Kratzenburg und Ney fahren mit Umleitung besser - Wunsch nach dauerhaften Linienfahrten geht wohl nicht in Erfüllung
Baustelle bringt den Bus zurück ins Dorf: Kratzenburg und Ney fahren mit Umleitung besser
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Aktuell fährt die Linie 620 wegen einer Baustelle in Halsenbach einen Umweg über die Orte Kratzenburg und Ney. Seit der Umstellung des ÖPNV 2019 sind die 800 Einwohner abgesehen von den Schulbussen hauptsächlich über Anruffahrten an den Nahverkehr in Richtung Koblenz und Emmelshausen angebunden.
Philipp Lauer

Kratzenburg/Ney. Selten wirken sich Straßenbaustellen schon während der Bauarbeiten positiv auf die Verkehrsanbindung von Menschen aus. Eine Ausnahme sind dabei die Arbeiten an der K 108 in Halsenbach, von denen aktuell die rund 800 Einwohner von Kratzenburg und Ney profitieren. Infolge der Sperrung fahren die Busse nämlich wieder regelmäßig durch die beiden Orte im Vorderhunsrück, unweit der Hunsrückhöhenstraße.

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Seit der Umstellung der Linien im Jahr 2019 fühlen sie sich ansonsten weitgehend vom Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) abgeschnitten, berichten die Ortsbürgermeister und Beigeordneten im Gespräch mit unserer Zeitung.

Bis zur Umstellung des Nahverkehrs 2019 konnten die Kratzenburger und Neyer regelmäßig in Busse in Richtung Koblenz und Emmelshausen einsteigen, und waren ab Emmelshausen auch gut in Richtung Simmern angebunden, berichtet Kratzenburgs Bürgermeister Björn Seis. Der ÖPNV sei rege von Berufspendlern genutzt worden oder für Erledigungen und Einkäufe in Emmelshausen. Seit 2019 beschränke sich das Angebot jedoch weitgehend auf eine Verbindung am Morgen und am Mittag, also die Schulbusse. Die fahren aber nur an Schultagen, am Wochenende sei man gar nicht an eine Buslinie angeschlossen.

Anruffahrten seien „kompliziert, langwierig und zeitraubend“

So fehlt nicht nur die Anbindung in die nächsten Städte, sondern auch die wichtige Verbindung zwischen den Orten – um Freunde zu besuchen oder am Vereinsleben teilzunehmen, das in beiden Orten spielt. „Es gibt die Möglichkeit, ein Anrufsammeltaxi (AST) zu rufen. Das ist aber sehr aufwendig“, sagt Seis. „Spontan geht das nicht“, sagt Jürgen Liesenfeld, Beigeordneter von Ney. Zwei Stunden vor der geplanten Fahrt müsse man anrufen, wenn man vor 8 Uhr am Morgen fahren möchte, sogar am Vortag, erklärt Tobias Stoffel, Beigeordneter in Kratzenburg.

„Dann kommt ein Taxiunternehmen aus Emmelshausen und fährt einen aber nur bis Ehr, dort kann man dann in einen Linienbus umsteigen“, sagt Liesenfeld. „Und das auch nur unter der Woche, am Wochenende und an Feiertagen ist das nicht möglich“, sagt Stoffel. Er hält die Anruffahrten für Pendler und Schüler für schlichtweg nicht praktikabel. „Die Buchung dieser Fahrten ist kompliziert, langwierig und natürlich auch zeitraubend, da diese ja jeden Tag aufs Neue durchgeführt werden muss.“

Die Baustelle hat etwas Gutes für uns: Sie zeigt, es funktioniert

Sascha Thönges, Ortsbürgermeister in Ney

Auch wenn es die ausgehängten Fahrpläne und auch die Handyapps nicht verraten: Aktuell fährt wegen der Umleitung infolge der Baustelle zu den Pendlerzeiten morgens und nachmittags halbstündlich ein Bus über Kratzenburg und Ney, sonst bis zum Abend stündlich, sogar Nachtbusse gibt es. „Da muss man rechnen und im Zweifel ein bisschen früher da sein“, sagt Stoffel. Er fährt regelmäßig mit dem Bus zur Arbeit, das sei besonders seit Einführung des Deutschlandtickets für viele Menschen attraktiv.

Drei bis vier Minuten länger brauche der Bus, um von Emmelshausen aus den Schlenker über die Dörfer zu machen. „Meiner Erfahrung nach werden die Knotenpunkte alle erreicht, weit über 90 Prozent der Busse haben an den Haltestellen zum Beispiel in Waldesch sogar noch mal Standzeiten von drei bis fünf Minuten“, sagt Stoffel. „Die Baustelle hat etwas Gutes für uns: Sie zeigt, es funktioniert“, sagt Sascha Thönges, Ortsbürgermeister von Ney.

