"Hunsrücker Heimatblätter" frisch erschienen
Auswanderung nach Brasilien ist zentrales Thema: Neues Heft der „Hunsrücker Heimatblätter“ erschienen
Kreisverwaltung Rhein-Hunsrück

Hunsrück. Das jüngste Heft 185 der „Hunsrücker Heimatblätter“ ist ein besonderes Heft. Es ist mehr als doppelt so umfangreich wie gewöhnlich und seine Beiträge beschäftigen sich nahezu ausschließlich mit dem Thema „200 Jahre Brasilienauswanderung“. Das beginnt schon mit dem Titelbild, auf dem das Jubiläumslogo des Rhein-Hunsrück-Kreises zu sehen ist. Das Heft umfasst 92 Seiten zuzüglich der beigelegten zwölf Seiten Biogramme.

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Landrat Volker Boch dankte dem Hunsrücker Geschichtsverein für diesen Beitrag zum Jubiläumsjahr. Er verwies bei der Buchvorstellung in der Kreisverwaltung zugleich auf die zahlreichen Veranstaltungen, die in diesem Jahr im ganzen Kreis und insbesondere im Zusammenhang mit den deutsch-brasilianischen Partnerstädten im Kreis stattfinden.

Hochwasser mit schlimmen Folgen

Als besondere Gäste konnte der Landrat zudem die Partnerschaftsbeauftragte der Stadt Igrejinha, Andresa Schwarz, mit ihrem Ehemann begrüßen. Sie schilderte in eindringlichen Worten die augenblickliche Situation im Raum Igrejinha und die Folgen des schlimmen Hochwassers im Frühjahr 2024. Gerade Schulen und Museen waren und sind betroffen. Hilfreich wäre im Augenblick für die Schul- und Sprachausbildung etwa Kinder- und Jugendliteratur.

Als Vorsitzender des Hunsrücker Geschichtsvereins begrüßte Dr. Fritz Schellack Autoren und Vorstandsmitglieder des Vereins und dankte allen, die ehrenamtlich an der Realisierung der umfangreichen Ausgabe mitgewirkt hatten. Sicher wäre die Ausgabe noch umfangreicher geworden, wenn die Größe der Heftklammern ausgereicht hätten, meinte Schellack. Er verwies darauf, dass die Forschungen zur Auswanderung durch Ernst Siegel und Walter Diener schon Ende der 1920er-Jahre begannen, auch Eduard Junges aus Rheinböllen beschäftige sich mit dem Thema.

In den „Hunsrücker Heimatblättern“ finden sich nun weitere themenbezogene Beiträge. Er hoffe, das insbesondere die Schulen das Auswanderungsjubiläumsjahr als Beispiel par execellense für Migrations-, Sozial- oder Wirtschaftsgeschichte wahrnehmen würden. Anschauliche Ausstellungen dazu seien im Hunsrück-Museum Simmern, im Haus der Regionalen Geschichte in Kastellaun und im Herbst im Museum Boppard zu sehen.

Im Heft stellt Kristina Müller-Bongard „Neuland“ vor – die noch bis zum Jahresende laufende Brasilienausstellung des Hunsrückmuseums. Sie liefert eine konzeptionelle Problemgeschichte der Ausstellung und stellt klar, dass eine Beschäftigung mit dem Thema Hunsrücker Brasilienauswanderung nur vor dem Hintergrund der aktuellen Migrationsdebatte zu haben sei.

Kontakte geknüpft, wiederbelebt und intensiviert

Im unmittelbaren Sinne gegenwartsbezogen sind auch die Beiträge von Fritz Schellack. Die Jubiläen der Jahre 1974 und 2024 haben dazu geführt, dass Kontakte zwischen Kommunen in Rio Grande do Sul und Städten und Gemeinden Rhein-Hunsrück-Kreises geknüpft, wiederbelebt und durch zahlreiche Aktivitäten, die in Wort und Bild vorgestellt werden, intensiviert wurden. Diese Kontakte sind mit einer der jeweiligen Gegenwart verhafteten Anschauungsweise der Brasilienauswanderung unterlegt.

Wie diese Migration vom Hunsrück nach Brasilien von 1945 bis heute wahrgenommen wurde und wird, welche Veröffentlichungen ihr gewidmet sind, welcher zeitgebundene persönliche und sachliche Hintergrund darin zu erkennen ist und welche Rolle einige populäre Protagonisten wie Hansheinz Keller und Karl Faller spielten, untersucht Schellack in einem weiteren Beitrag. In einem dritten Artikel stellt er Klaus Lubischer vor, der in der Strieders Mühle im Baybachtal eine kleine Privatbrauerei eingerichtet hat. Im 19. Jahrhundert ist ein Strieder nach Brasilien ausgewandert, wo eine Nachfahrin ebenfalls eine Brauerei führt und schon seit Längerem in Kontakt mit dem Herkunftsort ihres Vorfahren steht.

