Gut 40 Einwohner waren zur Bürgerversammlung ins Gemeindehaus der 400 Einwohner zählenden Gemeinde Lautzenhausen gekommen, die seit einem knappen Jahr unmittelbar mit Flüchtlingen konfrontiert ist, die in der AfA Hahn untergebracht sind.
90 Menschen aus dem Kriegsland Ukraine stellen einen großen Anteil der momentan rund 270 Flüchtlinge in der Unterkunft. Nach wie vor kommen daneben die Asylsuchenden vornehmlich aus Afghanistan und Syrien, aber mittlerweile auch viele aus der Türkei.
In Spitzenzeiten 500 Flüchtlinge
Dass die Flüchtlingsanzahl in Spitzenzeiten annähernd die Einwohnerzahl der Gemeinde erreicht, hat Auswirkungen auf ein Dorf. „Das ist ganz klar, wenn in die Nachbarschaft eines 400-Einwohnerdorfs eine Afa kommt“, sagte Peter Müller, der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kirchberg.
Dieser saß zusammen mit Ministerin Binz und der Vizepräsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), Christiane Luxem, ebenso auf dem Podium wie Landrat Volker Boch sowie Martin Ziemer von der ADD. Und nicht zuletzt war auch die Leiterin der Polizeiinspektion Simmern, Polizeirätin Katinka Schneider, nach Lautzenhausen gekommen, um sich Fragen der Bürger zu stellen, sich deren Sorgen und Nöte anzuhören. Das Gespräch leitete Eveline Dziendziol von der ADD.
Ministerin Binz erklärte zunächst, warum die Verlängerung der AfA notwendig geworden sei. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine seien von heute auf morgen ins Land gekommen. Auch Rheinland-Pfalz habe der Verpflichtung nachkommen müssen, Menschen aufzunehmen. Deswegen habe man Asylsuchende, die aus Afghanistan und Syrien ins Land gekommen waren, eben länger in den Aufnahmeeinrichtungen belassen, um Ukrainer aufnehmen zu können.
„Wir sehen gerade, dass die Zahlen runtergehen, aber das ist der Wintereffekt. Im Frühjahr werden sie wieder steigen“, sagte Binz und wandte sich an die Zuhörer im Saal: „Wir wollen Probleme, die existieren, nicht untern Tisch fallen lassen, sondern besprechen“, betonte Binz. Um die Standorte der Aufnahmeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz zu unterstützen, habe das Land 1,4 Millionen Euro bereitgestellt.
Rhein-Hunsrück. Der Betrieb der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (AfA) auf dem Hahn war bis Ende Januar des kommenden Jahres befristet. Nun soll der Betrieb zunächst bis Ende 2024 verlängert werden.AfA Hahn wird bis Ende 2024 verlängert: Einrichtung könnte in Zuständigkeit des Kreises übergehen
Christiane Luxem von der ADD, der die AfA Hahn unterstellt ist, erklärte: „Wir sind zuständig dafür, was hier passiert, und haben einen runden Tisch eingerichtet, um uns auszutauschen und Lösungen zu finden.“ Mit 27 Flüchtlingen sei man auf dem Hahn gestartet. Die Spitzenbelegung im Oktober lag bei mehr als 500 Bewohner in den beiden Unterkunftshäusern, deren Kapazitätsgrenze damit erreicht war. Derzeit seien circa 270 Menschen in der AfA Hahn.
Die Durchschnittswerte bei der Belegung lagen zwischen 300 und 400 Menschen, die im Verlauf des Jahres auf dem Hahn vorübergehend wohnten. 65 Prozent der ankommenden Personen seien übrigens Alleinreisende. Auch wenn das Ganze bislang „ganz gut geklappt“ habe, sei man darauf angewiesen, dass die Bürger von Lautzenhausen und Umgebung „mit Wünschen und Bedenken an uns herantreten“, sagte Luxem.
