Diskussion bei den Filmfestspielen
Claus Kleber moderiert Podiumsdiskussion: Kann Kino die Klimakrise beeinflussen?
Sehr gut gefüllt war der Fruchtmarkt am Donnerstagabend bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Kino–Klima–Heimat–Zukunft“, moderiert von Claus Kleber, bekannt vom ZDF-„heute journal“.
Werner Dupuis

Simmern. Vom „brennendsten Thema unserer Zeit“ war die Rede im Programmheft der Heimat Europa Filmfestspiele. Und: „Ist die Klimakatastrophe noch aufzuhalten?“ „Was kann das Kino dazu beitragen?“ Diesen Fragen nachgehen wollten Filmschaffende, Moderator Claus Kleber, Landrat Volker Boch und der Co-Gründer von Cradle to Cradle (von der Wiege zur Wiege), Tim Janßen.

Sehr gut gefüllt war der Fruchtmarkt am Donnerstagabend bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Kino–Klima–Heimat–Zukunft“, moderiert von Claus Kleber, bekannt vom ZDF-„heute journal“.
Werner Dupuis

Cradle to Cradle ist ein Ansatz für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft. „Wir wollen aufzeigen, dass es auch anders geht, und haben beispielsweise drei Konzerte mit den Toten Hosen und den Ärzten veranstaltet, die, ohne Abfall zu produzieren, auskamen“, nannte Janßen ein Beispiel dafür, wie sich das Bewusstsein ändern muss, um nachhaltig agieren zu können.

Ein Film, der sich eindringlich mit der Veränderung des Bewusstseins in unserem täglichen Leben befasst, stand zuvor im Mittelpunkt auf dem Podium in Simmern. Moderator Claus Kleber stieg mit Steffen Meyn in die Diskussionsrunde auf der Fruchtmarktbühne ein. Filmstudent Meyn dokumentierte zwei Jahre lang den Kampf der Aktivisten im Hambacher Forst gegen die Rodung des dortigen Waldes, was ihm am Ende zum Verhängnis wurde, denn er stürzte aus der Höhe der Baumwipfel zu Tode.

Drei seiner Freunde, alle auch Filmstudenten, nahmen sein Filmmaterial und schnitten daraus einen Film, der unter dem Titel „Vergiss Meyn nicht“ vor der Podiumsveranstaltung im Rahmen der Heimat Europa Filmfestspiele gezeigt wurde.

Arbeit dokumentieren

Die drei Filmemacher Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl und Jens Mühlhoff saßen auf dem Podium in Simmern und berichteten dem Publikum zunächst, welche Intension sie verfolgt haben, als sie den Film gemacht haben. Kilian Kuhlendahl erklärte: „Wir wollten, dass Steffens Arbeit nicht einfach im Sande verläuft.“ Jens Mühlhoff ergänzte: „Wir hatten einfach das Gefühl, wir müssen einfach weitermachen. Steffen hatte uns ein paarmal mitgenommen, um uns seine Arbeit zu zeigen.“ Wie aus dem rohen, ungeschnittenen Material am Ende ein Film wurde, erzählte Fabiana Fragale. Nach Sichtung des Materials habe jeder der drei Filmemacher Vorschläge unterbreitet, die dann am Ende – nach engagierter Auseinandersetzung – zu einem Film wurden.

Was der Film auch aufzeigt, ist das Leben der Aktivisten, die nicht nur gegen das Abholzen des Waldes protestierten, sondern auch so lebten, wie man leben kann und muss, will man es konsequent angehen, mit dem Schutz des Klimas.

Das ist auch die Intention von Tim Janßen, der strikt dafür eintritt, nur Produkte zu verwenden, die weder durch ihren Gebrauch noch ihre Herstellung Abfall verursachen, der dann wieder entsorgt werden muss.

Das Problem geht tiefer

Dass hinter den (Plastik-)Müllbergen eine ganze Industrie steckt, der schwer beizukommen ist, zeigt der Film „Plastic Fantastic“ auf, der im Anschluss an die Podiumsdiskussion im Festivalprogramm gezeigt wurde. Kleine Plastikteilchen finden ihren Weg in den menschlichen Körper, und die Plastiklobby macht ohne Rücksicht auf Mensch und Natur immer weiter. „Der Film zeigt, dass es das seit 30 Jahren gibt, warum erfahren wird das erst heute aus dem Film?“, fragte die künstlerische Leiterin der Filmfestspiele, Sabine Schultz.

