Ein persönlicher Rückblick
Der Schmiedel – mehr als nur ein Heim
Thomas Torkler erinnert sich zurück an seine Zeit auf dem Schmiedel.
Jens Weber

Zwölf Jahre lebte unser Reporter selbst als echter „Insider“ auf dem Gelände des Kinderheims Schmiedel – seine Mutter war Erzieherin, er selbst mittendrin im Alltag der Heimkinder. In dieser Kolumne erinnert er sich zurück.

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Als die Kollegin mich bat, eine Kolumne über den Schmiedel zu schreiben, meinte sie, ich verfüge wohl über Insider-Informationen. In der Tat war ich gut zwölf Jahre im wahren Wortsinn Insider. Meine Mutter arbeitete in dem Heim als Erzieherin, wir wohnten auf dem Gelände – in einer Phase, in der sich die Heimerziehung wandelte, von der abgeschotteten Einrichtung hinaus in die Dörfer und Städte. Ein Stück mehr Normalität für die Kinder war das Ziel. Aber was ist schon „normal“ für Kinder, die aus unterschiedlichsten Gründen Familie nicht erleben können?

Ihr Alltag im Heim mit Schule, Essen, Hausaufgaben und Freizeit fand innerhalb des Heimgeländes statt. In den 70er-Jahren schloss dann die Heimschule auf dem Schmiedel. Fortan machte hier der Schulbus Station. Ein harter Einschnitt für so manche Simmerner Schulklasse. Erzieher und Heimleitung mussten häufig Konflikte kitten. Aber es spielte sich ein. Der damalige Heimleiter Wilhelm Twellmann suchte den Kontakt in die Region, betätigte sich als Laienprediger in Gottesdiensten, lud die Hunsrücker zu Festen aufs Heimgelände ein und allmählich verschwand der abwertende Spruch, den so manche Eltern auf den Hunsrückdörfern gern mal als fragwürdiges Erziehungsmittel losließen: Wenn du nicht brav bist, kommst du auf den Schmiedel!

Nächster Entwicklungsschritt war der Auszug einzelner Heimgruppen in Gemeinden im Hunsrück. Unter anderem in Lindenschied, Niederkumbd und Rheinböllen entstanden sogenannte Außengruppen. Als Aushilfsbetreuer durfte ich Anfang der 1980er-Jahre in Lindenschied erfahren, wie gut die Integration ins Dorfleben funktionierte. Auch wenn Gruppe, Erzieher und Dorf den Kindern nie ganz die Familie, Mama und Papa ersetzen konnten: Sie erfuhren ein Stück mehr Geborgenheit ein Stückchen mehr Normalität. Nachdem ich mit dem Heimalltag durch den Beruf meiner Mutter bestens vertraut war, machte ich als junger Mensch damals wertvolle Erfahrungen, die ich nicht missen möchte – als Insider.

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