Am 8. Mai 1945 endete in Europa der vom Deutschen Reich entfachte Zweite Weltkrieg mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Der Zweite Weltkrieg hatte am 1. September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen begonnen. Er forderte zwischen 60 und 70 Millionen Tote, sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens fielen dem Holocaust zum Opfer. Er steht für die Tragödie des 20. Jahrhunderts. 80 Jahre danach hat er auch im Hunsrück immer noch tiefe Narben und Erinnerungen hinterlassen.
„In unserer Familie wurde immer ganz viel über die Kriegszeiten geredet und geweint.“
Wilma Paul
Wie bei Wilma Paul aus Gehlweiler. Auf dem Tisch ihres Wohnzimmers hat sie Fotos, vergilbte Briefe und Notizen sowie Dokumente aus dem familiären Nachlass ausgebreitet. Sie stammen von ihrem Vater Richard und seinen beiden Brüdern Hermann und Heinrich. Als junge hoffnungsfrohe Männer haben sie den vom NS-Staat befohlenen Kriegseinsatz mit ihrem Leben bezahlt. Wilma Pauls Vater kam lebenslang geprägt von seinen Erlebnissen aus dem Krieg in sein Heimatdorf zurück.
„In unserer Familie wurde immer ganz viel über die Kriegszeiten geredet und geweint“, erinnert sich seine nun 71-jährige Tochter. Sie sei mit dem Kriegstrauma groß geworden. Ihre Oma habe ihr ganzes Leben schwarze Kleider getragen. Die Trauer um die Gefallenen sei bei ihnen allgegenwärtig gewesen.

Der Vater von Wilma Paul, Richard Fett, geboren 1924, ist mit seinem Zwillingsbruder Heinrich und dem drei Jahre älteren Bruder Hermann in Gehlweiler aufgewachsen. Die Zwillinge waren sich im Wesen und Aussehen so ähnlich, dass sie kaum voneinander zu unterscheiden waren. Als erster der drei Söhne der Familie Fett wurde der älteste Sohn Hermann zum Kriegsdienst eingezogen und an mehreren Frontabschnitten zuletzt als Flugbeobachter in Russland eingesetzt. Sein letzter Brief in die Heimat stammt vom 17. August 1941 – geschrieben mit Bleistift auf ein einfaches Stück Papier, einen Tag vor seinem Tod. „Im Osten“ lautet der nicht genau zu verifizierende Absendeort.
Er sei immer noch „gesund und munter“, schreibt Hermann an seine Eltern und Geschwister. Viele Gedanken mache er sich darüber, ob zu Hause alles in bester Ordnung sei. Russland beschreibt er als „ein dreckiges und lausiges Land“, und es sei schade um jeden deutschen Soldaten, der hier „sein Leben lassen müsse“. Seine anstehende Beförderung zum Unteroffizier sei unterwegs, würde wohl aber noch einige Tage wegen der vielen Einsätze dauern. „Für heute viele Grüße Hermann“, lauten die letzten Worte von ihm an seine Familie.

Am nächsten Tag, am 18. August 1941, ist Hermann Fett ums Leben gekommen. Bei einem Angriff russischer Bombenflieger in vorderster Linie habe er für Führer und Volk den Heldentod erlitten, heißt es in einem Kondolenzschreiben seines Kompaniechefs an seine Angehörigen in Gehlweiler vom 21. August 1941. Im Kreise seiner Kameraden bliebe ihr Sohn unvergessen. Pathetisch heißt es weiter: Hier werde er „weiterleben und weitermarschieren“. Sein Tod solle Vermächtnis sein, „um mit erhöhter Tatkraft bis zum Endsieg weiter zu kämpfen“. Hermann wurde 20 Jahre alt.
Hermanns früher Tod hinderte die Wehrmacht nicht daran, seine jüngeren, 1924 geborenen Zwillingsbrüder Richard und Heinrich Fett einzuberufen und getrennt voneinander in dem tobenden Krieg an verschiedenen Fronten in Europa einzusetzen. In der italienischen Stadt Lucca kam es im Juni 1944 zu einem zufälligen Treffen der beiden Brüder. Davon handelt ein Brief vom 20. Juni 1944 von Richard an seine Eltern, den seine Tochter Wilma heute noch aufbewahrt.
Mit Fußballidol Fritz Walter in Italien
Richard, der in der Toskana und in Elba stationiert war, war dienstlich in Lucca unterwegs, als er seinen Bruder traf. Einen ganzen Tag lang bis in den Abend konnten die beiden miteinander verbringen und von ihren Kriegserlebnissen „im schönen Italien“ erzählen. Zu einem ursprünglich abgesprochenen zweiten Treffen kam es dann wegen Dauerregens nicht mehr.
In dem Brief berichtet Richard davon, dass er Urlaubsanträge eingereicht habe, die aber häufig abgelehnt würden, weil es – so Richard wörtlich – „auf Elba ja rund“ gehe. Zu Richards Einheit in Elba gehörte auch das damals schon populäre Fußballidol Fritz Walter vom 1. FC Kaiserslautern. „Vom Fritz“ und seinem Umgang mit seinen Kameraden habe ihr Vater später immer geschwärmt, erinnert sich Tochter Wilma. Richard Fett hatte Glück. Bereits im Herbst 1945 kehrte er aus der Gefangenschaft in sein Heimatdorf Gehlweiler zurück und gründete später eine Familie.

Im Gegensatz zu seinem geliebten Zwillingsbruder Heinrich, den die Gefechte des Krieges von Oberitalien in Richtung Osten trieben. Sein letztes Lebenszeichen stammt vom 18. April 1945. Nur wenige Tage vor der Kapitulation und dem Ende des blutigen Zweiten Weltkrieges war er an Kriegshandlungen beteiligt und gilt seitdem als vermisst. Mit zwei toten Söhnen, die am Anfang eines hoffnungsvollen Lebens standen, bezahlte die Familie Fett aus Gehlweiler wie Millionen andere Familien aus vielen Ländern, die an dem Weltkrieg beteiligt waren, einen hohen Blutzoll. Die Erinnerung lebt bis heute bei ihren Nachfahren.
Auf den Tafeln des Kriegerdenkmals auf dem Gehlweilerer Friedhof sind auch ihre Namen eingemeißelt. 17 junge Männer aus der Gemeinde am Simmerbach haben im Ersten Weltkrieg ihr Leben verloren, 36 waren es im Zweiten Weltkrieg. Die unermessliche Trauer und die körperlichen und seelischen Leiden aller anderen Kriegsteilnehmer und ihrer Angehörigen sind nirgendwo verzeichnet.