Die Buga-Bloggerin über ihre Zeit am Rhein
Buga-Bloggerin blickt zurück auf sechs Monate Mittelrheintal: „Tourismus kann noch besser vernetzt werden“
Marie-Luise Eberhardt blickt auf einen halbes Jahr als Buga-Bloggerin mit dem Wohnsitz auf Burg Sooneck zurück.
Marie-Luise Eberhardt

Mittelrhein. „Ein halbes Jahr auf einer Burg leben, 67 Kilometer Welterbe Region zwischen Koblenz und Bingen erkunden. Texten, bloggen, fotografieren, zeichnen, Menschen kennenlernen. Geschichten sammeln und Videos drehen.“ So lautete in diesem Jahr die Ausschreibung zum Buga-Blogger.

Marie-Luise Eberhardt blickt auf einen halbes Jahr als Buga-Bloggerin mit dem Wohnsitz auf Burg Sooneck zurück.
Marie-Luise Eberhardt

Die ganze Sache begann 2015. Damals noch unter dem Namen Burgenblogger wurde das Projekt ins Leben gerufen, und die erste Burgenbloggerin zog auf die Burg Sooneck bei Niederheimbach. Entwickelt wurde das Storytelling-Projekt auf 67 Kilometern Weltkulturerbe von der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz, unserer Zeitung und der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz. Acht Jahre später und fünf Burgenblogger weiter wurde der Burgenblogger zum „Buga-Blogger”, und die Bundesgartenschau-Gesellschaft 2029 ist anstelle der Entwicklungsagentur dabei. Jetzt – nach Ablauf ihrer Zeit auf der Sooneck – haben wir Buga-Bloggerin Marie-Luise Eberhardt nach ihren Erfahrungen und Eindrücken gefragt. Wie stellt sich unsere Region jemandem von außen dar, der die Chance hat, sich ein halbes Jahr lang mit ihr zu beschäftigen?

Frau Eberhardt, Sie haben jetzt ein halbes Jahr lang im Mittelrheintal gelebt. Welche Vorstellungen von der Region hatten Sie, bevor Sie hierher kamen?

Tatsächlich bin ich vor meinem Bewerbungsgespräch noch nie im Mittelrheintal gewesen. Deshalb hatte ich kaum Vorstellungen oder Erwartungen, außer, dass die Landschaft mir gefällt und die Region mich neugierig macht, weil sie sich zum Beispiel durch den Rhein, die Enge des Tales und die Weinberge sehr von den Orten unterscheidet, wo ich bisher gelebt habe.

In der Generation Ihrer Großeltern oder Urgroßeltern war es modern, an den Rhein zu fahren und die Burgen zu besuchen – und mit Kegelklub oder Gesangverein beim Ausflug auch tüchtig dem Wein zuzusprechen. Was erkennen Sie heute noch davon wieder?

Meine Großeltern konnten nicht an den Rhein fahren, da sie in der DDR gelebt haben, wahrscheinlich war der Mittelrhein deshalb auch unbekannter für mich. Aber zurück zu Ihrer Frage. Auch wenn es heute weitaus weniger Winzer und bewirtschaftete Weinberge gibt als früher, ist die Liebe zum Wein geblieben und diese wird bei allen Veranstaltungen auch gelebt. Gefeiert wird nach wie vor ordentlich. Es gibt alte Traditionen wie den St. Martinsumzug oder die Kerb. Die Lebensfreude und Offenheit Fremden gegenüber ist mir im Tal auch begegnet. Und die Burgen stehen nach wie vor und können oft wie früher besucht werden.

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Burg, Wein, Begegnungen aller Art - Impressionen aus mehr als einem Jahr Buga-Bloggerin. Marie-Luise Eberhardt hat ihr Fotoalbum für uns geöffnet.
Reinfriede Scheer/buga-bloggerin.de. Reinfriede Scheer/buga-bloggerin

Mancherorts könnte man den Eindruck gewinnen, es habe sich seit den 1950er-Jahren nicht mehr viel getan, an anderen Stellen findet man gut renovierte Gemäuer und Genuss- und Übernachtungsmöglichkeiten im Sternebereich. Welchen Eindruck haben Sie vom Mittelrhein als Tourismusregion?

