Angesichts von 600 Geflüchteten aus Syrien und Afghanistan wird der Ruf nach hauptamtlicher Betreuung laut
Aus Erkenntnissen von 2015 gelernt? Mehr Hauptamtliche Helfer für Flüchtlinge gefordert
Die Betonblöcke 669 (Foto) und 664 auf dem Hahn, die einst als Housing für US-Soldaten dienten, sehen wenig einladend aus, aber sind allemal besser als die Zelte, die 2015 aufgestellt werden mussten. Mitte Januar sollen hier nach und nach 600 Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan einziehen.
Thomas Torkler

Relativ gelassen sieht Harald Rosenbaum, Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Kirchberg, dass für Januar abermals Flüchtlinge in die Region kommen werden. Als „vierte Welle“ bezeichnet er den bevorstehenden Zuzug von Menschen, die voraussichtlich aus Syrien und Afghanistan kommen und auf dem Flughafen Hahn untergebracht werden sollen.

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Kosovaren, Spätaussiedler, der Flüchtlingszustrom 2015 und nun eine erneute Unterbringung von geflüchteten Menschen aus Krisengebieten – der Rhein-Hunsrück-Kreis werde auch diesmal damit umgehen können, ist sich Rosenbaum sicher und verweist auf die Zeltstadt, die 2015 an anderer Stelle auf dem Hahn errichtet worden war. „Damals hatten wir mehr als 1000 geflüchtete Menschen, die zu uns gekommen sind“, erinnert Rosenbaum an die Zeit, in der die damalige Bundeskanzlerin den Satz „Wir schaffen das“, geprägt hatte.

Schafft der Rhein-Hunsrück-Kreis es auch diesmal? Bürgermeister Rosenbaum will das Thema zunächst auf der Fachebene angehen. Kreis, VG, Land, Polizei, DRK als Träger der Unterbringung und nicht zuletzt die Ortsbürgermeister der Gemeinden rund um den Flughafen, Lautzenhausen, Bärenbach, Sohren und Büchenbeuren, sollen an einen Tisch und alle notwendigen Aspekte beraten.

Dazu gehöre natürlich auch die medizinische Versorgung. Seinerzeit hatte das Gesundheitsamt des Rhein-Hunsrück-Kreises eine Anlaufstelle für die Menschen in der Zeltstadt betrieben. Erstuntersucht werden die im Januar ankommenden Menschen allerdings schon sein. Unter anderem Ärzte im Ruhestand und viele ehrenamtliche Hilfskräfte leisteten vor sieben Jahren unzählige Stunden für die medizinische Versorgung der geflüchteten Menschen.

Wieder ein Chaos wie 2015?

Man darf davon ausgehen, dass auch diesmal wieder eingespielte Teams aus der Region für die Flüchtlinge da sein werden. Aber ist das vor vielen Jahren geknüpfte Netzwerk überhaupt noch vorhanden? „Das Netzwerk gibt es nicht mehr“, sagt Okka Senst, Koordinatorin im Café International in Büchenbeuren und bis vor Kurzem Projektleiterin im Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz. Sorge bereitet Senst, „dass wir wieder ein Chaos bekommen wie 2015“.

Es sei versäumt worden, in der Zwischenzeit die Strukturen zu schaffen, „die wir hätten schaffen müssen“, sagt Senst. Ihrer Ansicht nach ist Integrationsarbeit eine „Querschnittsaufgabe“. Und: „Wir haben nur noch einen Bruchteil der Ehrenamtlichen, die wir mal hatten.“

Pfarrerin Sandra Menzel, pflichtet bei: „Es muss Geld in die Hand genommen werden für Hauptamtliche“, ist die Synodalbeauftragte für Flüchtlings- und Migrationsarbeit des Evangelischen Kirchenkreises Simmern-Trarbach überzeugt. „Ich bin gespannt, was man aus 2015 gelernt hat. Wir brauchen viel hauptamtliche Unterstützung, man darf diese Arbeit nicht nur auf die Ehrenamtlichen abwälzen.“

