Bevor Landrat Volker Boch auf „ein spannendes Haushaltsjahr“ blickte, drang noch nicht gleich seine Stimme ans Ohr der Ratsmitglieder, sondern ungewohnte Klänge. Hans-Jörg Haas am Altsaxofon und Dmytro Chup am Akkordeon von der Kreismusikschule sorgten zu Beginn der letzten Sitzung des Kreistages dafür, dass die Ratsmitglieder aus der Sitzung zumindest etwas mit nach Hause nehmen konnten, das Musik in ihren Ohren war.
Der Haushaltsplan erfüllte diese Vorgabe nämlich nicht. Auch wenn es Kämmerer Johannes Vogt und der Verwaltung gelungen war, noch ein paar „Punkte“ einzudampfen, Prozentpunkte, um die die Kreisumlage erhöht wird. Sie geht von 45 auf 46,25 Prozent hoch und nicht wie ursprünglich angesetzt auf 46,85 Prozent (wir berichteten).
Doch der Reihe nach. Landrat Volker Boch erklärte, trotz aller Herausforderungen sei der Landkreis „krisenfest, stabil, gesund und prosperierend“. Zum 30. Juni 2022 lebten im Kreis insgesamt 106.330 Menschen, 1,67 Prozent mehr gegenüber dem Vorjahr.
Positiv sei, dass Verbindlichkeiten aus Investitionskrediten und Liquiditätskrediten im kommenden Jahr weiter getilgt würden. Eine Aufnahme von neuen Krediten sei 2023 nicht erforderlich.
„Allerdings erleben wir eine massive Steigerung der Kosten gegenüber den Vorjahren. Die notwendigen Ausgaben liegen im Jahr 2023 bei 206,19 Millionen Euro“, was eine Steigerung um fast 12 Millionen Euro gegenüber 2022 und eine Steigerung um rund 50 Millionen Euro gegenüber 2018 bedeute, rechnete Boch vor und erwähnte in dem Zusammenhang die Anhebung der Kreisumlage.
Wichtige Investitionen in Schulen
Der neue Haushalt beinhalte wichtige Investitionen wie Schulbaumaßnahmen, wie Brandschutz an der KGS Kirchberg, die Sanierung des Außenspielfeldes der Realschule plus in Boppard sowie die Sanierung der Sporthalle am Kant-Gymnasium in Boppard und die Verbesserung der Barrierefreiheit an der Hunsrückschule in Simmern. „An der Theodor-Heuss-Schule Kastellaun werden wir massiv in den Ausbau investieren müssen“, ergänzte Boch. Weitere Stichworte des Landrats waren die Umsetzung des Digitalpakts Schule und die Investitionen in die digitale Infrastruktur des Landkreises. Für das von Bund und Land geförderte Graue-Flecken-Programm zahlt der Kreis 6,7 Millionen Euro.
Für 2023 stehe zudem die energetische Sanierung des Kreishauses an. Hinzu kämen Investitionen in die Kita-Landschaft. „Dass wir mehr Kitaplätze in der Region benötigen, ist unumstritten“, sagte Boch und leitete zum ÖPNV über, der im Haushalt 2023 mit 18,6 Millionen Euro verankert sei. „Was das 49-Euro-Ticket in diesem Zusammenhang bringt, wann es kommt, wie es finanziert wird und welches Nutzerverhalten es nach sich zieht, ist heute noch völlig offen“, nannte Boch eine weitere Unbekannte für 2023.
Abschließend sagte der Landrat: „Das kommende Haushaltsjahr wird – wie noch kein Haushaltsjahr zuvor – geprägt sein von einer Vielzahl von Risiken und Ungewissheiten.“ Die im August eingeleitete Planung des Haushalts habe immer wieder mit veränderten Grundlagen und Parametern umgehen müssen.
