Ministerien und Bahn antworten
Bis zu 120 km/h sollen auf Hunsrückquerbahn drin sein
Am Bahnhof in Kirchberg türmen sich die im Zuge der Sanierung der Hunsrückquerbahn ausgebauten Schwellen. Der Schotter wird von hier aus auf Lastwagen verladen und abtransportiert.
Thomas Torkler. Torkler

Die Debatte um die Hunsrückquerbahn nimmt weiter Fahrt auf. Schreiben des Bundesverkehrsministeriums und des Mobilitätsministeriums Rheinland-Pfalz machen deutlich: Auf der Strecke sind statt 10 bis 20 Stundenkilometern teils satte 120 km/h möglich.

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Das Bundesministerium für Verkehr (BMV) hat Landrat Volker Boch auf sein Schreiben von Anfang April geantwortet. Das Schreiben liefert einige neue Erkenntnisse. Nach einem Austausch auf dieser Basis im Kreisausschuss hat das Gremium die Kreisverwaltung beauftragt, einen Resolutionstext zu erarbeiten, der dann im Ältestenrat beraten und im Kreistag Ende Juni beschlossen werden soll. Damit könnte sich der Kreistag in der Angelegenheit deutlich positionieren. Zuvor hatten bereits das Jugendparlament Simmern-Rheinböllen, der Stadtrat Simmern und der VG-Rat Simmern-Rheinböllen Resolutionsbeschlüsse für Personenverkehr auf der Strecke gefasst.

Das BMV nehme die vom Landrat in seinem Schreiben angesprochenen Punkte ernst, heißt es in der Antwort, „und sieht aufgrund des großen Investitionsvolumens von circa 60 Millionen Euro ebenfalls die Chancen, die laufende Sanierungsmaßnahme mit dem bereits durch das zuständige Land Rheinland-Pfalz in Prüfung befindlichen Reaktivierungsvorhaben für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) zu verknüpfen“. Damit bei den Sanierungsarbeiten „keine Fakten geschaffen werden, die später nicht oder nur mit hohem Aufwand korrigiert werden könnten“ stehe das BMV im Austausch mit dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA). „So konnte zum Beispiel bereits mit der DB InfraGO AG geklärt werden, dass die für das Fahren höherer Geschwindigkeiten notwendigen Kurvenerhöhungen der Trasse bei der Sanierung vollständig erhalten bleiben“, schreibt Corinna Salander vom BMV. Dazu hatte es während der laufenden Arbeiten auch schon anderslautende Vermutungen gegeben.

„Somit seien die eingebauten Oberbaukomponenten für Geschwindigkeiten bis zu 120 km/h und Gleisbelastungen von bis zu 10.000 Leistungstonnen pro Tag dimensioniert.“
Corinna Salander, Bundesministerium für Verkehr

Auf Nachfrage habe DB InfraGO zudem mitgeteilt, dass der Oberbau, also Schienen, Schwellen, Weichen, Schotter und Befestigungselemente, gemäß der allgemeingültigen DB-Richtlinie hergestellt werde. „Somit seien die eingebauten Oberbaukomponenten für Geschwindigkeiten bis zu 120 km/h und Gleisbelastungen von bis zu 10.000 Leistungstonnen pro Tag dimensioniert.“

Die technische Basis ließe also eine deutlich höhere Geschwindigkeit als die genannten 10 bis 20 km/h zu. Die Einschränkungen ergeben sich demnach nicht direkt aus dem Oberbau, sondern eher aus Faktoren wie „Erdbauwerke zur Stabilität und Tragfähigkeit des Untergrunds, konstruktive Bauwerke (Brücken und Durchlässe) und die teilweise derzeit außer Betrieb gesetzten technischen Bahnübergangssicherungen“. Laut dem Schreiben des BMV laufen derzeit „Abstimmungen zwischen dem EBA und der DB InfraGO AG hinsichtlich des zukünftigen Umfangs der erforderlichen Infrastruktur auf der Hunsrückquerbahn (das heißt, Anzahl und Lage von Überhol- oder Kreuzungsgleisen, Ladestellen zum Be- und Entladen sowie Serviceeinrichtungen)“.

„Der Umfang der Dimensionierung der zukünftigen Infrastruktur ist insofern von Bedeutung, als dass dieser sowohl Quantität als auch Qualität der Güter- und Personenverkehre maßgeblich beeinflusst. Ziel muss es aus meiner Sicht sein, zukünftig einen sinnvollen und wirtschaftlichen Verkehr in der Region zu ermöglichen und gleichzeitig die sich dabei ergebenden Möglichkeiten für eine Reaktivierung des SPNV durch das Land zu nutzen“, schließt Salander ihr Schreiben.

Das BMV-Schreiben liegt auch dem rheinland-pfälzischen Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität (MKUEM) vor. Auf Anfrage unserer Zeitung äußert sich das Ministerium zur Sache. Bemerkenswert: Das Land hat Interesse an Verkehr auf der Hunsrückquerbahn: „ Unabhängig von einem regelmäßigen SPNV hat das Land beziehungsweise die zuständigen Aufgabenträger, Trassen für einen saisonalen Zugverkehr auf der Hunsrückquerbahn bei der Deutschen Bahn AG angemeldet. Hierzu finden aktuell Abstimmungsgespräche statt“, teilt Pressesprecher Dietmar Brück mit.

