Klimaneutralität bis 2035
Auch der Verkauf von Kirchen muss mitgedacht werden
Vor vielen Jahren bereits wurde das Seitenschiff der evangelischen Kirche Schönborn abgetrennt, um eine Mischnutzung des Gebäudes zu ermöglichen. Das könnte die Zukunft auch für weitere Kirchen im Kirchenkreis Simmern-Trarbach sein, um sie im Bestand halten zu können. Elke Lorenz ist die Küsterin der Kirche in Schönborn.
Werner Dupuis

Bis 2035 will die Evangelische Kirche im Rheinland nur noch treibhausgasneutrale Gebäude betreiben. Im Kirchenkreis Simmern-Trarbach werden daher die rund 110 Liegenschaften auf den Prüfstand gestellt – auch die Kirchen.

Lesezeit 4 Minuten

Unter dem Titel „Das geht! Klima.Gerecht.2035“ hat die Evangelische Kirche im Rheinland beschlossen, ab 2035 nur noch treibhausgasneutrale Gebäude zu betreiben. Bis dahin müssen also sämtliche Immobilien der 627 Gemeinden, 37 Kirchenkreise und der Landeskirche auf den Prüfstand – darunter auch gut 110 Liegenschaften des Kirchenkreises Simmern-Trarbach. Mehr als die Hälfte dieser Gebäude sind Kirchen. Und einige von ihnen könnten am Ende des Prozesses anderweitig genutzt werden, eine Kirche wird gerade verkauft.

Am Beginn des Entscheidungsprozesses, welche Liegenschaften erhalten und später klimafit gemacht werden sollen, steht zunächst eine Bestandsaufnahme. Um diese kümmert sich derzeit Architektin Michaela Volkner. „Ich bin schon in so manchen Kirchturm gekrabbelt“, sagt sie, gut zwei Drittel der Gebäude habe sie bereits abgefahren und begutachtet. Dabei arbeitet sie mit Prokiba zusammen, der Gesellschaft für Projektentwicklung und Projektsteuerung für kirchliches Bauen in Baden mit Sitz in Karlsruhe. In deren Zehn-Bauteile-Modell, das Volkner für die Erhebung nutzt, werden Daten zu Hülle, Ausstattung, Konstruktion, Technik und Besonderheiten der Gebäude erfasst. Zudem stellt Volkner dem Unternehmen weitere gebäude-, grundstücksbezogene und energetische Daten sowie Finanzdaten zur Verfügung. Prokiba nutzt diese später, um in einen Beteiligungsprozess mit den Gemeinden zu gehen. „Denn diese entscheiden letztlich, welche Gebäude aufgegeben werden“, macht Volkner deutlich.

Pfarrer Christian Hartung, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Treibhausgasneutralität innerhalb des Kirchenkreises Simmern-Trarbach, und Architektin Michaela Volkner stellen so manches Gebäude auf den Prüfstand. Zunächst aber füllt Volkner die teils lückenhaften Gebäudeakten.
Charlotte Krämer-Schick

Bereits vor zwei Jahren hat die Architektin damit begonnen, die teils lückenhaften Gebäudeakten des Kirchenkreises zu füllen. Im vergangenen Jahr begann zudem ein externes Ingenieurbüro damit, Aufmaße der Liegenschaften zu nehmen, aus denen sukzessive digitale Akten erstellt werden. Positiver Nebeneffekt: Bei den Arbeiten des Büros fallen obendrein 3D-Modelle der Gebäude und weitere Daten ab, die für Prokiba von Nutzen sind. Letztere fragen außerdem über die Kommunen standortbezogene und demografische Daten ab, die ebenfalls in den Entscheidungsprozess einfließen sollen. Ein letzter Baustein zur Entscheidungsfindung ist eine Abfrage in den Gemeinden. Sie müssen die Auslastung und Nutzung der Gebäude erfassen und Ziele definieren. „Mit all diesen Daten haben wir eine optimale Grundlage für den anschließenden Prozess“, ist Pfarrer Christian Hartung, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Treibhausgasneutralität innerhalb des Kirchenkreises, sicher.

