44 Orte und Städte in der VG Simmern-Rheinböllen sollen mit sogenannten Laiendefis ausgestattet werden
Defibrillatoren für jeden – schnell und einfach: 44 Orte und Städte in der VG Simmern-Rheinböllen werden ausgestattet
Die Ortsgemeinde Argenthal hat aus dem Erlös des Weihnachtsmarktes bereits einen Defibrillator angeschafft, der am Bauhof für jedermann zugängig installiert wurde. Bürgermeister Hans-Werner Merg (2. von links) organisierte eine Einweisung für Mitarbeiter der Gemeinde. Alle anderen 43 Orte in der VG Simmern-Rheinböllen sollen nach Willen des VG-Rates folgen. Die laufenden Kosten übernimmt die VG. Foto: Werner Dupuis
Werner Dupuis

Simmern-Rheinböllen. Alle 44 Gemeinden und Städte in der Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen sollen mit Defibrillatoren ausgestattet werden. Das hat der Verbandsgemeinderat nun einstimmig beschlossen und folgte damit einem entsprechenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie hatte für die flächendeckende Verbreitung sogenannter Automatischen Externen Defibrillatoren (AED) geworben, die in den Ortsgemeinden 24 Stunden am Tag für jeden schnell und einfach zur Verfügung stehen sollen.

Nach Wunsch der Grünen soll in jedem Ort in der VG „an einem zentralen Punkt wie beispielsweise dem Gemeindehaus sowie in den Städten Simmern und Rheinböllen in mehreren Wohnvierteln solch ein Gerät installiert werden“, heißt es in dem Antrag. „Die Geräte können dann rund um die Uhr von jedermann entnommen und zur Lebensrettung eingesetzt werden.“

Für seine Fraktion erläuterte der Beigeordnete Heiner Scherer ausführlich den Antrag. Er ist selbst seit 30 Jahren im Rettungsdienst tätig und verfügt entsprechend über eine große Erfahrung bei der Versorgung von Patienten mit dem sogenannten plötzlichen Herztod. Dabei führt ein Kammerflimmern oft zum Herzstillstand bei dem Patienten, der bei einem schnellen Einsatz mit dem Defibrillator reanimiert werden kann.

„Bis der Rettungsdienst eingetroffen ist, dauert es oft zu lange – gerade bei uns auf dem Land“, erläuterte Scherer. „Die Behandlung muss direkt erfolgen, der Einsatz eines Defibrillators ist äußerst erfolgreich.“ Der plötzliche Herztod sei die Todesursache Nummer eins in der westlichen Welt. In Deutschland sterben daran mehr als 100.000 Menschen im Jahr. „Deshalb ist eine bessere Verfügbarkeit renorm wichtig. Jeder muss wissen, wo der AED steht, damit er auch jederzeit eingesetzt werden kann“, warb Scherer für den Antrag der Grünen. Der AED sei deshalb besonders gut geeignet, weil er auch von medizinischen Laien einfach gehandhabt werden kann und keine besonderen Kenntnisse erfordert. „Den einzigen Fehler, den man dabei machen kann, ist dass man nichts macht“, so der Rettungssanitäter. Gerade im ländlichen Raum mit langen Anfahrtswegen für den Rettungsdienst stelle die flächendeckende Versorgung mit solchen „Laiendefis“ einen großen Schritt zur Verbesserung der medizinischen Versorgung dar.

Als Gestredner machte sich Dr. Michael Bohn für die Anschaffung solcher AEDs stark. Er ist Leitender Notarzt im Rhein-Hunsrück-Kreis und Oberarzt an der Simmerner Hunsrück-Klinik. „Der plötzliche Herztod kann jeden treffen. Dabei gibt es keine Vorwarnzeiten. 75 bis 80 Prozent davon werden durch plötzlich auftretendes Kammerflimmern verursacht“, erläuterte der Mediziner. „Das einzige, was dabei wirklich helfen kann, ist der Defibrillator. Entscheidend ist, dass dessen Einsatz schnell erfolgt. Wenn das Gehirn über längere Zeit nicht mit Sauerstoff versorgt wird, sind Hirnschäden die Folge.“

Bohn verwies auf einen aktuellen Fall, der sich erst vor ein paar Tagen in einem Simmerner Supermarkt ereignet hat. Ein älterer Mann war dort mit Kammerflimmern zusammengebrochen und konnte dank eines AEDs im Geschäft sofort reanimiert werden. „Wir haben ihn nach kurzer Zeit ohne irgendwelche Schäden wieder aus der Klinik entlassen können“, berichtete der Oberarzt. „Wichtig war, dass die Erstversorgung sofort erfolgt ist, noch bevor der Rettungsdienst eintraf. Das war nur möglich, weil in dem Supermarkt ein solcher Defibrillator stationiert war.“

