Stadtrat Simmern setzt sich für bezahlbaren Wohnraum ein
Arbeitskreis kämpft gegen Wohnungsnot

Wohnraum in Simmern ist Mangelware und entsprechend teuer. Am neuen Gerbereiareal entstehen bei drei Objekten demnächst rund 30 Wohnungen im Luxussegment. Für Wohneigentum werden dort fast 3000 Euro pro Quadratmeter aufgerufen. Entsprechend entwickeln sich die Mieten. 

Werner Dupuis

Simmern. Während 5 oder 10 Kilometer vor den Toren der Kreisstadt Kommunen mit Leerstand und ungenutztem Wohnraum zu kämpfen haben, schießen in Simmern die Preise für Häuser, Miet- und Eigentumswohnungen durch die Decke. Bezahlbarer Wohnraum ist in der Kreisstadt absolute Mangelware – und das schon seit Jahren.

Aufs Tapet gebracht hatte das Thema Anja Klemm von der Kreisverwaltung beim Simmerner Stadtgespräch im November 2016. „Wohnraum für Geringverdiener fehlt“ titelte unsere Zeitung darauf. Die Diplom-Pädagogin, beim Jugendamt des Kreises zuständig für die Stadt und Verbandsgemeinde Simmern, hatte damals bemängelt, dass es in der Kreisstadt an bezahlbarem Wohnraum für Menschen mit kleinem Einkommen fehlt. „Simmern bietet keinen geeigneten Wohnraum für Familien mit Kindern“, schrieb die Fachfrau dem Stadtrat ins Stammbuch. „Wo ist der städtische Blick auf die Kinder von Geringverdienern?“

Die mahnenden Worte haben lange Zeit nicht gefruchtet. Im Gegenteil: Die Preise für Wohnraum in der Kreisstadt sind mittlerweile so explodiert, dass sich auch Normalverdiener kein Eigentum mehr leisten können. Weil die Kreisstadt – was natürlich positiv ist – kontinuierlich auf Wachstumskurs ist und neben Arbeitsplätzen auch weitere Vorteile wie medizinische Versorgung, Einkaufsmöglichkeiten und Freizeitgestaltung (Kino, Schwimmbad, Konzerte) bereithält und entsprechend attraktiv aufgestellt ist, ist der Wohnungsmarkt geradezu leer gefegt. Über offizielle Kanäle (Internetplattformen, Banken und Sparkassen) wird derzeit in der Kreisstadt überhaupt kein Wohneigentum angeboten. Auch Mietwohnungen sind Mangelware – das derzeitige Angebot ist mehr als übersichtlich. Und klar ist: Knappe Güter sind teuer. Steigt der Preis für Wohneigentum ins Unermessliche, ziehen auch die Mieten nach.

Derzeit entsteht zwar neuer Wohnraum in Simmern – am Gerbereiareal werden rund 30 Eigentums- und Mietwohnungen gebaut – doch das alles nur im absoluten Premiumsegment. Dort kostet eine Eigentumswohnung – selbstverständlich im Luxusbereich und mit allem Komfort – fast 3000 Euro pro Quadratmeter. Macht bei einer 70 Quadratmeter-Wohnung samt Stellplatz mal locker 220.000 Euro – der Markt gibt es her, die Niedrigzinspolitik lässt Gutverdiener in Betongold investieren, während „Otto Normalverbraucher“ in die Röhre schaut. Für diese Summen bekommt man im Umland problemlos solide Einfamilienhäuser samt Gartengrundstück. Und wenn Wohnraum allgemein fast unbezahlbar ist, entwickeln sich auch die Mieten entsprechend. So funktioniert die Volkswirtschaft. Eine alleinerziehende Mutter, Verkäuferin oder ein Handwerksgeselle können sich die Kreisstadt nicht mehr leisten – von Hartz-IV-Empfängern, Rentnern und Mindestlöhnern ganz zu schweigen. Ihre Wut schlägt sich nicht zuletzt im Wahlverhalten nieder.

Immerhin: Jetzt will sich der Stadtrat mit der Thematik befassen. „Schaffung von zusätzlichem Wohnraum in Simmern“ stand bei der jüngsten Sitzung auf der Tagesordnung. Ein Arbeitskreis, bestehend aus Ratsmitgliedern und Experten wie Architekten oder Maklern soll sich Gedanken darüber machen, wie Wohnraum in Simmern bezahlbar bleibt – oder wieder wird. Angeschoben hatte die Diskussion Andreas Nikolay. Der Bürgermeister spricht von einem ersten Schritt. „Das Problem brennt uns auf den Nägeln. In der Stadt muss etwas passieren. Der Markt ist momentan sich selbst überlassen, und das ist nicht gut.“

Als Investor will die Stadt auch in Zukunft nicht auftreten, aber sich darüber Gedanken machen, ob sie die Schaffung von Wohnraum fördern will, wenn sich der Investor beispielsweise auf eine Mietpreisbindung einlässt. Das hatte CDU-Fraktionssprecher Thomas Klemm angeregt. „Wir können uns nicht nur auf Neubaugebiete beschränken, sondern müssen uns auch um die Innenstadt kümmern, indem wir beispielsweise Gebäude umnutzen.“ Dieter Langkammerer (aSL) forderte ein Kataster, das Auskunft darüber gibt, welche Häuser der Stadt gehören und wo es Leerstand gibt. „Dann können wir die Interessenten besser zusammenführen.“

Dass das Thema mehr als aktuell ist, hat Eckhard Gallo (FDP) erfahren. „Man hat mir kürzlich eine Wohnung zum Kauf angeboten, da standen dann ganz rasch 14 Interessenten auf der Matte. Das zeigt mir, wie stark Wohnraum nachgefragt wird. Wir als Stadt sind gefordert, dem sozialen Wohnungsbau auf die Beine zu helfen.“ Denkmodelle wurden ins Spiel gebracht. So könnten aus einer großen zwei kleine Wohnungen entstehen. Gerade kleinere Wohnungen für Singlehaushalte sind stark begehrt.

Als „gute Idee“ begrüßte Beigeordneter Michael Becker (CDU) den zu gründenden Arbeitskreis. „In den sozialen Wohnungsbau können wir als Stadt nicht einsteigen, dafür sind wir zu klein. Aber es gibt viele andere Möglichkeiten, wie wir bezahlbaren Wohnraum fördern können, und darüber sollten wir uns Gedanken machen.“ Irene Theiß (Bündnisgrüne) brachte die Idee ein, sich einer Wohnungsbaugesellschaft anzuschließen. „Wir als Kommune müssen den Wohnungsmarkt in irgendeiner Form steuern“, unterstrich der Bürgermeister. Das sahen die Sprecher aller Fraktionen nicht anders. Deshalb wurde die Gründung des Arbeitskreises einstimmig auf den Weg gebracht.

Von unserem Redakteur Markus Lorenz

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