Lange ist nichts passiert

Die Zeit zwischen 2015 und jetzt sei ungenutzt verstrichen. „Es war lange abzusehen, was auf uns zukommt, aber es wurden die Augen davor verschlossen, Strukturen zu schaffen, die nötig gewesen wären.“ Gleichwohl ist Menzel zuversichtlich: „Wir nehmen die Herausforderung an. Wir sind erfahren, haben aber auch großen Respekt. Aber wir sind offen für die Menschen, die da zu uns kommen.“

Immerhin müssen die Geflüchteten nicht in Zelten wohnen. Und die Notwendigkeit wie 2015, Menschen aus Zelten in festen Unterkünften unterzubringen, weil der Winter vor der Tür stand, besteht diesmal nicht. Vor sieben Jahren sind die Holzhäuser entstanden, die unterdessen Wohnraum für Studenten der Landespolizeischule bieten. Gar nicht weit davon entfernt stehen die ehemaligen Housing-Gebäude 669 und 664 neben dem ehemaligen Verwaltungstrakt der Flughafen Frankfurt Hahn GmbH.

Eines der beiden Häuser ist laut Auskunft von Bürgermeister Rosenbaum bezugsfertig und könnte ab Mitte Januar belegt werden. Das andere Gebäude müsse erst noch saniert werden, unter anderem seien noch Arbeiten an den Wasserleitungen notwendig.

600 Leute kommen in kürzester Zeit

Neben dieser Basisaufgabe der Unterbringung ist natürlich zu berücksichtigen, „dass da ein ganzes Dorf zu uns zieht“, wie Guido Scherer, Ortsbürgermeister von Büchenbeuren es ausdrückt. Wenn innerhalb eines kürzeren Zeitraums 600 Menschen in eine Region kommen, dann könne es eben auch Probleme geben, weiß Scherer aus der Vergangenheit. Aber auch er sieht das Ganze aufgrund der Erfahrungen von 2015 gelassen. „Das Rote Kreuz hat das im Griff“, baut der Ortsbürgermeister auf die Kompetenz des DRK, das als Betreiber der Unterkunft fungieren wird.

Und wenn es dennoch zu Zwischenfällen kommen sollte, werde man offensiv damit umgehen. Wichtig sei, dass die betroffenen Gemeinden und Organisationen gemeinsam agieren, sagt Scherer und verweist auf einen Arbeitskreis, in dem vor sieben Jahren regelmäßig alle beteiligten Behörden, Kommunen und Organisationen zusammenkamen, um aktuelle Gegebenheiten zu besprechen. „Wichtig ist, dass wir immer im Gespräch bleiben“, sagt Scherer und verweist abschließend auf die Sitzgemeinde des Flughafens: „Die Hauptlast wird Lautzenhausen tragen müssen.“

Dessen ist sich die Ortsbürgermeisterin bewusst. Corina Velten bereitet die hohe Anzahl an Menschen, die in der unmittelbaren Nachbarschaft von Lautzenhausen einziehen wird, Sorge.

Keine Vorabinformation

Und: „Man hat uns wieder vor vollendete Tatsachen gestellt – damals wie jetzt“, kritisiert sie, dass sie erst auf einer Ortsbürgermeisterdienstbesprechung davon erfahren hat, dass demnächst 600 Flüchtlinge auf den Hahn kommen werden. Bei ihr und den Beigeordneten sowie im Gemeinderat sei es nicht gut angekommen, dass es keine Vorabinformation gegeben habe.

Bei einer zeitigeren Vorabinfo hätte man sich beispielsweise schon Gedanken um eine sichere fußläufige Verbindung vom Hahn zu den Einkaufsmärkten in Büchenbeuren machen oder andere Vorbereitungen treffen können. Auch wenn geplant sei, eine Shuttlebus-Verbindung einzurichten, werde es notwendig sein, daneben auch eine Fußwegverbindung für Einkäufe zu schaffen.

Man sei offen im Dorf für die Neuankömmlinge, aber angesichts von 400 Einwohnern in Lautzenhausen, seien 600 Geflüchtete, die in unmittelbarer Nachbarschaft einziehen, eine stattliche Zahl.

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