Bürgermeister Michael Boos erklärte, dass die Daseinsvorsorge eigentlich eine Aufgabe der Gemeinden sei. Er sei aber zuvor in einer Bürgermeisterdienstbesprechung auf große Zustimmung mit seinem Vorschlag gestoßen, dass die Gemeinden die Anschaffung eines solchen Gerätes finanzieren, die VG dann aber die Kosten für Pflege und Wartung sowie die Versicherung übernimmt. „Wenn wir damit ein Menschenleben retten können, haben sich diese Ausgaben schon bezahlt gemacht“, betonte der Verwaltungschef.

Auf Skepsis stieß der Grünen-Antrag bei den Christdemokraten. Jörn Wilhelm zweifelte die Relation von Kosten und Nutzen an. „Überall wo ich nachgehört habe – ob bei Behörden oder Flughäfen, die diese Defibrillatoren bereit halten – gab es landesweit kaum Fälle, wo diese zum Einsatz gekommen sind.“ Die Anschaffung von 50 AEDs stelle einen „erheblichen finanziellen Aufwand“ dar. Er schlug deswegen vor, die Geräte an die sogenannten First Responder (medizinisch geschulte Ersthelfer) zu koppeln, die die VG sowieso ausbilden lassen möchte. Außerdem könnten die AEDs für größere Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden.

Zwischen 1500 bis 2000 Euro sollen die Kosten pro Gerät samt Sicherheitsschrank betragen, abhängig auch davon, wie viele bestellt werden. Uli Sopart (CDU) machte sich Gedanken um die Haftung. „Wer ist dafür verantwortlich, wenn das Gerät falsch angewendet wird oder es gar nicht funktioniert? Hat das dann juristische Konsequenzen?“ Diese Bedenken wollte er im Protokoll festgehalten haben.

Oberarzt Dr. Bohn schüttelte ob der Diskussion leicht ungläubig den Kopf. „Habe ich das richtig verstanden, dass es hier eben über Millionen von Euro für das Rheinböllener Schwimmbad ging? Und jetzt reden wir von ein paar Tausend Euro, die Menschenleben retten können.“ Von einer Stationierung bei den First Respondern riet der Notfallmediziner ab: „Wichtig ist, dass die Defibrillatoren für jedermann öffentlich und zu jeder Zeit zugänglich sind.“ Zur Kosten-Nutzen-Rechnung bemerkte der Arzt nur: „Unter jedem Flugzeugsitz findet man eine Schwimmweste. Gebraucht werden die nur höchst selten – aber für die wenigen Passagiere, die sie dann tatsächlich gebraucht haben, haben sie sich bezahlt gemacht.“

Die beiden Fraktionschefs von SPD und FDP, Manfred Klaßen und Alfred Brummer – letzterer selbst Arzt – stießen in das gleiche Horn: „Man kann hier keine Kosten aufrechnen, es geht um Menschenleben. Deshalb kann man sich dem Antrag gar nicht verschließen.“ Zustimmung signalisierte auch Peter Mumbauer für die Freien Wähler.

Letztlich wurde das Vorhaben einstimmig beschlossen. Die VG schafft 50 AED-Geräte für die Ortsgemeinden und Städte an. Die Kosten für Geräte und Aufbewahrungsschränke übernehmen die Gemeinden, die Kosten für Wartung, Schulung und Versicherung trägt die VG. Eine Anschaffungspflicht für Gemeinden und Städte besteht aber nicht.

Auf Anfrage der RHZ begrüßt Torsten Frenzel von der DRK-Rettungswache in Simmern ausdrücklich die Anschaffung der AEDs für alle Ortsgemeinden der VG. Allerdings appelliert er, dass bis zum Eintreffen der professionellen Helfer die Bürger die Basics nicht vergessen dürfen: „Beatmung und Herz-Druck-Massage gehören auch weiterhin dazu. Die Grundlagen der Ersten Hilfe sind elementar wichtig. Vielleicht denkt in diesem Zuge mal der ein oder andere darüber nach, seine Kenntnisse aus dem Erste-Hilfe-Kurs wieder etwas aufzufrischen.“

Von unserem Redakteur Markus Lorenz

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