Landrat Volker Boch erlässt Allgemeinverfügung für Strecke von Höhe Mühlpfad bis Gödenroth - Anwohner reagieren positiv
Allgemeinverfügung tritt in Kraft: Rhein-Hunsrück-Kreis verbietet Straßenprostitution an der B 327
Auf diesem Platz an der Hunsrückhöhenstraße haben bis zuletzt regelmäßig Prostituierte auf Freier gewartet – selbst im Winter. Neben der prekären Situation der Frauen waren die Sicherheit an der Straße und große Mengen Müll problematisch. Plakativ hatte zuletzt Roger Mallmenn (Linke) das Thema thematisiert. Foto: Philipp Lauer
Philipp Lauer

Seit Anfang März ist die Straßenprostitution entlang der Hunsrückhöhenstraße von der Abfahrt in Richtung Mühlpfad bis zur Abfahrt nach Gödenroth sowie auf einer Nebenstrecke verboten. Landrat Volker Boch hat eine entsprechende Allgemeinverfügung erlassen.

Auf diesem Platz an der Hunsrückhöhenstraße haben bis zuletzt regelmäßig Prostituierte auf Freier gewartet – selbst im Winter. Neben der prekären Situation der Frauen waren die Sicherheit an der Straße und große Mengen Müll problematisch. Plakativ hatte zuletzt Roger Mallmenn (Linke) das Thema thematisiert. Foto: Philipp Lauer
Philipp Lauer

Die Straßenprostitution entlang der Hunsrückhöhenstraße ist seit Anfang März von der Abfahrt in Richtung Mühlpfad bis zur Abfahrt nach Gödenroth sowie auf einer Nebenstrecke verboten. Landrat Volker Boch hat ein entsprechendes Verbot in einer Allgemeinverfügung ausgesprochen, berichtet die Kreisverwaltung als zuständige Ordnungsbehörde in einer Pressemitteilung. Diese ist am vergangenen Donnerstag, 9. März, in Kraft getreten. Die Kreisverwaltung bezieht sich bei dem Verbot auf Paragraf 11 des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG).

Als Gründe für das Verbot sind in der Allgemeinverfügung die Gefahren an der viel befahrenen Straße für die Prostituierten und den Straßenverkehr, die sozial unverträgliche Konfrontation mit der Prostitution für die Anwohner der umliegenden Gemeinden, der Jugendschutz, die prekären Bedingungen für die Frauen und Umweltschutzgründe angeführt. Bei Nichtbefolgen droht ein Zwangsgeld von 500 Euro, im Wiederholungsfall erhöht sich dieses auf 1000 Euro. Die Verfügung gilt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zeitlich befristet bis zum 31. März 2024.

Zuletzt bewegten sich die Prostituierten hauptsächlich auf der Gemarkung der Gemeinde Bickenbach. Bürgermeister Marco Mohr hat die Allgemeinverfügung sehr positiv aufgenommen und die Bürger des Orts über eine Nachricht in der Dorfgruppe informiert. Die Resonanz auf seine Nachricht war ebenfalls positiv.

„Es war mir schon immer ein Dorn im Auge, dass wir die Situation dulden mussten, weil die Lesart lange war, dass man rechtlich nichts dagegen unternehmen kann“, sagt Mohr. Dass einfach hingenommen wurde, unter welchen menschenunwürdigen Verhältnissen die teilweise sehr jungen Frauen dort agierten, habe nicht nur bei ihm für Unverständnis und Unmut gesorgt. Dabei sei er sich bewusst, dass sich die Prostitution infolge des Verbots wahrscheinlich lediglich verlagert und sich die Situation für die Frauen nicht verbessert. Dennoch sei er erleichtert, denn für die Menschen in seiner Gemeinde sei die Situation unhaltbar gewesen.

