Lehrer aus Leidenschaft
Bad Salziger steht mit 85 noch am Lehrerpult
Bernd Tomczak ist 85 Jahre alt und unterrichtet noch immer an der Bopparder Realschule plus. Damit ist er nun seit mehr als 60 Jahren Lehrer. Ans Aufhören denkt er erst einmal noch nicht.
Lara Kempf

Mathe, Deutsch, Geschichte: Das ist seit mehr als 60 Jahren die Welt von Bernd Tomczak. Auch mit 85 Jahren steht der Lehrer noch im Klassenzimmer. Doch was treibt ihn an, seinem Beruf auch in diesem hohen Alter noch nachzugehen?

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„Ich will das nicht.“ Das war die Reaktion von Bernd Tomczak, als der Lehrer aus dem Hunsrück im Jahr 2003 einen Brief vom Land Rheinland-Pfalz erhielt. Der Inhalt: Laut Landesbeamtengesetz sei es Zeit für seinen Ruhestand, er müsse die Schule zum Ende des Schuljahres verlassen. Zu diesem Zeitpunkt war er 63 Jahre alt. Dieses Jahr, rund 22 Jahre später, feiert er seinen 85. Geburtstag – am 17. Mai. Unterrichten tut er noch immer und denkt noch lange nicht ans Aufhören.

Dass er Lehrer werden will, war für Tomczak schon in der Schulzeit klar. Geboren 1940, wuchs er zusammen mit seiner Schwester bei seiner Mutter in St. Goar am Rhein auf – inmitten des Zweiten Weltkriegs. Seine Kindheit war geprägt von Aufenthalten in Luftschutzkellern und dem Beten der Frauen. „Das war keine schöne Zeit“, sagt der 85-Jährige. Auch seinen Vater lernte er nie kennen, da er im Krieg starb.

„Ich bin von einem verwöhnten Jungen zum Mann geworden.“
Bernd Tomczak über die Anfänge seiner Lehrerkarriere

Doch trotz des Krieges erinnert sich der Hunsrücker gerne zurück. Denn es gab auch einige schöne Ereignisse in dieser Zeit. Mit 17 Jahren lernte er auf der Arbeit seiner Mutter seine spätere Frau kennen. „Ich war sofort verliebt in dieses schöne Mädchen, und das bis heute“, betont Tomczak. Er verbrachte viel Zeit mit ihr. „Darunter litten allerdings meine schulischen Leistungen“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Er machte keine Hausaufgaben und schwänzte, um sie zu treffen. Die Folge: Sein damaliger Lehrer gab ihm eine Strafarbeit. Er musste eine vierseitige Inhaltsangabe eines Buches schreiben, in dem es auch um ein junges Pärchen ging.

Das war ein bedeutender Moment für den 85-Jährigen. Er habe gemerkt, dass der Lehrer ihn zurecht bestraft hatte. „Ich habe über mich nachgedacht und damit war die Strafe mir selbst eine große Hilfe“, sagt der Hunsrücker. Ab diesem Moment sei ihm klar gewesen, dass er auch Lehrer werden wollte.

Während seines Studiums machte Bernd Tomczak 1962 ein Praktikum an der Volksschule in Biebernheim. Archiv Volksschule Biebernheim
Archiv Volksschule Biebernheim

Im Jahr 1960 machte er sein Abitur am Bad Salziger Gymnasium und studierte danach an der pädagogischen Hochschule in Koblenz Lehramt. Da das Studium damals noch anders aufgebaut war als heute, spezialisierte sich Tomczak nicht auf ein oder zwei Fächer, sondern studierte alle. Bis heute unterrichtet er so viele wie möglich. Während des Studiums machte er ein Praktikum an der Volksschule in Biebernheim (Stadtteil von St. Goar) und schloss sein Studium schließlich im Jahr 1963 ab.

Seine erste Lehrstelle trat der damals 23-Jährige an der katholischen Volksschule in Langscheid (Stadtteil von Oberwesel) an. Da er dort der einzige Lehrer war, wurde er auch sofort zum Schulleiter befördert. Unterrichten musste er die erste bis achte Klassenstufe gleichzeitig, und zwar in einem Raum. Das sei eine Herausforderung gewesen. Alles musste gut geplant sein. „Ich habe jeden Schultag am Abend vorher schriftlich vorbereitet“, erinnert sich der Hunsrücker. Neben seiner Lehrtätigkeit leitete er nachmittags auch freiwillige Arbeitsgemeinschaften in der Schule und engagierte sich als Fußballtrainer. Dabei sei er überall im Dorf mit „Herr Lehrer“ angesprochen worden. „In dieser Zeit bin ich vom verwöhnten Jungen zum Mann geworden“, sagt Tomczak.

