Ohne die schweigende Mehrheit, die weggeschaut hat, als während der Nazizeit die jüdische Bevölkerung deportiert und in Vernichtungslager gebracht wurde, hätte es den millionenfachen Massenmord an der jüdischen Bevölkerung nicht gegeben, bekannte Hering. Um dies in Zukunft zu verhindern und entsprechende Aufklärungsarbeit zu leisten, seien Gedenkstätten wie beispielsweise die ehemalige Synagoge Laufersweiler, inklusive der Arbeit dort angesiedelter Vereine und Institutionen, deren Mitglieder häufig ehrenamtlich tätig sind, von außerordentlicher Bedeutung, so Hering.
Laut der Memo-Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung Bielefeld (IKG) wünscht sich die Mehrzahl der Jugendlichen mehr Informationen zur Geschichte des Nationalsozialismus. Dieses Interesse solle genutzt werden, um junge Menschen zu animieren, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Orte wie die ehemalige Synagoge in Laufersweiler böten dafür die idealen Vorrausetzungen, sagte der Landtagspräsident.
Gebäude überstand Schändung in der Pogromnacht recht unbeschadet
Mahnen, Gedenken, Lernen und forschen, das sind die Schwerpunkte des Forst-Mayer Studien- und Begegnungszentrums für das Landjudentum in den Mauern des ehemaligen jüdischen Gebetshaues. 20 Prozent der Bevölkerung von Laufersweiler gehörten in der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert dem jüdischen Glauben an. Als eine von wenigen Synagogen im Rhein-Hunsrück-Kreis hat das repräsentative, 1911 errichtete Gebäude die Schändung in der Pogromnacht vom November 1938 relativ unbeschadet überstanden. Das Innere wurde von Einheimischen und Unterstützern aus der Umgebung allerdings damals komplett verwüstet.
Nach dem Krieg wurde der Bau als Wäscherei, Schulsaal, Versammlungsort und für eine öffentliche Gefrieranlage genutzt. 1985 wurde der der Gemeinde gehörende Bau unter Denkmalschutz gestellt und in mehreren Stufen unter der Regie der Ortsgemeinde renoviert. Mieter ist ein Förderkreis, und seit 2014 ist hier auch das Forst-Mayer Studien- und Begegnungszentrum tätig.
Untergebracht ist in dem Gebäude, neben dem Versammlungsraum im Untergeschoss, auch eine Bibliothek. Hier im Obergeschoss finden sich Bücher und Dokumente zu allen Aspekten des Judentums sowie ein jüdisches Familien- und ein Regionalarchiv. Hier gibt es auch pädagogische Materialien zum jüdischen Leben im Hunsrück. Alle Medien sind digital miteinander vernetzt. Das Gebäude wird auch regelmäßig für Veranstaltungen, Konzerte und Ausstellungen genutzt.
Mit zunehmender historischer Distanz erklären sich Erinnerungsorte nicht mehr von selbst. Die Zeit des Nationalsozialismus bedarf mehr und mehr der Vermittlungsarbeit, die Gedenkstätten sind zu Lernorten geworden. Dies wurde bisher überwiegend im Ehrenamt geleistet. In Anbetracht der immer älter werdenden Akteure im Förderverein und dem Begegnungszentrum könne dies zukünftig nicht mehr allein in den bisherigen Strukturen betrieben werden, beklagte Förderkreisvorsitzender Christof Pies.
Finanzielle Ausstattung erhöhen, um hohen Standard zu halten
Um Wege zu verkürzen, fordert er eine Dezentralisierung der Erinnerungskultur, die aktuell landesweit ihre Schwerpunkte in den ehemaligen Konzentrationslagern Hinzert und Osthofen habe. Bei der Erhaltung des Gebäudes müsse die Ortsgemeinde Laufersweiler stärker unterstützt werden: „ Es ist wohl einmalig, dass sich eine Kommune in dieser Weise und Intensität bei der Erinnerungs- und Gedenkarbeit engagiert“, sagte Pies.
Die finanzielle Ausstattung müsse erhöht werden, um die Arbeit des Studienzentrums und vom Gedenk- und Lernort in Laufersweiler auf dem aktuellen hohen Stand zu halten. Zuschüsse sollten sich durch den Abbau von Bürokratie bei der Bewilligung vereinfachen. Pies wünscht sich ein Register von Lernorten mit pädagogischen Angeboten und als Vision ein rheinland-pfälzisches Haus der jüdisch-deutschen Geschichte an geschichtsträchtigen Orten wie zum Beispiel in Beilstein oder Oberwesel.
Landtagspräsident Hering nahm das Wunschpaket mit auf den Weg zur nächsten Station seiner Gedenkstättenreise in die ehemalige Synagoge von Niederzissen. Begleitet wurde die Reise von der Beauftragten der Ministerpräsidentin für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen, Monika Fuhr, der Landtagsvizepräsidentin Astrid Schmitt, dem Vorsitzenden der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in Rheinland-Pfalz, Franz-Josef Ratter, sowie Landtagsabgeordneten und Kommunalpolitikern wie Landrat Volker Boch und Kirchbergs VG-Bürgermeister Peter Müller.