Die Vielseitigkeit der Beherbergung am Mittelrhein habe ich auch so wahrgenommen. Da entstehen immer mehr kleine feine Wohlfühl-orte, andere suchen dringend Nachfolger, weil sie die Vermietung im Alter nicht mehr stemmen können. Bei der Bewirtung sieht es ähnlich aus, vielleicht aber sogar noch drastischer. Viele Restaurants schließen. Es kommen zwar neue, oftmals herausragende Restaurants hinzu, aber gerade in der Nebensaison beziehungsweise dem „Winterschlaf“ steht es in einigen Orten schlecht um einen geselligen Abend in der Kneipe. Viele kleinere Orte wie Niederheimbach haben nur noch ein Restaurant, was regelmäßig geöffnet ist. Natürlich zählt noch mehr zum Tourismus: Es gibt viele Attraktionen am Mittelrhein zu besichtigen und die Natur lädt ja sowieso zum Wandern oder Radfahren ein. Es kommen immer neue wunderschöne Wanderwege wie die Traumschleifen und Traumschleifchen hinzu. Da wird viel getan. Nur könnte das touristische Angebot noch besser vernetzt sein. Sprich, dass ich in Bacharach auch weiß, was es in Kaub oder Osterspai zu erleben gibt.

Glauben Sie (wirklich), dass die Region ihre wirtschaftliche Zukunft im Tourismus hat? Kann die Region davon leben? Was fehlt dazu Ihrer Ansicht nach?

Ich glaube, für diese Frage fehlt mir die fachliche Expertise. Aber meiner Meinung nach ist das Obere Mittelrheintal nicht ohne Grund Weltkulturerbe und eine der schönsten Regionen Deutschlands. Gerade durch Corona haben viele Menschen aus Deutschland Lust, im eigenen Land zu reisen. Wandern und Radfahren stehen auch wieder höher im Kurs, und der Mittelrhein bietet für alle Altersgruppen Angebote. Ich gehe davon aus, dass gerade auch durch die Buga 2029 sich noch mehr Menschen in die Region verlieben und hier ihren Urlaub verbringen werden. Es braucht dafür sicherlich noch mehr individuelle Unterkünfte und Restaurants und ein Tourismuskonzept für die ganze Region, wie zum Beispiel eine Mittelrheinkarte.

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Burg, Wein, Begegnungen aller Art - Impressionen aus mehr als einem Jahr Buga-Bloggerin. Marie-Luise Eberhardt hat ihr Fotoalbum für uns geöffnet.
Sonja Theobald-Zahn/buga-bloggerin.de. Sonja Theobald-Zahn/buga-blogger

Viele Holländer haben auf den Campingplätzen der Region eine zweite Heimat gefunden. Rheinsteig, Rheinburgenweg und andere Premiumwege werden von Wanderern erobert und der Loreleyfelsen von zahlreichen Touristen aus Amerika und Asien. Welcher Art Mensch aus Ihrem Bekanntenkreis würden Sie ein paar Tage Aufenthalt am Rhein empfehlen?

Jungen Familien, die Burgen bestaunen wollen, Schiff fahren und gern wandern gehen. Es gibt so viel zu staunen für Groß und Klein.

Tourismus und Urlaub machen bedeutet auch Erholung und gesunden Schlaf. Inwieweit beeinträchtigt die Bahn beziehungsweise der Bahnlärm nach Ihrem Erleben die Idylle am Rhein?

Ja, es gibt sicherlich ruhigere Orte, als sich direkt am Rhein und damit auch an der Bahntrasse aufzuhalten. Aber das Obere Mittelrheintal vereint ja nicht nur die Unterkünfte direkt am Rhein. Meist verlaufen die Städte und Dörfer weit ins Tal und es gibt ja auch die Höhenorte, von welchen die Bahn wenig oder gar nicht zu hören ist. Von daher ist das differenzierter zu betrachten. Aber natürlich gibt es auch Hotels oder Ferienunterkünfte direkt an den Schienen, und da kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Das kann laut werden! Aber ich habe mich auch ziemlich schnell an das Rattern gewöhnt, und Ohropax können auch helfen.

Sie sind die erste Buga-Bloggerin in der Nachfolge der bisherigen Burgenblogger. Die Umbenennung erfolgt ja in Verbindung mit der Bundesgartenschau 2029. Welche Impulse und welche nachhaltigen Änderungen durch die Buga erhoffen Sie sich für die Region?

Nachhaltig wünsche ich dem Tal, dass durch die Buga nicht nur mehr Menschen Urlaub im Mittelrheintal machen, sondern es auch einen Zuzug gibt, weil mehr Leute die Region kennen- und lieben lernen. Das ist in meinen Augen auch eine Chance, dem Leerstand, dem Vereinssterben und anderem zu begegnen und Orte wieder mehr zu beleben, kulturelle Initiativen, neue Restaurants, Geschäfte und so weiter entstehen zu lassen. Ein wirtschaftlicher Erfolg der Buga wird natürlich auch den Mittelrheinern zugutekommen, sie im Tal halten und in neue Projekte investieren lassen. Und ganz wichtig, so eine Aufbruchstimmung, ein Zuspruch der Region von außen, hinterlässt hoffentlich auch mental Spuren bei den Bewohnern, die die Schönheit des Tals gar nicht mehr so wahrnehmen können.