Land sieht die „grundsätzlichen großen Potenziale für die regionale Entwicklung“

Unabhängig von dem Rechtsstreit infolgedessen die Bahn zu den aktuellen Sanierungsarbeiten verpflichtet wurde, setze sich das Land Rheinland-Pfalz für die Reaktivierung von Bahnstrecken für den regelmäßigen Schienenpersonennahverkehr (SPNV) ein. Derzeit werden landesweit zwölf Strecken betrachtet, die Hunsrückquerbahn ist Bestandteil dieser Betrachtungen.

„Die aktuellen Sanierungsmaßnahmen der Deutschen Bahn AG bilden eine wichtige Grundlage für die wirtschaftliche Betrachtung einer potenziellen SPNV-Reaktivierung der Hunsrückquerbahn. Eine weitere Grundlage bildet der prognostizierte Nutzen. Sollte die Hunsrückquerbahn im Abgleich zu den weiteren ’Reaktivierungskandidaten’ für eine SPNV-Reaktivierung zu priorisieren sein, so wären weitere Infrastrukturmaßnahmen (unter anderem für Bahnsteige und Bahnübergänge) erforderlich und auch zu planen“, teilt das Mobilitätsministerium mit.

Das Ministerium schätzt die noch vorhandene Infrastruktur der Hunsrückquerbahn als eine wichtige infrastrukturelle Zukunftsoption für die Kreisstadt Simmern und die benachbarten Kommunen ein, merkt jedoch auch an, „dass bei einer Nutzen-Kosten-Analyse (NKU) die seinerzeit 4-spurig ausgebaute B50 dazu in einer Nutzungskonkurrenz steht“. Wegen der jedoch „grundsätzlichen großen Potenziale für die regionale Entwicklung“ habe das Land die Strecke in die Liste der zu prüfenden Strecken aufgenommen.

Kreistag berät Ende Juni über deutliche Positionierung per Resolution

In der Kreispolitik deutet sich eine große Mehrheit für eine mögliche Resolution für Personenverkehr auf der Hunsrückquerbahn an. Die jüngsten Schreiben des EBA und des BMV legten „den Finger in die Wunde, was die Geschwindigkeiten“ angehe und bringen neue sachliche Erkenntnisse, sagte Landrat Volker Boch. Er stellte eine mögliche Resolution des Kreistags zur Diskussion.

„Es ist bemerkenswert, wie viel Energie die Kreisverwaltung in das Thema steckt. Man merkt, da ist jemand an der Spitze, der das Thema voranbringt“, dankte Umut Kurt (SPD-Fraktionsvorsitzender) dem Landrat. Eine Sanierung ohne die Option auf SPNV sei weder sinnvoll noch wirtschaftlich, sagte Kurt und sprach sich für eine entsprechende Resolution aus.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Harald Rosenbaum hält fünf Aspekte für entscheidend: So müsse erstens die Bewertung der Strecke durch das Land umgehend erfolgen. Der Umfang der Sanierung sei bekannt, anhand dessen könne die Bewertung auch erfolgen. Zweitens müsse das Planfeststellungsverfahren schnell wieder aufgenommen werden, drittens müsse SPNV möglich sein, viertens der Hahn angeschlossen werden. „Sonst kann ich mir eine Auslastung nur schwer vorstellen“, sagte Rosenbaum. Zudem müsse die Hunsrückquerbahn für den Fall einer Reaktivierung für den SPNV priorisiert werden. „Wenn der Rhein-Hunsrück-Kreis dann erst an 10. Stelle kommt, sind die Birken bis dahin wieder drei Meter hoch.“ Thomas Klemm (CDU) unterstrich die Bedeutung des Anschlusses an den Flughafen für Kerosintransporte und den Personenverkehr.

Ralf Schönborn hinterfragte für die AfD-Fraktion, ob jemals geprüft worden sei, ob die Region mehr von einem Fahrradweg auf der Strecke oder von einer Reaktivierung profitieren würde. Das verneinte Landrat Boch und erläuterte, dass es dazu für die VGs und den Kreis keine Veranlassung gegeben habe, weil sie nicht Eigentümer der Trasse sind. Davon ganz abgesehen: „Ein solcher Radweg könnte theoretisch auch neben der Trasse verlaufen“, sagte Boch.

Tobias Eiserloh drückte für die FWG Freie Wähler Rhein-Hunsrück aus, man sei zu „100 Prozent dafür“, eine Resolution pro Personenverkehr auf den Weg zu bringen. „Radwege haben wir etwa zwischen Kirchberg und Simmern schon“, sagte Eiserloh. Für den Schulweg werde dieser eher nicht genutzt. „Aber ich kann mir vorstellen, dass ein SPNV auf der Strecke den Verkehr mit Schulbussen stark entlasten könnte.“

Hans Dunger (Freie Wähler) brachte mit einem Augenzwinkern Rückmeldungen der Anlieger ein. Die seien mit dem aktuellen Stand zufrieden und berichteten ihm: „Die Bauphase überstehen wir und mit dem Zugverkehr kommen wir auch klar“, weil sie davon ausgingen, dass ohnehin keiner mehr stattfinden werde. Bei einem Radweg rechneten sie hingegen mit wesentlich mehr Verkehr. „Wenn wir eine Resolution fassen, sollte darin auch die Elektrifizierung als Ziel rein“, sagte Dunger.

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