Das Angebot, dass die Einwohner der Gemeinde ihre Anliegen vorbringen können, begrüßte Landrat Volker Boch ausdrücklich und bedankte sich bei Ministerin Binz und ADD-Vizepräsidentin Luxem dafür, „dass Sie das persönlich wahrnehmen und an einem Freitagabend zu uns gekommen sind“. Dass es um die AfA Hahn bislang „ruhig geblieben“ sei, wertete Boch als „gute Gemeinschaftsleistung“, zu der AfA-Leiter Klaus-Peter Müssig, Ortsbürgermeisterin Corinna Velten und der Gemeinderat beigetragen hätten. Konkret ging Boch auf den Fußweg ein, der den Flüchtlingen einen sicheren Zugang vor allem zu den Einkaufsmöglichkeiten in Büchenbeuren ermöglichen sollte: „Ich hoffe, dass wir es jetzt umsetzen können.“
Wenn dieser Weg nicht asphaltiert sei, brauche man ihn gar nicht erst zu bauen, lautete der Einwand eines Lautzenhauseners. Dem entgegnete Ortsbürgermeisterin Corinna Velten, dass man sich deswegen auf einen Schotterweg geeinigt habe, weil in dem Bereich in wenigen Jahren voraussichtlich ein Neubaugebiet entstehen werde: „Dann müssen wir den asphaltierten Weg wieder rausreißen.“
Derselbe Dorfbewohner kritisierte dann noch, dass im Bereich des Spielplatzes oftmals Flüchtlinge herumlungerten, teilweise angetrunken, was die Nutzung des Spielplatzes für die Kinder aus Lautzenhausen unmöglich mache. „Hier muss endlich Abhilfe geschaffen werden“, forderte der Mann. Schützenhilfe bekam er von einer Frau, die bekannte: „Ich als Frau gehe nicht mehr allein durch den Ort, das ist eine Belastung.“ Pfarrerin Sandra Menzel ging darauf ein und fragte: „Wie kann man mit gefühlter Angst umgehen?“ Man müsse die Belastung konkret benennen, so Menzel.
Flughafen Hahn. Hoher Besuch vor dem Einzug nächste Woche: Die Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration, Katharina Binz, hat mit Christiane Luxem, Vizepräsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), die zukünftige Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) am ...AfA Hahn ist startklar für Mittwoch – Zunächst kommen fünf Familien mit 27 Menschen
Ein Jugendlicher sah die Situation im Dorf anders: „Ich erkenne keinen Unterschied zwischen Flüchtlingen, die hier leben, und Fluggästen. Das Leben hat sich hier im Dorf geändert, und ich kann als Lautzenhausener nur zustimmen: Das ist kein Vergleich zu 2015.“ Gemeint war die damalige Situation, als die Geflüchteten auf dem Hahn eine Zeltstadt bewohnten. Der junge Mann fragte nach Möglichkeiten, die Menschen besser zu integrieren. Das gehe nur über die Sprache, meldete sich Werner Busch aus Büchenbeuren und fragte, ob es denn in der AfA Sprachkurse gebe. Martin Ziemer antwortete: „Ja, es gibt Sprachkurse, aber die Fluktuation ist hoch. Außerdem sind die Menschen erst einmal froh, ihre lange Flucht hinter sich lassen zu können und Ruhe zu haben.“
Gefühlte Sicherheit ist wichtig
Dafür herrschte im Saal sicher durchaus Verständnis, aber dennoch forderte der zuvor erwähnte Einwohner erneut: „Wir haben nur einen Spielplatz im Dorf. Unsere Kinder müssen ihn wieder nutzen können.“ Und die gefühlte Unsicherheit war einigen Zuhörerinnen nicht zu nehmen. Ministerin Binz hatte Verständnis dafür: „Die gefühlte Sicherheit ist uns wichtig. Und hier wird auch niemand in die rechte Ecke gestellt, wenn er ein Problem anspricht. Deswegen sitzt auch die Polizei hier mit am Tisch.“
Die Leiterin der Polizeiinspektion, Katinka Schneider, nannte dann Zahlen: Seit Bestehen der AfA seien 18 Straftaten bei der Polizei registriert worden. „Das liegt im normalen Bereich“, so Schneider. Man werde weiter Präsenz zeigen. „Wir sind immer ansprechbar. Wenn etwas ist, melden Sie sich“, ermunterte die Polizeichefin die Bürger. Christiane Luxem appellierte: „Wenn Sie das Gefühl haben, es läuft etwas schief, bitte melden.“
Ein anderer Aspekt: In der dunklen Jahreszeit seien die dunkel gekleideten Flüchtlinge oftmals für Autofahrer schwer zu sehen. Reflektierende Westen oder Warnstreifen für die Kleidung könnten hier Abhilfe bringen, um Unfälle zu vermeiden.