Beispiel: „Sie haben alle selbst sehen können, wie sich die Kosten in den vergangenen Wochen deutlich nach unten verändert haben, unter anderem beim Tanken von Benzin, Diesel oder Heizöl. Vor diesem Hintergrund haben wir die Zahlen in unserem Haushaltsansatz noch einmal nachberechnet, und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir den Haushaltsansatz hier nochmals absenken können. Dadurch müssen wir die Kommunen durch die Erhöhung der Kreisumlage am Ende nicht noch stärker belasten, als es notwendig ist“, begründete Boch, warum die Umlage am Ende weniger stark ansteigen konnte als ursprünglich angesetzt.
Das reichte der CDU-Fraktion, die ja noch in der letzten Kreisausschusssitzung eindringlich darum gebeten hatte, das Zahlenwerk noch einmal zu überprüfen. „Zielrichtung der CDU-Fraktion ist es immer gewesen, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, ohne Umlageerhöhung“, sagte Fraktionssprecher Wolfgang Wagner und versicherte, auch seine Fraktion wisse um die Ungewissheiten, die das kommende Haushaltsjahr mit sich bringen werde.
Gleichwohl stellte er fest: „Wir haben das höchste Steueraufkommen aller Zeiten. Was passiert mit der Umlage, wenn die Steuereinnahmen einbrechen?“, fragte Wagner und sprach den Stellenplan der Verwaltung an, der 30 neue Stellen vorsieht: „Das ist ein ganzer Omnibus. Wir maßen uns nicht an, dies zu beurteilen, aber wir sollten die Verwaltung nicht weiter aufblähen.“ Im Zweifelsfall müssten Kreistag und auch Landrat wieder lernen, nein zu sagen. Die geringere Erhöhung der Kreisumlage nannte Wagner einen „hervorragenden Kompromiss“. Und ein bisschen Parteiengeplänkel musste dann doch sein: „Ich weiß nicht, ob Sie sich ohne den Antrag der CDU im Kreisausschuss bewegt hätten. Aber wir verzichten auf politisches Jubelgeheul und begrüßen das.“
Beim ÖPNV gehe es, so Wagner, um kluge Anschlusslösungen, die allenfalls passgenauer, aber nicht unbedingt billiger werden. Abschließend forderte Wagner eine bessere Finanzausstattung durch das Land, „damit wir nicht zu höheren Umlagen zu Lasten der Gemeinden gezwungen werden“. Die CDU-Fraktion werde dem Haushalt zustimmen – in der Hoffnung, dass sich 2023 die eine oder andere Unwägbarkeit noch zum Guten wenden möge.
Wie sich die Zahlen entwickeln, sei bei der Erstellung des Etats bis zum Schluss unsicher gewesen. „Es ist ein Haushalt geworden. Wir haben bis zur letzten Woche neue Zahlen bekommen“, sagte Katharina Monteith für die SPD-Fraktion. Zur Erhöhung der Umlage betonte sie: „Die brauchen wir auch. So können wir unsere Pflichtaufgaben ohne Schulden erfüllen und müssen wichtige freiwillige Aufgaben nicht vernachlässigen.“ Als Beispiel nannte Monteith die Finanzhilfe für die Kampagne „Gelobtes Land”, die nachweislich junge Familien und Fachkräfte in den Kreis (zurück-)geholt habe „und noch zurückholen wird“.
Gemeinsamkeit beschworen
Ähnlich wie ihr Kollege von der CDU-Fraktion machte auch die SPD-Sprecherin deutlich, dass beim Thema ÖPNV noch ein dickes Brett zu bohren sei. Monteith beschwor die Gemeinsamkeit. Die fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe, die die Ärzte-Stipendien – für die fünf Stipendien liegen mittlerweile zehn Bewerbungen vor – ausgearbeitet hatte, nannte Monteith als gutes Beispiel für die Zusammenarbeit im Kreistag. „Wir sind schließlich keine Berufspolitiker, sondern Ehrenamtler, die ihre Zeit dazu nutzen, das Leben der Bürgerinnen und Bürger im Kreis etwas lebenswerter zu machen!“, sagte Monteith.
