Es sieht derzeit wohl keineswegs danach aus, als würde die Alternativtrasse zur heutigen Güterzugstrecke am Mittelrhein in den „vordinglichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2030 aufgenommen werden.
Sieben konkrete Fragen enthielt die vergangene Woche gestellte Anfrage unserer Redaktion an das für den BVWP zuständige Bundesverkehrsministerium. Hintergrund war die Aufstufung der Neubaustrecke Dresden–Prag in den „vordringlichen Bedarf“ des BVWP 2030 (wir berichteten). Dieses rund 2,3 Milliarden Euro teure Projekt war laut Bundesschienenwegeausbaugesetz vom Dezember 2016 genauso wie die Alternativtrasse zum Mittelrhein als Projekt des „potenziellen Bedarfs“ bewertet worden.
Doch Ende November 2017 hieß es dann, dass die Neubaustrecke in Sachsen – trotz nachweislich geringerer Zugfrequenz als am Mittelrhein – nachträglich aufgestuft wird in den „vordringlichen Bedarf“. Der Bund hat die Bahn bereits mit der konkreten Planung der Maßnahme beauftragt. Wie das Verkehrsministerium auf Anfrage unserer Redaktion offenlegt, wurden insgesamt fünf Schienenprojekte aus dem „potenziellen“ in den „vordringlichen“ Bedarf aufgestuft und damit die Dringlichkeit ihrer Umsetzung betont. Wer bis dato davon ausging, dass die Alternativstrecke Mittelrhein innerhalb der potenziellen Projekte des BVWP eine besonders hohe Priorität hätte und wohl als eines der ersten Projekte dieses „potenziellen Bedarfs“ aufgestuft werden dürfte, sah sich getäuscht. Während Alexander Dobrindt, der bis Ende Oktober Verkehrsminister war, wohl schon frühzeitig Zusagen zur Strecke Dresden–Prag gemacht haben soll, bleibt der Mittelrhein wohl auf lange Sicht außen vor.
Auf Letzteres lassen verschiedene Indizien schließen, das Bundesverkehrsministerium äußert sich unterdessen nicht konkret. Unsere Redaktion hatte beispielsweise explizit gefragt, welche Gründe zur positiven Neubewertung des Projekts Dresden–Prag geführt haben, aus welchen Gründen eine Aufstufung der Alternativtrasse zur Rheinstrecke ausblieb und wie sich die Verkehrszahlen darstellen. Das Ministerium beantwortete die Anfrage nicht konkret, sondern stellte lediglich pauschal dar, dass fünf Projekte „aufgrund positiver gesamtwirtschaftlicher Bewertung in den Vordringlichen Bedarf aufsteigen“ und es „zu den weiteren Projekten des potenziellen Bedarfs“ noch keine Entscheidungen gibt. Sachliche Nachfragen unserer Redaktion, die den Stand des Mittelrhein-Projekts sowie den Verlauf des Bewertungsverfahrens betrafen, wurden nicht beantwortet.
Ähnliches hat die Initiative Region Mittelrhein erlebt. Am 1. Dezember hat die Geschäftsführerin der Initiative, Sandra Hansen-Spurzem, eine Anfrage an das Ministerium gestellt, die mit einem grundsätzlichen Verweis auf den im Internet dargelegten BVWP 2030 beantwortet wurde. Eine Nachfrage zu dieser pauschalen Antwort blieb bis heute unbeantwortet. Die Initiative hat aufgrund der Art des Umgangs mit ihrer Anfrage durchaus den Eindruck, dass es derzeit seitens des Bundesverkehrsministeriums wohl kein tieferes Interesse gibt, sich konkret zur Mittelrhein-Alternativtrasse zu äußern.
Womit dies zusammenhängen könnte, macht ein Beitrag zur „Korridorstudie Mittelrhein“ deutlich, den das Bundesverkehrsministerium am 7. Dezember auf seiner Internetseite veröffentlicht hat. Darin wird zum BVWP dargestellt, dass der Abschnitt Frankfurt–Mannheim ein „zentrales Element des Mittelrheinkorridors“ ist, da es der „am stärksten belastete Abschnitt des gesamten ICE-Netzes“ der Bahn ist.
Im Bereich Frankfurt–Mannheim sind massive Ausbauten angedacht sowie der im BVWP festgelegte Ausbau der sogenannten Rhein-Ruhr-Achse von Hanau bis Hagen, die zur „Sicherung von Wirtschaftskraft und Lebensqualität im Siegerland“ beitragen soll. Weiter heißt es: „Bei weiterem Zuwachs kann langfristig mit dem Neubau einer rechtsrheinischen Güterverkehrsstrecke zwischen Troisdorf und Mainz-Bischofsheim das Rheintal auch von verbleibenden Güterzügen entlastet werden.“ Als Ziel des Bundes wird diese Alternativtrasse hier aber nicht thematisiert, sondern lediglich erwähnt, dass zunächst die Grundlagen für die „technische Umsetzung“ ermittelt und ein „wirtschaftlich tragfähiger Konzeptentwurf“ erarbeitet werden muss, bevor überhaupt eine Bewertung erfolgen kann.