Pro Rheintal fordert den Bundesgesundheitsminister auf, sich für gesundheitswirksame Ursachenbeseitigung einzusetzen
Diagnose Bahnlärm: Pro Rheintal appelliert an Gesundheitsminister Lauterbach
Bahnlärm im Mittelrheintal
Ein Güterzug rollt durch Boppard. Pro-Rheintal-Chef Frank Gross wendet sich an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, um mit dem Bahnlärm auch die Ursache von Krankheiten zu bekämpfen. Foto: picture-allicance/dpa/Thomas Frey
Thomas Frey. picture alliance/dpa

Bahnlärm macht krank. Die Diagnose ist eindeutig. Doch was hilft das? Nachdem Verkehrspolitiker zunehmend „immun“ gegen die Hilferufe aus dem Mittelrheintal zu sein scheinen, hat das einschlägige Bürgernetzwerk den Bundesgesundheitsminister als neuen Hoffnungsträger ausgemacht: Pro Rheintal fordert Karl Lauterbach auf, sich für gesundheitswirksame Ursachenbeseitigung einzusetzen.

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Menschen und Regionen wirksam vor verkehrsbedingtem Lärm zu schützen und die Gesundheitsbudgets zu entlasten – das geht laut Pro Rheintal am besten durch eine Bekämpfung der Ursachen. Im Verkehr sei dabei eindeutig die Temporeduktion in den Wohnbereichen der Städte und Dörfer das Maß der Dinge – vor allem nachts, wenn die Strecken dem Güterverkehr gehörten und Güterzüge bei voller Geschwindigkeit doppelt so laut seien.

Für Politiker sei es doch üblich, die Ursache für Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen bei den Betroffenen zu suchen. „Da heißt es, sie ernähren sich falsch, trinken, rauchen und wer weiß was. Doch dürfen wir den Blick für externe und interne Faktoren insgesamt nicht außer Acht lassen“, heißt es in einer Pressemitteilung von Pro Rheintal. So sei der Wahlkreis von Karl Lauterbach (Leverkusen/Köln-Mülheim) quasi ein Epizentrum für schreckliche Lebensbedingungen

3 Prozent des Gesundheitsbudgets für Prävention

„Die Haus-an-Haus-Gegend mit wenig Grün ist ein Verkehrsknotenpunkt voller Lärm, vergifteter Atemluft und Stress – eingebunden in eine pausenlose pulsierende Hochleistungsgesellschaft. Was soll denn dabei außer Krankheit herauskommen?“, fragen die Aktivisten und richten den Blick aufs große Ganze: Bisher würden in der EU ganze 3 Prozent der Gesundheitsbudgets für Prävention ausgegeben.

Das sei besonders schlimm für das dicht besiedelte und durch Verkehrswege zerteilte Industrieland Deutschland. Und Deutsche seien derzeit Schlusslicht unter den Westeuropäern, was die Lebenserwartung betrifft.

Lärmschutz soll sich rentieren

Daher sei der Abbau von Lärm und Schadstoffen wichtiger als ein „krankenhaus-füllendes“ Screening der bereits entstandenen Schäden. Frank Gross, Chef von Pro Rheintal, sagt: „Wir können uns nicht gesund testen, sondern müssen aktiv etwas tun, um vorzubeugen, dass Menschen krank werden, denn danach ist es wenig effektiv und teuer, mit oft jahrelangen Behandlungen gegenzusteuern.“ Jeder Euro, der zum Beispiel in Lärmschutz investiert werde, bringe laut EU einen 30-fachen Return on Investment. Anstatt die Dinge wie bisher weiterlaufen zu lassen, könne eine präventive und wirtschaftlich tragbare Gesundheitspolitik Deutschland in vielerlei Hinsicht entlasten und wieder nach vorn bringen.

Pro Rheintal setzt sich seit 20 Jahren für die Gesundheit der Menschen an Bahnlinien, aber auch an Straßen und Flughäfen ein. Gross sagt, es sei erschütternd zu sehen, „wie rückständig Gesetze und Verordnungen sind und wie reaktionär die politischen Sichtweisen in Bezug auf Lärm sind“. Die Bahnlärmberechnungen hinken laut Pro Rheintal um 20 bis 40 dB hinter den tatsächlichen Lärmimmissionswerten her. Die seit 50 Jahren geltenden Immissionsschutzregelungen verharrten in einer Starre, so als hätte sich im Verkehr seit 1974 nichts geändert.

Anpassung an das erhöhte Verkehrsaufkommen

Anpassung an das drastisch erhöhte Verkehrsaufkommen, höhere Transportgewichte und Geschwindigkeiten fänden keinen Niederschlag bei Emissionsgrenzen, Gesamtlärmberücksichtigung und Bestandsregelungen. Stattdessen rechne man den Lärm klein oder tue so, als gäbe es ihn nicht. „So zum Beispiel macht die Anwendung der A-Filterbewertung (gültig nur bis 40 dB) im Verkehrslärmbereich aus einem Lkw einen Pkw, aus einem Güterzug einen Personenzug, und Düsenflugzeuge werden zu Propellermaschinen.“

Seit 2010 schlägt Pro Rheintal vor, dass innerhalb von Ortschaften schwere Güterzüge nicht schneller als 50 Stundenkilometer fahren sollten. Das sei nicht nur eine finanziell tragbare und sofort umsetzbare Lösung, „sondern auch für die Bahn weder ein Problem noch ein Schaden. Für ihre maroden Strecken hat sie Hunderte solcher Langsamfahrstellen eingerichtet und passt die Fahrpläne entsprechend an, sodass niemand danach fragt“.

Tempo 50 eine Selbstverständlichkeit?

Eigentlich ist Tempo 50 nach Meinung von Pro Rheintal innerorts eine Selbstverständlichkeit, denn das gelte auch für Kraftfahrzeuge. Selbst auf Autobahnen sehe man immer wieder Lärmschutz-Tempolimits. Darüber hinaus habe der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) schon 1978 festgestellt, dass der Schienengüterverkehr nicht durch Fahrgeschwindigkeit schneller werde, sondern durch Verbesserungen im Rangier- und Betriebsablauf.

So schließt der Appell an Karl Lauterbach mit den Worten: „Die Lebensbedingungen vor Ort sind entscheidend für die Gesundheit der Menschen und damit auch für die Wirtschaft und das Land insgesamt. Die dramatischen Veränderungen im Verkehr, die Straßen, Brücken und Schienenwege zusammenbrechen lassen, müssen endlich auch beim Schutz der Menschen vor Feinstaub und Lärm eine angemessene Berücksichtigung finden.“

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