Projektchor gibt Konzert
Beinahe wäre der Gesang in Dill verstummt
Mit einem möglichen Sterben des MGV Dill wollten sich die Sänger nicht zufriedengeben. Kurzerhand stellten sie einen Projektchor auf die Beine. Und der probt nun fleißig für sein Konzert im Diller Gemeindehaus.
Charlotte Krämer-Schick

Viele Chöre im Rhein-Hunsrück-Kreis stehen vor dem Aus, Nachwuchs und Chorleiter sind Mangelware. Doch der MGV Dill wollte sich damit nicht zufriedengeben. Er stellte einen Projektchor auf die Beine, der seine Arbeit bei einem Konzert präsentiert.

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Strahlende Gesichter und frohes Gelächter sieht und hört man im Gemeindehaus Dill. Es ist Dienstagabend, und die Probe des Projektchors soll gleich beginnen. Chorleiterin Helmi Hasselbach tritt an ihr E-Piano, bittet um Ruhe, und schon geht es los mit dem Einsingen. Stimmbildung ist angesagt, damit auch jede und jeder eine leistungsfähige Stimme hat, wenn es ans Proben der Stücke geht.

Seit einem Jahr gibt es den Projektchor, an diesem Samstag soll er seinen Abschluss finden mit einem Konzert gemeinsam mit Chorissima aus Simmern. „Gospel meets Pop“, lautet der Titel des Abends im Diller Gemeindehaus. Die beiden Chöre haben sich dafür mächtig was vorgenommen: Insgesamt stehen 22 Stücke auf dem Programm, zehn singt der Projektchor, acht das Simmerner Ensemble, vier Stücke singen die beiden Chöre gemeinsam. Er verspricht, ein abwechslungsreicher und unterhaltsamer Abend zu werden. Traditionelle Lieder aus Afrika werden ebenso zu hören sein wie Traditionals oder Evergreens. „Lollipop“, „What a Wonderful World“ oder der Elton John-Klassiker „Can you feel the Love tonight“ für gemischten oder Frauenchor? In Dill können die Besucher erfahren, wie das klingt.

„Wir hatten den Männerchor aus Altersgründen eigentlich schon ad acta gelegt.“
Thomas Heidecker, Vorsitzender des MGV

Beinahe aber wäre der Gesang in der kleinen Gemeinde verstummt. Dabei reicht die Tradition des MGV Dill, der das Konzert veranstaltet und den Projektchor initiiert hat, bis ins Jahr 1888 zurück. „Wir hatten den Männerchor aus Altersgründen eigentlich schon ad acta gelegt“, berichtet Thomas Heidecker, Vorsitzender des MGV. Zwar seien bis zum letzten Konzert im Herbst 2023 noch einige Männer regelmäßig zur Probe gekommen, doch so wirklich „singfähig“ sei der Chor nicht mehr gewesen. Und dann beendete auch noch die Chorleiterin Angelika Hilgert ihr Berufsleben. Dabei hatte auch dieser Auftritt allen richtig viel Spaß gemacht: „Wir hatten den Chor Fatal aus Morbach eingeladen, der sein Queen-Programm gesungen hatte, und wir haben Lieder von Reinhard Mey beigesteuert“, erinnert sich Heidecker. Und das Ergebnis habe sich sehen – oder besser: hören – lassen können. Dennoch war zu diesem Zeitpunkt klar: „Wir müssen den Chor verjüngen“.

Saßen die Sänger zusammen, waren sie sich einig: Es sollte ein Chor ins Leben gerufen werden, der modernes Repertoire singt. Bei einer zufälligen Begegnung wurde Chorleiterin Hasselbach mit ins Boot genommen. „Da haben wir echt Glück gehabt“, sagt Heidecker. Denn einen Dirigenten zu finden, sei nicht einfach. Und wie sollten neue Sänger gefunden werden? „Durch persönliche Ansprache und Mund-zu-Mund-Propaganda“, waren sich die Initiatoren einig. Kurzerhand tingelte eine Gruppe Herren in den Nachbargemeinden von Tür zu Tür. „Wir wollten jeden ansprechen, ob jung oder alt, weiblich oder männlich, ob versierter Sänger oder Anfänger“, sagt Heidecker. Obendrein sollte der Projektchor für alle Interessierten kostenfrei sein.

„Wir konnten den Chorgesang in Dill nicht einfach sterben lassen.“
Thomas Heidecker

„In Noten und Chorleitung hat der MGV aus seinen Reserven investiert“, sagt Heidecker. Der Projektchor selbst habe mit dem Verein nichts zu tun, dieser trete nur im Hintergrund in Erscheinung – etwa wenn es darum geht, als Veranstalter des Konzerts am Samstag aufzutreten. Mancher Sänger habe in die ersten Probestunden reingeschnuppert und sich gegen das Mitsingen entschieden, andere aber sind geblieben. Rund 30 Sänger sind nun mit Freude bei der Sache, der älteste ist 81 Jahre alt und kommt von Oberkirn nach Dill gefahren. „Von einer Familie aus Sohren sind gleich sieben Leute dabei“, erzählt Heidecker.

„Wir konnten den Chorgesang in Dill nicht einfach sterben lassen“, sagt der MGV-Vorsitzende. Bei dieser Entscheidung sei aber nicht nur das Singen wichtig gewesen. „Es ist das Miteinander, der Austausch der Generationen, das Zwischenmenschliche, was wichtig ist“, findet Heidecker. So ist es nicht ungewöhnlich, dass Jung und Alt nach der Probe – und nachdem sie gemeinsam schöne Lieder gesungen haben – noch bis Mitternacht zusammensitzen und sich über allerhand Dinge austauschen. „Die Menschen haben größtenteils verlernt, miteinander zu reden“, ist er sicher. Vereine aber hielten Kontakt und Kommunikation am Leben. Und das sorge für mehr Verständnis und Toleranz. Für viele sei der Dienstagabend der schönste Tag der Woche.

„Ich würde mir wünschen, dass es weitergeht.“
Thomas Heidecker

Dennoch bleibt in Dill die Ernsthaftigkeit nicht auf der Strecke. Das ist auch Chorleiterin Hasselbach zu verdanken. „Da ist schon auch Druck dahinter“, sagt Heidecker. Immerhin sei es schon knackig für einen Laienchor, in einem Jahr zehn Lieder einzustudieren. Hasselbach mache sich richtig viel Arbeit, sie verschicke etwa an jeden Sänger eingesungene und mit dem Klavier eingespielte Einzelstimmen per Nachrichtendienst aufs Handy, damit sich alle konzentriert auf die Probe vorbereiten können. Auch Probensamstage habe es schon gegeben.

Eigentlich soll das Konzert auch das Ende des Projektchors markieren. „Ich würde mir aber wünschen, dass es weitergeht“, sagt Heidecker. Die Investitionen des MGV sollten schließlich Früchte tragen. „Wir werden sehen, wer weitermachen will“, sagt er– und ob vielleicht noch neue Sänger dazukommen. Denn es soll noch nicht Schluss sein mit der fast 140-jährigen Tradition des Chorgesangs in Dill.

„Chorissima und Projektchor Dill, zwei Chöre, eine Bühne und ein unterhaltsames Programm: Gospel meets Pop“ – das Konzert unter diesem Motto findet am Samstag, 24. Mai, im Gemeindehaus in Dill statt. Einlass ist um 19.30 Uhr, das Programm beginnt um 20 Uhr. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.

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