St. Goar
838.000 Euro Mehrkosten: Rheinbalkon kommt St. Goar teuer zu stehen

Vom markantesten Einzelprojekt der St. Goarer Modellstadtplanung ist noch nicht viel zu sehen. Lediglich ein halbes Dutzend brauner Pfähle ragt dort aus dem Fluss, wo einmal der Rheinbalkon stehen soll. Ein Baustopp kommt für die Mehrheit im Stadtrat aber nicht in Frage.

Martina Koch

St. Goar. Der Rheinbalkon in St. Goar wird gut 838.000 Euro teurer als geplant. Dennoch stimmte eine Stadtratsmehrheit für eine Weiterführung des Bauprojekts. Die Stadt prüft rechtliche Schritte gegen den verantwortlichen Planer.

Von unserer Redakteurin Martina Koch

Dass der Bau des Rheinbalkons in St. Goar deutlich teurer wird, als zunächst geplant, war den Mitgliedern des Stadtrats seit längerem klar. Die Zahlen, die jetzt bei der jüngsten Sitzung des Gremiums der Öffentlichkeit präsentiert wurden, schockierten dann aber selbst gestandene Kommunalpolitiker: Das Bauwerk wird voraussichtlich gut 838.000 Euro mehr kosten, als in der Ausschreibung aufgeführt.

Ein Ausstieg aus dem Projekt kommt für die Mehrheit der Ratsmitglieder dennoch nicht in Frage: Mit 14 Ja- zu 5 Neinstimmen sprachen sie sich dafür aus, den Rheinbalkon weiterzubauen und die nötigen finanziellen Mittel in einem Nachtragshaushalt zur Verfügung zu stellen. Die Stadt behält sich vor, den mit dem Bau beauftragten Planer, der für die Kostenexplosion verantwortlich gemacht wird, auf Schadensersatz zu verklagen. Inwieweit ein solcher Rechtsstreit erfolgsversprechend ist, ist allerdings fraglich.

Furcht vor Schadensersatzforderungen bei Baustopp

„Wir können nicht anders, als das Bauwerk fertig stellen, so sehr uns das auch schmerzt“, erklärte Bürgermeister Horst Vogt. Die Arbeiten seien schließlich angelaufen und die Aufträge vergeben. Bei einem Baustopp kämen nicht abschätzbare Kosten für einen Rückbau und Schadensersatzforderungen der beauftragten Firmen auf die Stadt zu. Außerdem wäre das Gesamtprojekt Modellstadt St. Goar einer bedeutenden Attraktion beraubt: „Der Rheinbalkon wird ein Alleinstellungsmerkmal für unsere Stadt“, plädierte CDU-Fraktionssprecherin Ursula Krick dafür, an dem umstrittenen Bauwerk festzuhalten.

Andere Stadtratsmitglieder weigerten sich, weiterhin die politische Verantwortung für die explodierenden Kosten zu übernehmen: „Der Rheinbalkon entwickelt sich zu einem absoluten Desaster, und im schlimmsten Fall bleibt die Stadt auf den Kosten sitzen“, erklärte SPD-Fraktionssprecher Bernd Heckmann seine Ablehnung. „Pleiten, Pech und Pannen beim Rheinbalkon – die Planer haben den größten Murks abgeliefert“, legte Peter Ockenfels (SPD) nach.

Spundwand und Bodenbelag kosten extra

Die unvorgesehenen Kostensteigerungen sind im Wesentlichen drei großen Änderungen in der Bauausführung geschuldet: Zum einen sah es die ausführende Firma als notwendig an, die Verankerung für den Rheinbalkon mit schwimmendem Gerät zu bohren. Des weiteren stellte sich heraus, dass es nicht praktikabel ist, die Natursteine für den Belag des Rheinbalkons einzeln zu verlegen. Stattdessen werden diese vor Ort in eine große Platte eingegossen. Allein dieser Arbeitsschritt verursacht Nettozusatzkosten in Höhe von 274.000 Euro.

Dann meldete noch das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt in Bingen Bedenken wegen der Uferböschung beim Rheinbalkon an: Die geplante Ausführung sei wegen der starken Beanspruchung nicht dauerhaft haltbar und würde hohe Unterhaltungskosten verursachen. Stattdessen solle man in diesem Bereich eine Spundwand einsetzen, die mit 250.000 Euro netto zu Buche schlägt.

Leidenschaftlicher Appell für die Modellstadt

Hildegard Mallmann (CDU) rief die Stadtratsmitglieder zum Abschluss der Aussprache dazu auf, den Blick auf das Modellstadtprojekt als Ganzes und die Entwicklungen, die es in St. Goar bisher angestoßen hat, zu lenken. Vom Ausbau der B9, dem Anlegen von Rad- und Fußweg sowie von Parkplätzen bis hin zum Herrichten der Rheinstraße habe sich in den vergangenen Jahren Vieles zum Positiven gewendet. „Wir haben alle grundlegenden Entscheidungen zur Modellstadt gemeinsam getragen. Lassen Sie uns das Projekt zu einem guten Ende führen!“, rief sie ihren Ratskollegen zu. Knapp Dreiviertel schlossen sich letztlich dem leidenschaftlichen Appell an.

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