Das ist auch das Anliegen der Grünen. Sprecherin Daniela Lukas-von Nievenheim nahm in ihrer Haushaltsrede natürlich auch Bezug auf die erhöhte Kreisumlage. Der künftige Beitrag der Kommunen sei mit 46,25 Prozent groß, räumte sie ein, „wir sehen aber keine Alternative, um die Leistungsfähigkeit des Kreises für die großen Herausforderungen und Aufgaben zu erhalten“. Dass es finanzstarke und -schwache Kommunen gebe, sei klar. „Dann ist Solidarität gefordert“, forderte Lukas-von Nievenheim und spielte auf die Pachteinnahmen durch Windräder an, die viel Geld in die kommunalen Kassen spülten. „Warum denkt Ihr nicht mal über einen kreisweiten Zweckverband Kita nach?“, fragte die Grüne angesichts nach wie vor fehlender Kita-Plätze im Kreis in die Runde.
Zum Stellenplan bemerkte sie, dass eine Verwaltung handlungsfähig bleiben müsse, wozu auch ausreichend Personal gehöre, was den Haushalt belaste. Aber an klammen Haushaltskassen dürfe auch der Klimaschutz nicht leiden. Der Rhein-Hunsrück-Kreis erhalte eine Förderung in Höhe von 1,5 Millionen Euro, die für kommunale Klimaschutzmaßnahmen wie Investitionen in energetische Sanierung, für Kindergarten- und Schulgebäude eingesetzt werden könnten, wie auch in klimafreundliche Mobilität, in Radverkehr und für die Umsetzung kommunaler Förderprogramme.
„In der Hoffnung, dass die Entwicklung in den nächsten Jahren eine Reduzierung der Kreisumlage wieder hergibt, werden die Grünen dem Haushalt zustimmen“, sagte Lukas-von Nievenheim abschließend.
Das bekräftigte auch Jürgen Mohr für die Fraktion der Freien Wähler. Sich selbst nahm der Bopparder dabei aus. Er wolle nicht alles wiederholen, was schon gesagt wurde, denn „wenn die kleinen Fraktionen an der Reihe sind, dann sind die großen Probleme abgefrühstückt“, sagte Mohr und begründete, warum er nicht mit seiner Fraktion für den von der Verwaltung vorgelegten Haushaltsplan stimmen werde: „Ich will, dass wir keine Erhöhung der Kreisumlage haben. Ney und Morshausen beispielsweise stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagte Mohr und forderte: „Es muss einiges auf den Prüfstand. Ich werde Antrag auf Vertagung der Verabschiedung des Haushalts auf Ende Januar/Anfang Februar stellen.“ Vor allem den Stellenplan kritisierte Mohr: „Das ist der Knaller!“
Ausgabendisziplin angemahnt
Die Erhöhung der Umlage sei natürlich bitter für die Kommunen, sagte auch Werner Wöllstein für die FDP-Fraktion. Man müsse immer das Große und Ganze im Blick behalten. Ausgabendisziplin sei notwendig, angesichts steigender Sozialausgaben, die den Haushalt in alarmierender Art und Weise belasteten. Für die FDP-Fraktion kündigte Wöllstein Zustimmung zum Haushalt an.
Harald Bechberger nannte den vorgelegten Plan der Verwaltung und vor allem des Kämmerers Johannes Vogt „ein Bravourstück“, angesichts der Unberechenbarkeit von Haushalten. Die Erhöhung der Umlage sei auch für seine AfD-Fraktion ein „unumgängliches Mittel“. Dass diese mit 45 Prozent schon zu hoch gewesen sei, kommentierte der AfD-Sprecher mit den Worten: „Jetzt wird den Bürgern rechts und links aus der Tasche gezogen.“ Bei der Abstimmung lasse die Fraktion das Abstimmungsverhalten offen.
Das tat auch die CDU-Fraktion nach einer Sitzungsunterbrechung. Die Vertagung des Haushaltsbeschlusses, wie von Jürgen Mohr beantragt, wurde abgelehnt. In der Abstimmung hatte Mohr nur noch zwei weitere Bopparder auf seiner Seite. Die beiden Mitglieder der CDU-Fraktion, Rudolf Bersch (Buchholz) und Wolfgang Spitz (Bad Salzig), stimmten nicht für den Etat. Mohr und Bersch waren dagegen, Spitz enthielt sich. 31 Kreistagsmitglieder votierten für den Haushalt.