Berthold Staudt erschließt mit seinem Aufsatz über die Auswanderungen aus der ehemaligen Bürgermeisterei Morbach ein neues Gebiet der Auswandererforschung. Er unterfüttert seine Ausführungen mit detailliertem Datenmaterial und bringt zusätzlich die Neuigkeit, dass im 18. Jahrhundert Menschen aus dem westlichen Teil des Hunsrücks in beachtlicher Zahl nach Russland und auf den Balkan (Banat) ausgewandert sind.

Hans Dunger und Hans Werner Nikolay führen in ihren Beiträgen vor, welche Überlegungen und welche Reaktionen eine drohende Rückwanderung beziehungsweise ein misslungener Auswanderungsversuch in den Dörfern Raversbeuren und Buch in den Jahren 1846/47 auslösten. Die beteiligten und betroffenen Personen werden identifiziert, wobei klar wird, dass vor allem die Gedankenwelt der dörflichen Oberschicht in den Quellen repräsentiert ist.

Schlechtes Zeugnis für Auswanderer

Ein ausgesprochen schlechtes Zeugnis stellte der Simmerner Landrat Friedrich Hardt (1854–1867) den Auswanderern aus, denen er in seinem Ende 1865 erschienenen Buch über den Landkreis seelische Instabilität bescheinigte. Rudolf Zimmer hat die entsprechende Passage des in Frakturschrift gedruckten Buches in aktuelle Schriftzeichen verwandelt und mit einer Einleitung versehen. In einem kurzen Kommentar entschlüsselt er zusätzlich, wie Hardt zu seinem Urteil gekommen ist.

Simone Busley vom Mainzer Institut für geschichtliche Landeskunde (IGL) legt dar, wie die deutschen Einwanderer im Laufe der Jahrzehnte und unter dem Eindruck politischer Ereignisse und gesellschaftlicher Entwicklungen die Vornamen ihrer Kinder denjenigen der Mehrheitsgesellschaft angepasst haben.

Mit Tafarel Schmitt (zurzeit IGL) kommt ein Brasilianer mit deutschen Vorfahren zu Wort. Er führt, unterstützt durch zahlreiche Fotos, aus, auf welchen Gebieten und bei welchen Gelegenheiten die deutsche Kultur im Süden Brasiliens hervortritt und vorgezeigt wird.

Hans Dunger ist die Grenze des alten Amtes Dill abgefahren und abgegangen, hat den ehemaligen Grenzverlauf und historische Grenzsteine in Wort und Bild festgehalten und mit historischem Kartenmaterial abgeglichen. Diese Dokumentation wird in Zukunft als historische Quelle dienen, wenn die heute noch sichtbaren Relikte wegen Überbauung und -ackerung nicht mehr vorhanden sein werden.

Der Aufsatz gehört zur Edition bisher unbekannter Geschichtsquellen des ehemaligen Amtes Dill, die Peter Brommer vorgelegt hat. Das Buch wurde dank einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Verbandsgemeinde Kirchberg, Ortsgemeinde Dill, Burgfreunde Dill und Hunsrücker Geschichtsverein gedruckt. Von der Vorstellung des Buches am 16. Juni 2024 auf der Burg Dill berichtet Rudolf Zimmer, der zusätzlich einen Einblick in dessen reichhaltigen Inhalt bietet.

Einladung zur Generalversammlung

Weiter wird im Berichtsteil des Heftes zur Generalversammlung am 31. August in Morshausen eingeladen (samt Tagesordnung) und eine weitere Folge der „Kleinen Hunsrücker Bibliografie“ veröffentlicht. Wie gewohnt sind dem Heft sechs Hunsrücker Biografien beigefügt. Sie beschäftigen sich mit Personen, die mit der Brasilienauswanderung zu tun haben.

Fritz Schellack porträtiert Erni G. Engelmann, den brasilianischen Auswandererforscher und Verbindungsmann zwischen Rio Grande do Sul und dem Hunsrück, den Simmerner Leiter der Brasiliengruppe Karl Faller, den Pionier der Auswandererforschung Hansheinz Keller und die Leiterin der Trachtentanzgruppe Rheinböllen Inge Hofmann. Die restlichen Biogramme gelten Claudio Kardinal Hummes, dessen Urgroßvater 1838 in Buch geboren wurde (Rudolf Zimmer), und dem 1847 mit der Brasilienauswanderung befassten Sohrener Bürgermeister Julius Koch (Hans Dunger). red

Das Sonderheft ist zum Preis on 7,50 Euro (zzgl. Porto bei Versand) im Hunsrück-Museum Simmern, bei der Geschäftsstelle des HGV, Schulstraße 23, 55576 Sprendlingen, und im regionalen Buchhandel erhältlich.

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