Das Statistische Landesamt teilt auf Anfrage unserer Zeitung mit, dass im Rhein-Hunsrück-Kreis im aktuellen Schuljahr 3160 Schüler eine berufsbildende Schule besuchen – 1872 davon lernen an der Berufsbildenden Schule in Simmern, 1186 besuchen die Berufsbildende Schule in Boppard. Zum Vergleich: Im Schuljahr 2017/18 besuchten im Kreis noch 3429 junge Menschen berufsbildende Schulen.
Zu Beginn des Schuljahres 2018/19 haben rund 117.700 Jugendliche und junge Erwachsene eine berufsbildende Schule in Rheinland-Pfalz besucht – so wenige waren es in den vergangenen 20 Jahren noch nie. Gegenüber dem Vorjahr ist die Schülerzahl um etwa 2300, im Zehnjahresvergleich sogar um rund 15.100 gesunken. Der Rückgang sei im Wesentlichen auf den demografischen Wandel und die zunehmende Studierneigung zurückzuführen, teilen die Statistiker mit.
Das Ganze teilt sich wie folgt auf: Rund 78 Prozent der Schüler an berufsbildenden Schulen absolvierten eine Aus- oder Weiterbildung und besuchen somit die klassische Berufsschule; 11 Prozent besuchten eine Schulform, die auf dem „zweiten Bildungsweg“ zur Erlangung der Hochschulreife führt. Weitere 11 Prozent nahmen an einer beruflichen Übergangs- oder Integrationsmaßnahme teil.
Gabriele Wingender leitet die BBS Boppard und sagt: „Insgesamt sind unsere Schülerzahlen stabil.“ Ein Rückgang der Schülerzahlen sei allerdings in der klassischen Berufsschule zu verzeichnen: Es gibt immer weniger junge Menschen, die sich entscheiden, eine Ausbildung zu absolvieren. Auch Gabriele Wingender sieht das zum einen im demografischen Wandel begründet und zum anderen darin, dass immer mehr Schulabgänger lieber ein Studium anfangen. Für Betriebe werde es daher immer schwieriger, geeignete Azubis zu finden, und auch im Handel finde man oft keine geeigneten Lehrlinge mehr: „Der Kampf um die Auszubildenden ist durchaus da.“
Auszubildende bündeln
Vor allem das Bäcker- und Fleischerhandwerk sowie viele gastronomische Berufe würden für die jungen Leute immer uninteressanter, unter anderem wegen der von vielen als schwierig empfundenen Arbeitszeiten. An der BBS Boppard bündelt man die Auszubildenden in diesen Berufen und richtet Sammelklassen ein, erzählt die Schulleiterin. So sitzen bei den Bäckerlehrlingen beispielsweise drei Ausbildungsjahrgänge zusammen im Unterricht, und trotzdem kommen so oft nur 16 Schüler zusammen.
Wingender betont auch, dass es nicht für alle Ausbildungsberufe, die im Rhein-Hunsrück-Kreis angeboten werden, auch entsprechende Schulklassen gibt. Ein Beispiel seien etwa die Dachdecker, sagt die Schulleiterin. Azubis, die diesen Beruf im Rhein-Hunsrück-Kreis erlernen, fahren seit jeher zum Berufsschulunterricht nach Mayen. Auch die zahnmedizinischen Fachangestellten können nicht im eigenen Landkreis in die Berufsschule gehen, sondern müssen bis nach Bad Kreuznach oder Koblenz fahren. Auch die Schüler, die die BBS in Boppard besuchen, haben teils längere Anfahrtswege – das Einzugsgebiet geht bis Rhens im Landkreis Mayen-Koblenz, Emmelshausen, und Wiebelsheim. Die Infrastruktur lasse bei solch langen Fahrtwegen durchaus zu wünschen übrig, kritisiert Wingender.
Wingender freut sich, dass es auch Berufe gibt, die immer beliebter werden: So ist in den Berufsschulklassen der Systemgastronomen sowie bei den technischen Produktdesignern ein deutlicher Zuwachs zu verzeichnen. Auch bei den Berufsfachschulen I und II sowie der Höheren Berufsfachschule seien die Schülerzahlen relativ stabil. Besonders gut etabliert habe sich im Übrigen die berufsbegleitende Erzieherausbildung an der Fachschule für Sozialwesen. Angst davor, dass die BBS Boppard irgendwann wegen mangelnder Schülerzahlen dichtgemacht werden könnte, hat Gabriele Wingender also nicht, zumal es vonseiten des Kreises das Versprechen gebe, beide Berufsschulstandorte im Rhein-Hunsrück-Kreis zu erhalten.
In die Zukunft blickt man an der BBS Boppard trotzdem: „Wir wollen versuchen, das Angebot im Sozialbereich zu erweitern“, sagt Wingender. So denke man etwa darüber nach, Schulklassen für Altenpflegerhelfer anzubieten und überlegt, mit Senioreneinrichtungen zusammenzuarbeiten.
An der Berufsbildenden Schule in Simmern nehme die Zahl der Berufsschüler zu, doch die Schülerzahlen an den Berufsoberschulen I und II seien stark rückläufig, berichtet Schulleiter Willi Adam. Noch vor einigen Jahren sei es oftmals der Fall gewesen, dass junge Menschen, wenn sie nach der Ausbildung nicht übernommen wurden, sich an der Berufsoberschule I anmeldeten, um das Fachabitur zu machen oder die Berufsfachschule II besuchten, um die allgemeine Hochschulreife zu absolvieren. Wegen des aktuellen Fachkräftemangels seien die ausbildenden Betriebe heutzutage jedoch froh über jeden Lehrling, der nach der Ausbildung dabeibleibt, beobachtet Adam.
Klassen zukunftsfähig machen
Sorgen, dass seine Schule irgendwann zu wenige Schüler haben wird, macht er sich jedoch ebenfalls nicht. Doch natürlich arbeite man auch in Simmern daran, die Klassen zukunftsfähig zu machen – an dieser Stelle setzt beispielsweise das Projekt Berufsschule 2020 (BS 20) der Landesregierung an, an dem sich die BBS Simmern orientiert. Im Schuljahr 2019/20 soll an der BBS Simmern etwa der Ausbildungsberuf Maler mit dem Ausbildungsgang Holztechnik/Farbgestaltung der Berufsfachschule I zusammen unterrichtet werden. Das habe gleich mehrere Vorteile, erläutert Adam. Zum einen sorge man damit dafür, dass die Malerklassen, die oftmals recht klein sind, in Simmern erhalten bleiben und nicht an einen anderen Standort verlagert werden müssen. Zum anderen können die Schüler der Berufsfachschule I, deren Ziel die berufliche Grundbildung ist, in den Malerberuf reinschnuppern und so neue Perspektiven erhalten.