Betriebsrat ist kampfbereit
Boge Elastmetall in Simmern soll 2026 schließen
Das Werk der Firma Boge Elastmetall in Simmern. Zu den besten Zeiten arbeiteten hier mehr als 700 Mitarbeiter, darunter zahlreiche Auszbildende.
Werner Dupuis

Beim Automobilzulieferer Boge Elastmetall in Simmern sollen 2026 die Lichter ausgehen. Die Geschäftsführung des Konzerns mit chinesischen Eigentümern hat angekündigt, die Produktion ins Rhein-Main-Gebiet zu verlagern. Der Betriebsrat ist kämpferisch.

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Boge Elastmetall soll zum Jahr 2026 in Simmern schließen und der Standort in das Rhein-Main-Gebiet verlagert werden. Der Automobilzulieferer produziert in Simmern etwa Motor- und Fahrwerkslager für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Zu besten Zeiten hatte Boge mehr als 700 Mitarbeiter und bildete im Lauf der Jahre viele junge Menschen aus. Auf einer Betriebsversammlung sind die Mitarbeiter darüber von der Geschäftsführung des Konzerns, der vor gut zehn Jahren von ZF Friedrichshafen an die China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) überging, informiert worden.

Man habe länger befürchtet, dass die Schließung des Werks bevorstehen könnte, berichtet Kay Wohlfahrt, der Vorsitzende des Betriebsrats in Simmern und zweiter Bevollmächtigter der IG Metall. Er ist seit 1989 bei Boge. Wie er sind viele der mittlerweile noch rund 340 Mitarbeiter schon viele Jahre beim Betrieb. Deutschlandweit zählt Boge Rubber and Plastics 1200 Mitarbeiter. Spätestens seitdem der Standort in Bonn-Bad Godesberg zum 30. Juni geschlossen wurde, sei man vorgewarnt gewesen.

Der Betriebsrat der Firma Boge in Simmern will die vom Konzern angekündigte Schließung des Standorts zum Jahr 2026 nicht hinnehmen.
Werner Dupuis

2019 habe man einen sogenannten Zukunftstarifvertrag geschlossen, berichten Kay Wohlfahrt und seine Betriebsratskollegen im Gespräch mit unserer Zeitung. Dieser habe betriebsbedingte Kündigungen bis 2024 ausgeschlossen, die Arbeitnehmer verzichteten im Gegenzug auf Lohnerhöhungen. „Wir müssen jetzt die Fehler ausbaden, die im Management gemacht wurden“, sagt Wohlfahrt. Das Unternehmen habe nicht, beziehungsweise viel zu spät auf die Elektromobilität reagiert. „Boge-Teile steckten früher in vielen großen Fahrzeugplattformen, das ist heute nicht mehr der Fall. Diese Aufträge fehlen uns vor allem in Simmern.“ Im vergangenen Jahr habe man deshalb schon von einem Drei-Schicht-Betrieb auf zwei Schichten umgestellt.

Schon bei der Übernahme durch CRRC wären dringend Investitionen in den Standort nötig gewesen, zum Beispiel in das Dach, sagt Wohlfahrt. Darüber habe man die Geschäftsführung auch regelmäßig informiert. Getan habe sich jedoch nichts. Jetzt habe die Geschäftsführung unter anderem argumentiert, ein Neubau an einem neuen Standort sei wirtschaftlicher. Neben dem Investitionsstau seien ein hoher Krankenstand und Fachkräftemangel als weitere Gründe genannt worden. Es fehle am Standort an Ingenieuren und Auszubildenden.

Boge in Simmern galt lange Zeit als ein beliebter Ausbildungsbetrieb

Der Betriebsrat kritisiert zu diesem Punkt, dass es allerdings auch keine Stellenausschreibungen etwa in örtlichen Zeitungen für den Standort gegeben habe, lediglich auf eigenen Plattformen. Boge galt einst als beliebter Ausbildungsbetrieb. Vor zwei Jahren zählte man noch 20 Azubis, heute sind es noch 6. Im vergangenen Jahr sei ein Azubi eingestellt worden, in diesem Jahr keiner. „Die Schließung schwebt schon länger über der Firma. Das führt natürlich dazu, dass Mitarbeiter sich für eine Eigenkündigung entscheiden“, sagt Wohlfahrt.

Rückfragen des Betriebsrats zu der Argumentation habe das Unternehmen nicht beantwortet. Auch auf eine Anfrage unserer Zeitung gab es keine Rückmeldung.

Der Betriebsratsvorsitzende der Firma Boge in Simmern, Kay Wohlfahrt, bei einem Warnstreik im aktuellen Tarifkonflikt.
Werner Dupuis

Eine Schließung hätte Auswirkungen, die über die eigene Belegschaft hinausgehen. „Ich schätze, dass ungefähr 500 Familien in der Region davon betroffen wären“, sagt Wohlfahrt. Neben Zulieferern seien das etwa auch die Mitarbeiter in der Kantine, Bäcker und einige Handwerksbetriebe. Eine Stelle am neuen Standort im Rhein-Main-Gebiet anzunehmen oder gar ein Umzug komme für viele nicht infrage. „Die Leute sind hier verwurzelt. Nach Frankfurt oder Rüsselsheim ist es von hier eine Fahrt von anderthalb Stunden pro Strecke, drei Stunden am Tag im Auto sind zu viel.“

Der Betriebsrat zeigt sich im Gespräch kämpferisch. „Das wollen wir so nicht hinnehmen“, sagt Wohlfahrt, erst recht nicht nach dem Lohnverzicht der vergangenen Jahre. „Wir werden zeitnah unsere Forderungen für einen Sozialtarifvertrag an den Arbeitgeber übergeben“, sagt der Betriebsratschef. Der Organisationsgrad sei hoch, 90 Prozent der Kollegen seien in der IG Metall. „Und die Kollegen stehen zu 100 Prozent hinter unseren Forderungen.“

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