Kosten und Fahrtzeiten als Gegenargument

Schon 2019 hatten sich die Kommunalpolitiker an die Kreisverwaltung gewandt mit dem Wunsch, wieder an den ÖPNV angeschlossen zu werden. „Damals war die Begründung, das sei wegen der Fahrtzeit und der Kosten nicht möglich“, sagt Thönges. Von jährlichen Mehrkosten von 40.000 Euro geht man aus. „Wir finden, das fällt bei dem Gesamtvolumen der Kosten für den ÖPNV nicht so sehr ins Gewicht und würde rund 800 Menschen an den Öffentlichen Nahverkehr anbinden“, sagt Seis.

Insgesamt schlägt der ÖPNV inklusive Schülerbeförderung mit 9 Millionen Euro im Kreishaushalt 2024 zu Buche. „Und die Argumentation mit der Fahrtzeit halten wir für obsolet. Die aktuelle Situation führt uns vor Augen, dass es funktioniert.“ Kürzlich habe man noch mal um einen Termin bei der Kreisverwaltung gebeten, der stehe jedoch noch aus.

Leider kann die derzeitige Linienführung so nicht dauerhaft belassen werden.

Auskunft der Kreisverwaltung Rhein-Hunsrück

„Leider kann die derzeitige Linienführung so nicht dauerhaft belassen werden“, teilt die Kreisverwaltung auf Anfrage unserer Zeitung mit. „Einige regulär vorgesehene Haltestellen in Halsenbach sind infolge der Straßenbaumaßnahme nicht anfahrbar. Dies führt zu Zeiteinsparungen, die den Zeitverlust durch die Umleitung kompensieren“, erklärt die Kreisverwaltung.

Kern des neuen ÖPNV-Konzeptes seit 2019 sei ein integraler Taktfahrplan, der über Umsteigepunkte möglichst viele Anschlüsse im gesamten Rhein-Hunsrück-Kreis sicherstelle. „So hat jede Gemeinde mit mehr als 200 Einwohnern erstmals eine vertaktete ÖPNV-Anbindung erhalten, dies gegebenenfalls auch mit Anruffahrten, um ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen.“ Die Anschlussknoten müssten zwingend erreicht werden, das sei bei einer Einbindung der Orte Kratzenburg und Ney in die Linie 620 nicht gewährleistet.

Kreis und Kommunen uneins zu Fahrtzeiten

Das sieht Thönges angesichts der beschriebenen Wartezeiten als gegeben, entsprechend könne er die Argumentation nicht nachvollziehen. „Das spricht für mich eher für eine Beibehaltung der Einbindung der beiden Orte.“

„Darüber hinaus bleibt festzuhalten, dass die Ortsgemeinden Ney und Kratzenburg mit einem Umstieg in Halsenbach genauso häufig an Emmelshausen und Koblenz angebunden sind wie vor der ÖPNV-Umstellung. Wobei sich die Fahrtzeit inklusive der Umstiegszeit nur um einige Minuten verlängert.

„Den Taktfahrplan stellt niemand infrage“, sagt Stoffel dazu. Die Aussage der Verwaltung, dass die Fahrtzeit mit Anruffahrt nach Koblenz nur wenige Minuten länger ist, will er so jedoch nicht stehen lassen. „Knapp 30 Minuten länger dauert es bei normaler Fahrt mit Anrufsammelfahrt nach Koblenz und das pro Fahrt, in Ausnahmen sogar länger“, sagt Stoffel. Eine Fahrt in das fünf Kilometer entfernte Emmelshausen könne mit Umstiegszeit auch mal 50 Minuten für einen Weg dauern.

Nächste Baustelle schon in Aussicht

Eine Umstellung der Anruf-Linienfahrten auf feste ÖPNV-Anbindungen habe man den beiden Ortsgemeinden bei regelmäßiger Nutzung angeboten, teilt der Kreis mit. „Mit mir als Vertreter der Ortsgemeinde Ney hat bezüglich der Umstellung auf eine feste ÖPNV-Anbindung noch niemand Kontakt aufgenommen oder etwas angeboten“, sagt Thönges dazu.

Voraussichtlich noch bis zum 28. Juni kommen die Kratzenburger und Neyer in den Genuss der regelmäßigen Busanbindung, so lange soll die Umleitung noch bestehen bleiben. Doch die nächste Baustelle, die sich positiv auf die Mobilität in den beiden Dörfern auswirken wird, ist schon in Aussicht: Wenn die Kreisstraße 110 zwischen Ehr und Halsenbach saniert wird, wird der Bus wieder über die beiden Dörfer umgeleitet. Laut Auskunft der Kreisverwaltung ist dies im kommenden Jahr geplant. Nach dem Ausbau der Straße wird die Straße abgestuft.

Dann gäbe es aus Sicht der Kommunalpolitiker ein weiteres Argument, es dauerhaft bei dieser Streckenführung zu belassen: Auf der Kreisstraße über Ney und Kratzenburg gewährleistet der LBM den Winterdienst.

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