„Das würde heißen, es müsste Vieles weg.“
Christian Hartung

Für ihn persönlich gehe es gar nicht mehr allein darum, das Ziel der Landeskirche umzusetzen. „Es geht viel mehr darum, alle Gebäude anzuschauen in Bezug auf einen langfristigen Nutzen und ihre Effektivität“, sagt er. Prokiba habe bei der Badischen Landeskirche die Erfahrung gemacht, dass nur 35 Prozent aller Gebäude gehalten werden können. „Das würde heißen, es müsste Vieles weg“, macht Hartung deutlich. Allerdings habe der Kirchenkreis kaum noch andere Gebäude als historische Dorfkirchen. „Und die Kirchengemeinden haben im Vorfeld bereits einige Gebäude veräußert“, ergänzt Volkner. Somit bleibe eventuell ein kleiner Teil der Kirchen, die am Ende veräußert werden. „Aber das ist schmerzhaft und muss gut begründet sein“, sagt Hartung.

In einem solch schmerzhaften Prozess sei es daher besonders wichtig, alle Beteiligten mitzunehmen, ist der Pfarrer sicher. „Wir wollen breit informieren und es wird ein langer Prozess mit vielen Beratungen sein, dafür brauchen wir Zeit“, sagt er. Daher sei das Jahr 2035 als Ziel der Landeskirche durchaus sportlich. Großes Potenzial sieht der Pfarrer in einer Mischnutzung der Kirchengebäude. „In Gödenroth etwa funktioniert die multifunktionale Nutzung der Kirche bereits sehr gut“, berichtet Hartung. Auch in Schönborn sei das bereits seit vielen Jahren gängige Praxis. „Dort wurde das Seitenschiff schon vor Jahrzehnten abgetrennt“, sagt er. In dieser Hinsicht sei auch in vielen anderen Kirchen noch mehr möglich – zumal so die ortsbildprägenden Gebäude eventuell erhalten werden könnten.

„Die Gemeinden sollten überlegen, wo sie mit Partnern ins Gespräch gehen können“, sagt Hartung – auch in Bezug auf die Nutzung von Gemeindehäusern. Ein gutes Beispiel sei etwa das Gemeindehaus in Horn, das mittlerweile im Besitz der Ortsgemeinde ist, das aber weiterhin die evangelische Bücherei beherbergt. „Das ist eine gelungene Kooperation“, findet er. „In der Kirchengemeinde Irmenach–Lötzbeuren–Raversbeuren hatte bis vor wenigen Jahren jeder Ort eine Kirche, ein Gemeindehaus und ein Pfarrhaus“, macht Hartung deutlich. Nicht alle Gebäude konnten gehalten werden. Auch die Kirchengemeinde Dickenschied, zu der die Orte Dickenschied, Hecken, Lindenschied, Rohrbach, Womrath und Woppenroth gehören, könne vermutlich nicht alle fünf Kirchen, drei Gemeindehäuser und das Pfarrhaus halten.

„Kirche wird es immer geben, aber in welcher Form?“
Christian Hartung

Zudem sollen die Gemeinden innerhalb des Prozesses schauen, wo sie mit anderen Gemeinden Kooperationsräume bilden können, wo sie sich austauschen und vernetzen können. Ziel müsse es sein, zu überlegen, welche Gebäude für einen bestimmten Einzugsbereich notwendig sind, sagt Hartung. „Bis dahin muss der Tenor sein, dass Investitionen erst dann getätigt werden, wenn sicher ist, dass das Gebäude im Bestand bleibt“, ergänzt Volkner.

So schwierig der gesamte Prozess auch sei, Hartung sieht ihn auch als Chance. „Wir leben in einer Umbruchzeit, und das bereits seit Jahrzehnten“, sagt er. Corona habe da manches noch beschleunigt. „Daher müssen wir als Kirche sehen, wie wir aktiv damit umgehen“, ist Hartung sicher und ergänzt: „Kirche wird es immer geben, aber in welcher Form?“ Darauf eine Antwort zu finden, dafür sei dieser Prozess ein wichtiger Schritt.

Top-News aus der Region