Das von der Bundesregierung Anfang September beschlossene Agrarpaket wird von vielen Seiten kritisiert. Neben der Abschaffung von Glyphosat umfasst es unter anderem ein Insektenschutzprogramm sowie ein Tierwohlkennzeichen. Viele Bauern befürchten, dass die Umsetzung dieses Pakets die Existenz ihrer Betriebe und damit die Versorgung mit regionalen Lebensmitteln aufs Spiel setzt. Der Agrarwissenschaftler und Nebenerwerbslandwirt Willi Kremer-Schillings rief auf seinem Agrarblog „Bauer Willi“ Landwirte dazu auf, als Zeichen des stillen Protests grüne Kreuze auf den Feldern aufzustellen.
Das Agrarpaket stößt auch bei Faust, der in Niederweiler einen 300 Hektar großen Familienbetrieb mit Milchwirtschaft und Ackerbau bewirtschaftet, auf große Kritik. Die Bearbeitung von Äckern und Grünland werde durch die Beschlüsse weiter erschwert, befürchtet Faust. Zudem werde die Tierhaltung verteuert, ohne dass der Verbraucher an der Ladenkasse wirklich mehr dafür zahlen würde. Faust mutmaßt, dass durch diese Beschlüsse vielen Landwirten die Luft zum wirtschaftlichen Überleben genommen werde und dies ein weiteres Sterben mittelständischer familiengeführter Bauernhöfe, die doch eigentlich erhalten werden sollten, die Folge sei.
Mit Sorge betrachtet Faust auch das Freihandelsabkommen, das zurzeit zwischen Deutschland und Europa mit den USA verhandelt wird. Genveränderten Futtermitteln, die bislang auf dem Markt nicht vorhanden seien und vom Verbraucher abgelehnt werden, würden Tor und Tür geöffnet. Importe von billigem Rindfleisch aus Nord- und Südamerika könnten den Markt überschwemmen und zu einem Rückgang der Preise von regionalem, von heimischen Bauern erzeugtem Rindfleisch führen. Das bilaterale Abkommen führt für Faust unabdingbar zu einer weiteren Liberalisierung des Agrarhandels.
Faust wünscht sich einen Dialog mit Politik, Industrie und Verbrauchern
Kleine und mittlere Betriebe steigen aus, mehr Großbetriebe entstehen, immer mehr Lebensmittel werden aus dem Ausland importiert, so seine Befürchtungen. „Um uns gegenseitig besser zu verstehen, müssen wir endlich wieder mehr auf einen Dialog zwischen Landwirtschaft, Politik, Industrie und Verbraucher setzen“, wünscht sich Faust.
An der Aktion „Grüne Kreuze“ beteiligt sich auch die Bundestagsabgeordnete Carina Konrad (FDP) aus Bickenbach. Dort bewirtschaftet die Agraringenieurin mit ihrer Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Ackerbau und Viehzucht. Im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft will sie sich insbesondere für Selbstbestimmung, Eigentum und Vernunft in der Agrarpolitik einsetzen, wie sie sagt. „Wenn ich Lebensmittel aus Deutschland kaufe, weiß ich, sie stammen zu 95 Prozent von Familienbetrieben und werden nach EU-Standards produziert“, erklärt Konrad. Immer neue Auflagen, etwa mehr Schutz für Insekten, die Umwelt oder das Wasser, bedeuteten für diese Betriebe, dass sie entweder wachsen oder weichen müssten, ist Konrad sicher und äußert sich hierzu auch auf ihrer Facebookseite. „Die Wohlstandsdebatte, im Rahmen derer die Gesellschaft – und dadurch letztlich auch die Politik – immer mehr Forderungen an die Landwirtschaft formuliert, hat gravierende Folgen“, schreibt sie dort. Diese Entwicklung von Betriebsstrukturen würden ausgerechnet von denen befördert, die eigentlich von einem kleinbäuerlichen „Bullerbü-Idyll“ träumten, kritisiert die Abgeordnete. „Respektiert eure Bauern! Sie erzeugen immerhin eure Mittel zum Leben“, fordert sie. Das Agrarpaket hingegen versetze der deutschen Landwirtschaft den Todesstoß, ist sie sicher.
Konrad befürchtet eine „Zwangsökologisierung“
Bereits Anfang September kritisierte Konrad das Agrarpaket in einer Stellungnahme aufs Schärfste. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner habe ihr Vorzeigeprojekt Tierwohllabel nur unter der Voraussetzung bekommen, dass sie die Hoheit über die Zukunft der Landwirtschaft ans Umweltministerium abgebe. Dort aber solle ein Insektenschutzprogramm eine riesige Zwangsökologisierung in der Fläche einleiten, befürchtet die Abgeordnete. Eigentumseingriffe durch Bewirtschaftungsauflagen und Pflanzenschutzmittelverbote entwerten die betroffenen Flächen jedoch massiv, so Konrad.