Seit Jahren habe das Thema ihn und den Gemeinderat beschäftigt. Denn die Freier sind mit den Prostituierten nicht in der Nähe der Hunsrückhöhenstraße geblieben, sondern weit in Bereiche gefahren, die die Menschen der Umgebung als Rückzugs- und Erholungsorte nutzen. Auch um ein Zeichen zu setzen, habe man Zufahrtswege etwa in Richtung des Sportplatzes mit Baumstämmen oder Schranken versperrt. Keine dauerhafte Lösung, werden die Wege doch für Landwirtschaft, für Windradbetreiber oder als Rettungswege gebraucht.

Um etwas gegen das Müllproblem zu tun, gab die Gemeinde Müllsäcke aus, die die Frauen auch „immer mal wieder“ nutzten. Dennoch sei zu beobachten gewesen, dass der vorhandene Müll auch anscheinend andere Menschen zu Ablagerungen von Sperrmüll und Reifen angezogen habe. Mehrmals war man im Dialog mit den Behörden. Erst nach einem Gespräch mit dem neuen Landrat Volker Boch sei eine Dynamik in die Angelegenheit gekommen. „Ihm gilt ein besonderer Dank, dass er sich der Sache angenommen hat“, sagt Mohr.

Am vergangenen Freitag, 10. März, hat die Polizei entlang der Hunsrückhöhenstraße kontrolliert. „Die Kontrollen haben dazu geführt, dass aktuell keine Dienstleistungen mehr im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung angeboten werden“, berichtet Doris Becker, Pressesprecherin des Rhein-Hunsrück-Kreises. Das habe auch eine Kontrolle der Mitarbeiter der Kreisordnungsbehörde am Montag, 13. März, bestätigt.

Im gesamten Bereich der Allgemeinverfügung seien keine Prostituierten angetroffen worden. Künftig soll anlassbezogen beziehungsweise in Absprache mit Polizei und Verbandsgemeinden (VG) mehrmals die Woche kontrolliert werden. Wie von den Ordnungsbehörden der VGs zu hören ist, prüfe man noch, wie das Verbot im Rahmen der dortigen Ressourcen durchgesetzt werden kann.

Der Linken-Kreisvorsitzende Roger Mallmenn hatte auf Kreisebene die Missstände in der Straßenprostitution immer wieder thematisiert, gemeinsam mit der ehemaligen Fraktionskollegin Alexandra Erikson, wie er sagt. „Es hieß damals immer, der Kreis könne rechtlich nichts machen. Aber ich war schon immer der Meinung, dass man etwas tun können muss, wenn der politische Wille da ist“, sagt Mallmenn.

Ich habe kein Verständnis dafür, dass wir diese Form der Prostitution zulassen, ich vermute Zwangsprostitution dahinter.

Roger Mallmenn

Zuletzt sorgte er als Kandidat bei der Landratswahl Anfang des vergangenen Jahres mit einem Wahlplakat für Aufmerksamkeit für das Thema. Darauf warf er die Frage „Gelobtes Land?“ auf und ein Piktogramm stellte die Straßenprostitution dar. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass wir diese Form der Prostitution zulassen, ich vermute Zwangsprostitution dahinter“, sagt Mallmenn. Er hefte sich ans Revers, einen kleinen Anteil zum Zustandekommen des Verbots beigetragen zu haben, es zeige, wie wichtig die oft verkannte Oppositionsarbeit ist.

Nur wenige Tage nach Inkrafttreten des Verbots haben die Frauen offenbar schon eine andere Stelle an der Hunsrückhöhenstraße gefunden, um auf ihre Freier zu warten. Die Frauenhilfsorganisation Solwodi, gegründet in Boppard, äußert sich auf Anfrage unserer Zeitung kritisch gegenüber dem Vorgehen der Kreisverwaltung und fordert mehr Unterstützung für die Frauen.

