“, erläutert der Künstler seine Intention. Der Pleitegeier thront auf einem Seitenast, auf dem anderen eine kleine rote Kugel, die vor einem Jahr die nächste Welle symbolisieren sollte. Das Coronavirus selbst wird durch eine große Kugel dargestellt, die von 99 Messern gespickt ist. „Die Messer symbolisieren den Angriff“, so der Künstler.

Die 5,9 Kilometer lange Rundstrecke führt auch über das Heilbrünnchen, eine eisenhaltige Quel-le und beliebtes Wanderziel, das Gelegenheit für eine Rast bietet. Ausgewiesen ist sie bereits in der Wander-App „Outdooractive“. Eine Beschilderung ist zunächst nicht geplant. „Es ist ein Test, um zu schauen, wie digital wir sind“, erläutert Tourist-Info-Leiter Thomas Biersch. „Wir müssen mal abwarten. Wenn viele Nachfragen kommen, dann wäre auch eine Beschilderung machbar“, schätzt er.

Die komplette Streckenführung und weitere Infos gibt es im Internet unter ku-rz.de/gehdenkeweg

Von unserer Redakteurin

Denise Bergfeld

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