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Marie-Luise Eberhardt ist die neue Buga-Bloggerin - sie hat Quartier bezogen auf der Burg Sooneck am Mittelrhein.
Jens Weber. Jens Weber/Rhein-Zeitung

Bis 2029 ist zwar noch eine Weile hin, aber eine – vielleicht entscheidende, aber zumindest große – Infrastrukturmaßnahme, die Brücke, ist bis dahin nicht umgesetzt. Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit der nicht vorhandenen Brücke? Hat sie Ihnen gefehlt? Wie wichtig ist sie Ihrer Meinung nach? Lebenswichtig oder gar überlebenswichtig?

Überlebenswichtig ist die Brücke meiner Meinung nach nicht. Bisher hat das Obere Mittelrheintal auch ohne existiert. Natürlich war es auch für mich einschränkend, wenn ich durch den Winterfahrplan der Fähren nach einer Lesung das Dreifache an Zeit benötige, um nach Hause zu kommen, weil die Fähre nicht mehr fährt und ich zur letzten Fähre nach Rüdesheim/Bingen einen Umweg in Kauf nehmen muss. Gerade für Menschen, die zum Beispiel linksrheinisch arbeiten und rechtsrheinisch wohnen, ist das schon anstrengend, es bedarf immer mehr Planung und mehr Zeit. Mit dem Sommerfahrplan hatte ich da weniger Probleme. Für mich persönlich ist das Fährefahren aber auch charakteristisch für die Region und hat mir viel Spaß bereitet. Dieses Gefühl hatte ich auch bei den Touristen. Ich bin aber auch der Meinung, dass eine Brücke den Großteil der Fähren nicht verdrängen wird, sondern es dann vor allem am Abend erleichtert, Veranstaltungen auf beiden Seiten zu besuchen.

Wirtschaftliche Standbeine der Region sind auch Industrie und Handwerk. Sie selbst haben auf der Sooneck in der Nähe eines Steinbruchs gelegt. Entlang des Rheins und auf den Höhen gibt es einige nicht unbedeutende Betriebe. Wie haben Sie die Region in dieser Hinsicht wahrgenommen?

Ich denke, dass es wirtschaftlich für die Region wichtig ist, verschiedene Standbeine zu haben, auch wenn es wie im Fall des Steinbruchs bei Burg Sooneck den touristischen Blick vielleicht beschneiden mag. Als Bewohnerin ist zum Beispiel der Staub und der Lärm eine Belastung, und die Besucher haben sich dann und wann beschwert, aber viele zeigen auch Verständnis für den Betrieb, der der Region Arbeitsplätze verschafft.

Sie haben schon an mehreren Orten gelebt. Derzeit sind Sie wieder im Ruhrgebiet. Was haben Sie am Mittelrhein und auf Burg Sooneck am meisten vermisst?

Vertraute Menschen, die ich fußläufig erreichen kann. Das Gefühl, dass in der Umgebung andere Leute leben. Den 24-Stunden-Kiosk ums Eck und manchmal ein vielfältigeres soziokulturelles Angebot wie Kino oder Theater.

Wenn Sie nach diesem halben Jahr von Bekannten gefragt würden, was man Ihrer Meinung nach am Mittelrhein gesehen oder erlebt haben müsste, welche drei Dinge würden Sie ihm nennen?

Uff, schwere Frage, es gibt so viel vorzuschlagen. Aber da versuch' ich, spontan zu antworten: Bei der Weinlese in der Steillage helfen, die Marksburg besuchen, durch Bacharach mit Riesling-Eis auf der Hand schlendern und den Montagsumzug der Kerb in Niederheimbach besuchen. Da waren's schon vier.

Liebe Frau Eberhardt, mal Hand aufs Herz: Würden Sie hier leben wollen?

Die Frage habe ich mir auch gestellt. Das kommt drauf an, wo genau. Aber ja, ich kann mir vorstellen zum Beispiel in Bacharach oder Oberwesel, Braubach oder Bingen zu leben. Die Landschaft bietet so viel, das Fließen des Rheins beruhigt mich, ich mag den Menschenschlag, die Architektur und größere Städte wie Mainz oder Koblenz sind nicht weit weg.

Das Interview führte Regina Theunissen

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