Mopedführerschein ist seit Juli 2020 auch für 15-Jährige zu haben - Fahrschule im Kreis: Nachfrage ist groß
Die Renaissance des Rollerfahrens: Nachfrage im Rhein-Hunsrück-Kreis ist groß
Lange hatte der Rollerführerschein ein Beliebtheitsproblem, ein Ausbildungsfahrzeug von Karl-Heinz Hummes aus Simmern landete wegen Standschäden sogar auf dem Schrottplatz. Mittlerweile gehen die Bewerberzahlen in seiner Fahrschule aber durch die Decke. Foto: Tim Saynisch
Saynisch

Rhein-Hunsrück. Rein in die Lederjacke und die zu engen Jeans, rauf aufs Moped und mit der Clique ab in die Disco knattern: So oder so ähnlich könnten Ende des vergangenen Jahrtausends viele Freitag- und Samstagabende ausgesehen haben. Nach Einführung des begleitenden Fahrens ab 17 hatte der sogenannte Mopedführerschein (EU-Führerscheinklasse AM) allerdings mehr und mehr ein Imageproblem.

Wofür viel Geld ausgeben, wenn ich noch ein Jahr warten kann und dann Auto und Roller bewegen darf? So dachten wohl viele Jugendliche. Fahrlehrer Karl-Heinz Hummes aus Simmern sagt: „Ich hatte einen Roller, der wurde knapp acht oder neun Jahre nicht bewegt.“ Schuld sei ganz klar das Begleitete Fahren ab 17 Jahren gewesen. Besagtes Ausbildungsgerät habe er zum Schrott gegeben. „Die Schüler haben lieber den Autoführerschein mit 17 gemacht“, berichtet der 60-Jährige.

Im vergangenen Jahr habe sich dieser Trend allerdings merklich umgekehrt, als das Erwerbsalter für die Klasse AM von 16 auf 15 Jahre abgesenkt wurde, sagt Hummes. Nun hat er auch wieder einen neuen, weißen Schulungsroller. Ob die Entscheidung des Gesetzgebers eine gute war?

Für Louis Mischker ist die Sache klar. Der Dommershausener ist im August 15 geworden und seit wenigen Wochen stolzer Besitzer der AM-Lizenz. „So bin ich einfach mobiler. Kann auch nach acht Uhr oder am Wochenende fahren, wenn in meinem Ort kein Bus mehr fährt. Außerdem kann ich in die Nachbarorte zu meinen Freunden fahren, wo die Buslinie gar nicht hält“, zählt er die Vorzüge auf, die mit dem Erwerb der Fahrerlaubnis für ihn einhergehen.

Wunsch nach mehr Mobilität

Erst kurz vor seinem Geburtstag hatte sich Louis entschieden, mit dem Mopedführerschein anzufangen. Vorausgegangen waren intensive Gespräche mit Mama und Papa. „Meine Eltern und ich haben lange überlegt. Zum einen wegen der Sicherheit: Ein Roller ist nun mal nicht wie ein Auto, hat keine Knautschzone. Und andererseits wegen des Geldes und ob sich das lohnt“, berichtet der 15-Jährige. Am Ende siegte sein Wunsch nach mehr Mobilität. Einen Roller hat er jetzt trotzdem nicht.

Während er in der Fahrschule zweirädrig unterwegs war, fährt er nun privat mit einem Dreirad, einer Piaggio Ape, über die Straßen des Hunsrücks. Dreirädrige Kraftfahrzeuge bis 45 km/h und einem Hubraum von maximal 50 Kubikzentimetern darf er nämlich auch mit dem AM-Schein fahren. Doch warum entscheidet sich ein Jugendlicher für das wohl liebste Arbeitstier italienischer Kleinbauern? „Mit der Ape bin ich auch bei Regen geschützt und kann nachts besser gesehen fahren“, beantwortet Louis die Frage.

Ein solches Sicherheitsverständnis, wie es Louis in seinen Aussagen durchblicken lässt, wird jungen Fahrern, egal ob sie auf dem Zweirad oder im Auto unterwegs sind, landläufig immer wieder abgesprochen. Die Unfallstatistik des Statistischen Bundesamtes belegt aber: Seit Jahren ist die Zahl der Unfälle mit Beteiligung jugendlicher Zweiradfahrer rückläufig.

Gab es 2014 noch 3873 Unfälle, bei denen Roller-, Mofafahrer oder ihre Beifahrer im Alter von 15 bis 17 Jahren beteiligt waren, lag diese Zahl 2019 bei 3343 – ein Rückgang um fast 14 Prozent. Auch die Zahl der verletzten Jugendlichen ist rückläufig, von 3867 in 2014 auf 3332 in 2019 (minus 13,8 Prozent). Bundesweit wurden 2014 sechs jugendliche Zweiradfahrer oder Beifahrer bei Verkehrsunfällen getötet, 2019 waren es 11.

Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Koblenz, wozu auch der Rhein-Hunsrück-Kreis gehört, geht die Zahl der verunfallten Zweiradfahrer zurück. Lag diese 2016 noch bei 1345, wurden 2020 nur noch 1192 Unfälle mit Zweiradfahrern registriert (minus 11,4 Prozent). Hierzu zählen allerdings auch „große Maschinen“ mit amtlicher Zulassung.

Eine gesonderte Unfallstatistik für Mopeds oder Mofas mit Versicherungskennzeichen, die meist, wenn auch nicht ausschließlich, von jüngeren Fahrern bewegt werden, weist der Jahresbericht 2020 des Polizeipräsidiums nicht aus. Es sei aber zu verzeichnen, dass Motorräder mit amtlichem Kennzeichen etwa doppelt so häufig in Unfälle verwickelt seien wie motorisierte Zweiräder mit Versicherungskennzeichen, heißt es im Koblenzer Verkehrsunfallbericht für das vergangene Jahr.

Sind Jugendliche auf dem Moped also vielleicht doch vernünftiger, als es das Klischee besagt? Und war die Absenkung des Erwerbsalters für die Führerscheinklasse AM von 16 auf 15 Jahre somit ein Fortschritt? Das Polizeipräsidium Koblenz wagt noch keine Bilanz für den Rhein-Hunsrück-Kreis. Die Umstellung sei noch „zu frisch“, Datenmaterial noch nicht ausreichend ausgewertet, erklärt ein Pressesprecher der Polizei auf Anfrage unserer Zeitung. Außerdem hätten auch Corona-Effekte Auswirkungen auf die Unfallstatistik, da die geringere Zahl an Freizeitangeboten und die Lockdowns weniger Verkehr zur Folge hatten. Die Pandemiesituation beeinflusse die Vergleichbarkeit der Verkehrsunfallstatistiken im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit, heißt es aus dem Polizeipräsidium.

Ausbildungsroller ist beliebt

Ähnlich äußert sich auch der ADAC Mittelrhein auf Nachfrage der Rhein-Hunsrück-Zeitung. „Nach einem Pandemiejahr mit entsprechenden Kontaktbeschränkungen ist es schwierig zu sagen, ob und wie die Fahrerlaubnisklasse AM bei den 15-Jährigen insgesamt angenommen wird. Einen signifikanten Anstieg der Unfallzahlen können wir in unserer Region nicht feststellen“, berichtet Pressesprecher Mirco Hillmann.

Karl-Heinz Hummes kann aus seiner Fahrschule berichten, dass der Wunsch nach dem Mopedführerschein durchaus größer geworden ist. „Die Nachfrage gegenüber den vorherigen Jahren ist explodiert“, schildert Hummes die Entwicklung seit Absenkung des Erwerbsalters. Der neu erworbene Ausbildungsroller ist beliebt. Peugeot – weiß mit goldenen Felgen: Der Jugend gefällt es offenbar.

Jugend ist das richtige Stichwort: Dass seine Rollerschüler ziemlich jung sind, weiß auch Hummes: „Die fangen teilweise schon mit 14 an.“ Einige Fahrschüler seien noch kindlich, manche auch unbedarft. „Früher haben zwei bis drei Doppelstunden gereicht, heute sind oft sieben oder acht nötig“, sagt Hummes zum Umfang der praktischen Ausbildung.

Die Schuld dafür allein bei den Jugendlichen zu suchen, ist aber zu kurz gegriffen. „Der Verkehr hat auch deutlich zugenommen. Viele unserer Schüler kommen vom Dorf, Prüfort ist Simmern. Ich sage immer: Simmern ist wie eine Großstadt.“ Auch hier gebe es Autoschlangen und Krankenwagen, die plötzlich mit Blaulicht im Rückspiegel auftauchen, meint Hummes. „Mit solchen Verkehrssituationen wurden die Jugendlichen, die auch immer seltener Fahrrad fahren, noch nie zuvor konfrontiert.“

Warum in seiner Fahrschule jetzt so viele Jugendliche den AM-Führerschein machen wollen? Zum einen, weil man ihn jetzt schon mit 15 bekommt, ist sich Hummes sicher, aber auch „um mobil zu sein. Der ÖPNV hat sich gebessert, aber es passt trotzdem noch nicht so recht. Und Taxi Mama oder Papa ist auch nicht immer möglich.“

Wie risikoreich das Rollerfahren ist, möchte Hummes nicht bewerten. Seiner Meinung nach ist es aber allemal sicherer als mit dem Mofa und der Prüfbescheinigung unterwegs zu sein. „Mit 25 km/h, das ist eine gefährliche Geschichte. In Deutschland darf man auf dem Mofa sogar zu zweit fahren, wenn es zwei Sitze hat. Wenn es dann bergauf geht, wird es brenzlich.“ Mit 45 km/h, die die Klasse AM erlaubt, könne man immerhin im Verkehr mitschwimmen. „Die Dinger fahren ohnehin an die 50, da bleibt auch der Autofahrer in der Stadt dahinter.“

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