Vor 100 Jahren erlebte die noch junge Weimarer Republik mit der Wahl von Paul von Hindenburg zum neuen Reichspräsidenten einen großen Einschnitt. Die politische Achse verschob sich deutlich nach rechts, viele Historiker sehen darin eine empfindliche Niederlage der demokratischen Republik und einen Sieg ihrer Gegner.
Auch im Hunsrück, im damaligen Kreis Simmern, erhielt der Kandidat des „Reichsblocks“ mit 60 Prozent mit Abstand die meisten Stimmen, gerade in den evangelischen Orten konnte er viele Wählerinnen und Wähler überzeugen, während in den katholischen Gemeinden der Kandidat des „Volksblocks“, der Zentrums-Politiker Wilhelm Marx, die meisten Stimmen errang.

Die Neuwahl eines Staatsoberhaupts war notwendig geworden, nachdem der 1919 von der Weimarer Nationalversammlung gewählte Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) am 28. Februar 1925 überraschend gestorben war. Für die Wahl am 29. März 1925 wurden von den Parteien zahlreiche Kandidaten aufgestellt, sodass früh klar war, dass keiner der Bewerber im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit erringen würde.
Wenn man die Hunsrücker Zeitung jener Tage durchblättert, findet man nur wenig Hinweise auf einen Wahlkampf für den ersten Wahlgang im Kreis Simmern. Der Reichsblock, zu dem sich die nationalliberale Deutsche Volkspartei (DVP), die rechte Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und die Reichspartei des deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei) für diese Wahl zusammengeschlossen und den Duisburger Oberbürgermeister und ehemaligen Reichsinnenminister Karl Jarres (DVP) als Präsidentschaftskandidaten nominiert hatten, lud für Ende März zu Wahlversammlungen in Simmern, in Kirchberg und in Kastellaun ein, um für ihren Kandidaten zu werben. Von anderen Parteien gab es keine entsprechenden Wahlanzeigen in der Hunsrücker Zeitung.

In den vom DVP-Kreisvorsitzenden Justizrat Gräff aus Simmern geleiteten Versammlungen trat der DNVP-Reichstagsabgeordnete Friedrich Everling als Redner auf und bezeichnete Jarres als „einen Vorkämpfer für unser liebes deutsches Vaterland“, wie es in einem Zeitungsbericht heißt. Und weiter, dass der Reichsblock-Kandidat ein aufrechter Mann sei, der in schwerer Zeit für seine Überzeugung gelitten und gestritten habe, ein Mann von starkem Wollen und Können, klug, bedächtig und zäh.
Ob es an fehlenden Wahlveranstaltungen anderer Parteien lag oder an der Überzeugung der Wählerinnen oder Wähler: Karl Jarres jedenfalls erhielt im Kreis Simmern im ersten Wahlgang eine klare Mehrheit. Für ihn stimmten 55,9 Prozent der Wählerinnen und Wähler. Auf den Zentrums-Kandidaten Wilhelm Marx entfielen 37,2 Prozent, wobei er vor allem in den katholischen Orten des Hunsrücks seine Stimmen holte. Die anderen Kandidaten spielten keine Rolle. Der SPD-Kandidat Otto Braun kam auf 3,1 Prozent, für den Bewerber der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) Willy Hellpach stimmten 2,6 Prozent, Heinrich Held von der Bayerischen Volkspartei (BVP) kam auf 0,3 Prozent, für Ernst von Ludendorff von den Völkischen und für den KPD-Kandidaten Ernst Thälmann votierten jeweils 0,4 Prozent.

Da im Reich keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erhalten hatte, wurde für Ende April ein zweiter Wahlgang angesetzt. Nach Gesprächen der Parteien unterstützten nun auch BVP und Völkische den vom Reichsblock neu nominierten Präsidentschaftskandidaten Paul von Hindenburg, den Generalfeldmarschall aus dem Ersten Weltkrieg und „Helden von Tannenberg“, der gerade in nationalen und monarchistischen Kreisen großes Ansehen genoss. Die Parteien der Weimarer Koalition, SPD, DDP und Zentrum, schlossen sich daraufhin zum Volksblock zusammen und stellten den Zentrumspolitiker Wilhelm Marx als ihren Kandidaten auf. Die KPD hielt an ihrem Bewerber fest.
Und diesmal tobte im Hunsrück der Wahlkampf deutlich lauter und heftiger. An vielen Orten im Kreis Simmern gab es Wahlveranstaltungen von Volksblock und Reichsblock. Beim Reichsblock traten vor allem die beiden im Hunsrück bekannten DVP-Politiker Richard Oertel, lange Jahre Reichstagsabgeordneter und Pfarrer in Neuerkirch, sowie der Arzt und Landwirt Wilhelm Schüler aus Büchenbeuren, der Mitglied des Provinziallandtages war und sich in der Bauernschaft engagierte, als Redner auf. Beim Volksblock sprach unter anderem der St. Goarer Pfarrer Hermann Ludwig Krüger-Velthusen.

