Bäume und Sträucher wurden gerodet, die alte Burg freigelegt. Auch die alten Weinberge sollen wieder genutzt werden. Katrin Gerwinat, die gemeinsam mit ihrem Mann Till Gerwinat seit 2015 die Geschäftsführung der Burg übernommen hat, berichtet, dass es dem Eigentümer sehr am Herzen liege, den Weinanbau hier wieder aufleben zu lassen. Dazu müssen jedoch die alten Trockenmauern wieder vorschriftsmäßig aufgebaut werden, was eine recht mühselige Arbeit ist. „In Eigenregie mit einem eigenen Bautrupp ging es dann 2017 los“, erzählt Katrin Gerwinat, „wir haben dazu extra Fortbildungen besucht, damit wir wussten, wie man so was richtig macht. 2019 fingen wir an, die ersten Steine zu legen.“
Handarbeit ist gefragt
Trockenmauern darf man nur in den warmen Monaten ab- und umbauen, wegen der vielen Tiere, die in den Mauern leben, beispielsweise die Echsen. In Handarbeit werden die einzelnen Steine so zusammengelegt, dass sie ohne Zement oder Mörtel richtig fixiert sind und den Hang stützen. Maschinen kann man hier nicht einsetzen. Die Arbeit ist extrem anstrengend und schweißtreibend. Häufig gibt es Rückschläge wie in diesem Jahr, als ein Unwetter im Februar dazu führte, dass ein Teil der Mauern abrutschte.
Mittlerweile sieht das Gelände rund um die Burg wieder richtig schön aus, die Trockenmauern sind gebaut, und die Rebflächen werden bearbeitet. Winzer Jochen Ratzenberger aus Bacharach begleitet mit Know-how und viel Einsatz die Familie Gerwinat. 3133 Reben wurden gepflanzt. Jede Rebe soll eine Flasche Wein an Ertrag bringen, so die Kalkulation. Insgesamt rechnet man mit 2500 Flaschen. „Wir setzen bewusst auf Qualität“, so Katrin Gerwinat, „nicht auf Massenproduktion. Das bedeutet, dass wir selektiv vorgehen, die Reben entsprechend bearbeiten und Trauben aussortieren.“ Da es im Mittelrheintal wegen der Klimaveränderung immer wärmer wird, hat man ein eigenes Bewässerungssystem eingebaut. Damit ist man gut vorbereitet auf eine mögliche Trockenheit.
Etiketten schon in Vorbereitung
Vor Kurzem wurde in den Weinbergen noch der Rebschnitt durchgeführt. Die Etiketten sind schon in Vorbereitung. Mit der ersten Ernte rechnet man aber erst in zwei Jahren. Im Weinberg zum Morgenbachtal hin mit der Bezeichnung „Mori“ soll dann ein besonders guter Riesling geerntet werden.
„Wir werden mit dem Weinanbau wohl nicht wirklich Geld verdienen“, meint die Geschäftsführerin, „er soll sich jedoch selber tragen. Und wir möchten das Ganze mit unserem Burgkonzept verbinden.“ Für Besucher oder Gäste der Burg soll es dann möglich sein, auch mal die Arbeit im Weinberg kennenzulernen und beispielsweise bei der Lese mitzuhelfen. Im Hotel und Restaurant setzt man auf regionale Gerichte und Weine von einheimischen Winzern. Immer im Blick ist die Einbindung in die Region und den Erhalt der natürlichen Grundlagen.
Wir setzen bewusst auf Qualität, nicht auf Massenproduktion. Das bedeutet, dass wir selektiv vorgehen, die Reben entsprechend bearbeiten und Trauben aussortieren.
Katrin Gerwinat über die Philosophie, der das Team auf der Reichenstein folgt.
Derzeit ist es mit dem Geschäft auf der Burg nicht so ganz einfach. Durch die Corona-Pandemie wurden im vergangenen Jahr viele Veranstaltungen abgesagt, Übernachtungsgäste blieben aus. In der aktuellen Lage werden die Kosten steigen, das Essen im Restaurant wird teurer, die Ausflugsfahrten zur Burg wird sich manch einer wegen der hohen Spritkosten wohl sparen. Dennoch blickt Katrin Gerwinat optimistisch in die Zukunft und sagt: „Wir wollen alle Mitarbeiter weiter beschäftigen.“ Sollte im Hotel oder im Restaurant mal nicht so viel zu tun sein, können die Mitarbeiter auch im Weinberg mithelfen. Somit bleibt ihnen die Kurzarbeit erspart, und im Weinberg wird schließlich jede Hand gebraucht.
Kosten sind schwer zu kalkulieren
Generell sind die Kosten schwer zu kalkulieren, denn so eine Burg ist ein Fass ohne Boden. Immerhin gibt es für den Aufbau und Erhalt der Trockenmauern Fördermittel von der EU. Für die Familie Gerwinat ist das Leben auf der Burg jedenfalls eine tolle Erfahrung. Die gelernte Hotelfachfrau aus Siegen war schon viel in anderen Hotels unterwegs, hat vieles kennengelernt und ist nun auf der Burg Reichenstein angekommen. „Das Leben auf der Burg ist schon anders“, meint sie, „der Ton ist ein anderer, und man arbeitet langsamer.“ Vielleicht ist dadurch mehr Achtsamkeit für Mensch und Natur möglich. So trägt man durch den Erhalt der Trockenmauern wesentlich zum Erhalt der Artenvielfalt bei und mit einem nachhaltigen Konzept zum Schutz der Umwelt. Damit rückt auch jeden Tag die Vision des Eigentümers ein Stück näher: Die Burg soll wieder im alten Glanz erstrahlen.