„2030, mit 90 Jahren, will ich wahrscheinlich in den Ruhestand gehen.“
Bernd Tomczak

Die nächsten Jahre waren geprägt von schönen Ereignissen, erinnert sich der 85-Jährige. 1965 heiratete er seine Frau und bald darauf kamen seine drei Kinder zur Welt. Wohnten sie bis 1969 noch in der zur Stelle dazugehörigen Lehrerdienstwohnung, zog es die junge Familie 1969 nach Bad Salzig, ins Elternhaus von Tomczaks Frau. Dort trat er eine Stelle an der Volksschule an, unterrichtete zunächst ein drittes Schuljahr. Dabei war ihm ein respektvoller Umgang immer wichtig. „Ich gehe mit anderen Menschen, egal ob Schüler oder Kollegen, stets so um, dass sie sich wünschen würden, ich wäre ihr Freund“, betont der Hunsrücker. Diese Herangehensweise scheint einige seiner Schüler nachhaltig beeindruckt zu haben. Denn einige von Ihnen entschieden sich später auch für den Lehrerberuf, einer ist heute sogar Rektor.

Bis 1982 blieb er an der Schule in Bad Salzig. Dann wechselte er an die Hauptschule nach Boppard. Dort unterrichtete er vom fünften bis zum zehnten Schuljahr alle Schüler. Auch am Studienseminar in Simmern war der 85-Jährige in den 80er-Jahren für einige Jahre tätig, bildete angehende Lehrer aus. Schnell stand für ihn aber fest, dass er eigentlich nur unterrichten und „einfacher Lehrer“ sein wollte. Deswegen kehrte er 1988 an die Schule zurück – auch weil seine Frau erkrankte und einige Jahre später starb.

Bernd Tomczak (links) ist ein respektvoller Umgang mit seinen Schülern von Anfang an wichtig.
Archiv Volksschule Biebernheim

Der Schule, die seit einigen Jahren Realschule plus heißt, ist er bis heute treu geblieben. Da er 2003 noch keineswegs in den Ruhestand gehen wollte, schickte das Land eine Kommission zu ihm in den Unterricht, um ihn zu überprüfen. „Das lief richtig gut, denn meine Klasse war einfach super“, erinnert sich Tomczak. Seine Dienstzeit wurde also noch bis zum höchstmöglichen Zeitpunkt verlängert – um weitere drei Jahre.

Aber auch das reichte dem rüstigen 85-Jährigen nicht, der jeden Tag noch fünf bis zehn Kilometer läuft. Mit 67 wollte er immer noch weitermachen. „Der Beruf macht mir so einen Spaß. Ich möchte jungen Leuten zeigen, dass es sich toll anfühlt, wenn man trotz Schwierigkeiten am Ende etwas erreicht“, betont der Bad Salziger. Deswegen bekommt er seit 2007 jedes Jahr zu Beginn des neuen Schuljahres einen Vertrag von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Rheinland-Pfalz, der seine Lehrtätigkeit für ein weiteres Jahr garantiert. „Mir wurde gesagt, ich bin ein Unikat in Rheinland-Pfalz“, freut sich Tomczak.

„Ich möchte jungen Leuten zeigen, dass es sich toll anfühlt, wenn man trotz Schwierigkeiten am Ende etwas erreicht.“
Der Lehrer aus Bad Salzig

Zwar hat er in der Schule keine eigenen Klassen mehr, ist aber immer noch dreimal die Woche für jeweils drei Stunden dort und betreut die Lernzeit der siebten und neunten Klassen. „In der Zeit können mir die Schüler zu allen Fächern Fragen stellen und ich helfe ihnen“, sagt er.

Am Samstag, 17. Mai, feiert er an dem Ort, an dem alles begann, der ehemaligen Volksschule Langscheid (heute das Gemeindehaus), seinen 85. Geburtstag. Neben Familie und Freunden kommen auch einige seiner ehemaligen Schüler zu seinem Ehrentag. Der Schule in Boppard will er aber noch ein paar Jahre treu bleiben. „2030, mit 90 Jahren, will ich dann aber wahrscheinlich in den Ruhestand gehen. Das habe ich der Schulleitung mitgeteilt“, sagt der Hunsrücker.

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