Wie die Hunsrücker Zeitung schreibt, waren allerdings die Versammlungen des republikanischen Lagers eher schwach besucht. So bedauerte der Studienrat Gunther Wytzes von der DDP bei der Versammlung in Simmern, dass die Volksblock-Parteien mit einer deutlich besseren Resonanz gerechnet hätten. Die Redner warnten vor den Gefahren für die Republik, sollte Hindenburg gewählt werden. Darum sei es wichtig, den überzeugten Republikaner Wilhelm Marx zu wählen.
Hans Schaack von der DDP meinte: „Oft war in den letzten Jahren Gelegenheit, den Wählern zuzurufen, dass wir in einer ernsten Schicksalsstunde ständen, sei es unter dem Druck der früheren Feinde, sei es durch die Kurzsichtigkeit eigener Staatsbürger. Am 26. April ist wirklich die Schicksalsstunde. Wir stehen in einem harten Ringen um die deutsche Staatsform, um den Bestand der deutschen Republik. Es geht am Sonntag um die Entscheidung zwischen den Rechtsparteien und den Parteien der Mitte.“

Bei den Veranstaltungen des Reichsblocks stellten die Redner Hindenburg dagegen als einen Kandidaten vor, der es als schlichte, einfache, geehrte und angesehene Persönlichkeit geschafft habe, die meisten Parteien und weiteste Volkskreise zu vereinen. Ihn ins höchste Staatsamt zu wählen, bedeute das Wohl des deutschen Volkes, betonten die Reichsblock-Vertreter.
Kurz vor der Wahl rief der einflussreiche Hunsrücker Bauernverein zur Wahl von Paul von Hindenburg auf. Anders als beim ersten Wahlgang, als von den sieben Kandidaten fünf aus bürgerlichen Parteien kamen, die auch Zustimmung in der Bauernschaft gehabt hätten, könne diesmal nur der Reichsblock-Kandidat auf die Unterstützung der Landwirte setzen. Der Kommunist Thälmann sei für deutsche Bauern überhaupt nicht wählbar, und da Marx sich in die „völlige Abhängigkeit“ der SPD begeben habe und die Bauern in der Sozialdemokratie „nach wie vor den schlimmsten Feind der deutschen Landwirtschaft“ sehen würden, habe der Reichslandbund beschlossen, für Hindenburg einzutreten, heißt es in einer Anzeige des Oberrheinischen Landbundes in der Hunsrücker Zeitung.

Beim zweiten Wahlgang am 26. April 1925 konnte dann Paul von Hindenburg im Hunsrück ein klares Ergebnis erzielen. Er erhielt 60 Prozent der Stimmen. Gerade in den evangelischen Dörfern gewann er haushoch, in Ohlweiler, in Hasselbach, in Wohnroth und in Schlierschied beispielsweise stimmten 100 Prozent der Wählerinnen und Wähler für den Reichsblock-Kandidaten. Für Wilhelm Marx votierten etwas mehr als 39 Prozent der Wählerinnen und Wähler im Kreis Simmern. Er konnte vor allem in den katholischen Dörfern seine Stimmen erringen. So holte er beispielsweise in Mannebach, in Mörz, in Schneppenbach, in Schnorbach und in Metzenhausen alle Stimmen. Der KPD-Kandidat Thälmann spielte bei diesem Wahlgang im Kreis Simmern keine Rolle, er erhielt gerade mal 0,4 Prozent.
Insgesamt konnte Paul von Hindenburg im Kreis Simmern die Stimmen des Reichsblocks sowie der BVP und der Völkischen aus dem ersten Wahlgang auf sich vereinen, Wilhelm Marx schaffte es allerdings nicht, alle Stimmen der Weimarer Koalition auch im zweiten Wahlgang wieder zu erhalten. Damals hatten SPD, Zentrum und DDP zusammen noch fast 43 Prozent der Stimmen erhalten.
Hintergrund: Ergebnis der Reichspräsidentenwahl 1925 im Kreis Simmern
Erster Wahlgang am 29. März 1925
- Jarres (Reichsblock): 9597 Stimmen, 55,9 Prozent
- Marx (Zentrum): 6392 Stimmen, 37,2 Prozent
- Braun (SPD): 538 Stimmen, 3,1 Prozent
- Hellpach (DDP): 452 Stimmen, 2,6 Prozent
- Ludendorff (Völkische): 71 Stimmen, 0,4 Prozent
- Thälmann (KPD): 68 Stimmen, 0,4 Prozent
- Held (BVP): 49 Stimmen, 0,3 Prozent
Zweiter Wahlgang am 26. April 1925
- Hindenburg (Reichsblock): 11.736 Stimmen, 60 Prozent
- Marx (Volksblock): 7757 Stimmen, 39,6 Prozent
- Thälmann (KPD): 80 Stimmen, 0,4 Prozent