So begründet der Kreis das Verbot in der Allgemeinverfügung

Bereits 2015 habe sich an der B 327 bei Kratzenburg eine Straßenprostitution etabliert. Diese verlagerte sich zuletzt auf den Bereich zwischen den Abfahrten nach Mühlpfad und Braunshorn, die Anzahl an Prostituierten nahm zu. Die Kreisverwaltung spricht von mindestens sechs Frauen, und zeitweise auch einem Mann, die dort ihrer Tätigkeit nachgingen.

Mit aufreizender Kleidung bewegten sich die Frauen teilweise unmittelbar am Straßenrand und machten durch Winken und Tanzen auf sich aufmerksam. „Durch diese auffälligen Verhaltensweisen gehen die Prostituierten hohe Risiken ein. Sie laufen Gefahr, von vorbeifahrenden Fahrzeugen erfasst zu werden. Sie nehmen hierbei ein gesteigertes Gefährdungspotenzial für sich selbst und die anderen Verkehrsteilnehmer sowie gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr billigend in Kauf.“ Die B 327 werde täglich von mehr als 9000 Fahrzeugen genutzt und gelte damit als eine stark befahrene Hauptverkehrsachse. Auf der teils dreispurig ausgebauten Strecke werde in der Regel mit bis zu 100 Stundenkilometern gefahren.

„Teilweise überqueren die Prostituierten die Bundesstraße, tanzen und stehen winkend auf den Verkehrsinseln oder gehen entgegen der Fahrtrichtung unmittelbar am Fahrbahnrand entlang, um ein verstärktes Interesse hervorzurufen. Dabei kommt es immer wieder zu plötzlichen, unvorhersehbaren Abbrems- und Wendemanövern von Fahrzeugführern.“ Die Sicherheit des Straßenverkehrs sei davon betroffen und gemäß Paragraf 11 Absatz 3 Nr. 1 des ProstSchG diene das Verbot dem Schutz der Prostituierten und anderer Personen, hier den Verkehrsteilnehmern.

Die Anwohner der umliegenden Ortsgemeinden, insbesondere auch Eltern mit ihren Kindern, seien täglich mit der Straßenprostitution und deren Begleiterscheinungen konfrontiert. „Auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkauf werden sie durch diese sozialunverträgliche, ungewollte Konfrontation mit der Prostitutionsausübung belästigt.“ Auch Schulkinder und Jugendliche seien dem ausgesetzt und werden damit nachteilig beeinflusst und belästigt. Die Anordnung erfolge daher auch zum Schutz der Jugend.

Entlang der beschriebenen Strecke sind mehrere Wanderparkplätze. Für Spaziergänger, gerade mit Kindern, stelle die Prostitution eine Zumutung dar. So sei etwa nicht ausgeschlossen, dass Wanderer unbeabsichtigt und ungewollt die sexuellen Dienstleistungen sehen müssen, obwohl sie hiervon unbehelligt bleiben wollen. Die Anordnung erfolge somit auch zur Sicherung der sonstigen Belange des öffentlichen Interesses.

Die Ausübung der Prostitution finde nach dem Anbahnungsgespräch überwiegend im angrenzenden Waldbereich sowie auf Parkplätzen am Straßenrand – in aller Öffentlichkeit – statt. „Anschließend werden benutzte Kondome, Feuchttücher, Papiertaschentücher und Verpackungsmüll auf dem Wald- und Parkplatzboden entsorgt. Toiletten oder andere Waschmöglichkeiten sind nicht vorhanden.“ Der Müll bedrohe mit möglicherweise enthaltenen Giftstoffen Grundwasser, Pflanzen, Tiere und Menschen gleichermaßen. Die Anordnung erfolge daher auch im Sinne des Gewässerschutzes und des Tierschutzes.

„Die Arbeitsbedingungen der Prostituierten sind im Bereich der Straßenprostitution nicht nur unhygienisch, sondern auch sehr unsicher. Die Prostituierten sind selbst erheblichen Gefahren durch gewalttätige Kunden, durch mangelnde Hygiene oder auch die Witterung im Freien ausgesetzt. red

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