„Ich habe die nötige Geduld, darüber immer wieder mit Politikern und Lobbyisten zu diskutieren und zu streiten“, sagte Tim Janßen. Es gehe darum, mehr Bewusstsein zu schaffen. Der Staat sei ja häufig die treibende Kraft, meinte Moderator Kleber und fragte Landrat Volker Boch, was man als Chef einer Verwaltung denn tun könnte. „Ganz schwierige Frage“, räumte Boch ein, „weil ganz unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen“. In der Verwaltung könne man Einfluss auf die Fahrzeugflotte nehmen, auf den Papierverbrauch, auf Digitalisierung. Ansonsten brauche es immer wieder „von unten hoch gewachsene Bewegungen“.

Als Beispiel nannte Boch die moderne Biogasvergärungsanlage der Rhein-Hunsrück-Entsorgung. Der Rhein-Hunsrück-Kreis müsse deswegen den anfallenden Bioabfall nicht mehr entsorgen. Was in der Vergärungsanlage nicht zu Stromerzeugung verwendet wird, kommt als Dünger auf die Felder. „Wir haben viele Besuchsgruppen, die sich die Anlage anschauen, sogar aus Afrika.“

Claus Kleber
Werner Dupuis

Filme können zum Austausch beitragen

Aber eigentlich müsste es die Politik doch momentan einfach haben, „weil wir ja die Grünen in der Regierung haben“, merkte Claus Kleber süffisant an. Hier hakte Volker Boch ein: „Das ganze Heizungsthema ist kaputtgegangen, bevor es Fahrt aufgenommen hat.“ Hier müsse die Kommunikation deutlich verbessert werden.

„Aber ein Thema wird zum Thema, wenn es weltweit beispielsweise Gegenstand von Filmen geworden ist“, meinte Kleber. Sabine Schultz erinnerte hier an den Dokumentarfilm von Davis Guggenheim mit dem ehemaligen US-Vizepräsidenten und Präsidentschaftskandidaten Al Gore über die globale Erwärmung, der 2006 in Cannes gezeigt wurde. „Al Gore wurde damals bei der Premiere ausgelacht.“ Seine Prognosen hätten sich aber alle bewahrheitet.

Film könne also Mittel zum Austausch und zur Kommunikation sein, sagte Kleber. Sabine Schultz fragte die jungen Filmemacher: „Euer Film gibt einen tiefen Einblick in die Aktivistenszene, wie seht ihr beispielsweise die Wut der jungen Leute wie der ,Letzten Generation'? Braucht die Gesellschaft Sand im Getriebe, um umzudenken?“ Fabiana Fragale dazu: „Viele kleine Dinge führen gemeinsam zum Ziel. Man darf sich nicht scheuen, ständig darüber zu streiten und zu reden.“

Geschichten erzählen

Von Claus Kleber auf die Klimakleber angesprochen, antwortete Volker Boch: „Ich bin kein Freund dieser extrem polarisierenden Aktion. Ist es das Ziel, etwas knallen zu lassen, oder erreicht man den Diskurs?“ Claus Kleber nickte: „Wir erleben die Selbstunmöglichmachung der Aktivisten, die sich die Leute, die etwas ändern würden, zu Feinden machen.“

Der Landrat sagte: „Ich bin überzeugt, dass man mit Politikern diskutieren kann.“ Tim Jansen erklärte: „Wir brauchen auch in Zukunft Mobilität und Putzmittel in der Küche. Es gibt nicht nur links oder rechts.“

Claus Klebers Fazit lautete am Ende der engagierten Diskussion: „Es ist unsere Aufgabe, die jeweilige Geschichte zu erzählen. Es muss ins Bewusstsein eindringen von allen.“ Die Kommunikation zwischen Lagern, die verfeindet sind, müsse verbessert werden. „Film ist dafür ein gutes Medium.“ Und die Vielschichtigkeit der Klimadiskussion resümierte der ehemalige ZDF-Moderator: „Wie im ,heute journal': Du hast ganz viele Themen aber nur 28 Minuten, wir hatten 64.“

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