Die Teilnehmerzahl in der Halle war auf 499 begrenzt worden. So kamen nicht alle Interessenten in die Halle, weil ansonsten ein höheres Sicherheitsaufgebot aus Polizei und Deutschem Roten Kreuz notwendig gewesen wäre, erläuterte der Hausherr, Stadtbürgermeister Andreas Nikolay.
Nahezu das Zehnfache an Menschen hatte sich vor der Halle versammelt. Schätzungen gehen von von 4000 bis 4500 Demonstranten aus. Vor dem Hintergrund traf das Skandieren der Parole „Wir sind mehr“ am Freitagabend durchaus zu.
Teile der Innenstadt hatte die Polizei gesperrt. Bereits gegen 16.15 Uhr begann sich der Platz am neuen Hallenbad zu füllen. Nach und nach trafen die Demonstranten ein, während die Interessenten für den Bürgerdialog der AfD vor der Hunsrückhalle auf Einlass warteten. Die Demonstration war für 17 Uhr angesetzt und begann auch relativ pünktlich. Der Start der Veranstaltung in der Halle verzögerte sich dagegen von 18 auf kurz nach 19 Uhr, da Weidel verspätet eintraf.
Zusätzlich zur großen Demo auf dem Hallenbadparkplatz und in der Schulstraße hatte eine etwa 20-köpfige Abordnung der Antifa an der Ecke Gemündener Straße/Schulstraße sich postiert und skandierte Parolen gegen Faschismus. Ein Stück weiter entfernt von der Hunsrückhalle, auf dem Brühlschulplatz, hatten Bauern eine Demo angemeldet, die allerdings im Vergleich zu den kürzlich im Hunsrück stattgefunden Protestaktionen zahlenmäßig unbedeutend war, denn es standen lediglich drei Traktoren auf dem Platz, und eine ebenfalls rund 20-köpfige Gruppe von Protestlern hatte sich dort postiert.
Zu der Demo auf dem Parkplatz am Hunsrückbad kamen nach und nach immer mehr Teilnehmer zusammen. Es waren unter anderem Vertreter demokratischer Parteien aus dem Landkreis und von weiter her gekommen, um Stellung zu beziehen und ein Zeichen gegen rechts zu setzen.
Rainer Bos vom Vorstand der Grünen im Rhein-Hunsrück-Kreis hatte die Demo angemeldet und moderierte das Geschehen auf der Bühne neben dem Rathaus zusammen mit Heidrun Kisters von der Friedensinitiative Hunsrück.
Breites Bündnis ruft zur Demo auf
Zu der „Kundgebung für Toleranz, Menschenrechte und Demokratie“ hatte zuvor ein breites Bündnis aufgerufen. Und die Menschen kamen. Mit Trillerpfeifen, Fahnen und Transparenten bezogen sie Stellung gegen rechts und erteilten der AfD ein Absage.
Dafür waren zahlreiche Vertreter der Kreisverbände von CDU, SPD, FDP, Grünen, Freien Wählern und von der Linken ebenso gekommen, wie Gewerkschafter, Vereine, Verbände, Initiativen, Kirchenvertreter und viele andere Organisationen. Insgesamt waren es mehr als 60 Gruppen. Mehrere Redner waren auf die Bühne gekommen.
Heidrun Kisters, die bereits in den 1980er-Jahren in der Friedensbewegung aktiv war und gegen Atmowaffen auf der Pydna bei Hasselbach demonstriert hatte, zeigte sich „überwältigt von der großen Anzahl von Menschen“, die dem Aufruf zur Demonstration gefolgt waren.
Kisters nahm Bezug zu den Enthüllungen des Recherche-Netzwerks Correctiv: „Wenn Pläne über millionenfache Deportation von hier lebenden Menschen bei einem Geheimtreffen mit Beteiligung der AfD – und nebenbei auch der Werteunion – geschmiedet werden, dann ist das eben nicht Privatsache, Frau Weidel“, machte Kisters deutlich.
Sie ergänzte: „Wenn der Bundestagsabgeordnete der AfD, Stefan Keuter, der Mitglied im Auswärtigen Ausschuss ist, ein Bild postet, auf dem er einen Soldaten mit einem Maschinengewehr zeigt und darunter schreibt: ,Das schnellste deutsche Asylverfahren, lehnt bis zu 1400 Anträge in der Minute ab', dann fällt das eben nicht mehr in die Kategorie ,Das wird man ja noch sagen dürfen'.“
Redner stellen sich gegen Rassismus und Ausgrenzung
In der Folge sprachen weitere Redner, unter ihnen die 17-jährige Sabia aus Afghanistan, die mit ihrer Familie vor den Taliban nach Deutschland geflohen war. „Zum Glück haben wir in Büchenbeuren einen kleinen Ersatz für unsere alte Heimat gefunden. Wir Kinder gehen zur Schule, wir hoffen, irgendwann studieren zu können, um unseren Lebenstraum zu verwirklichen“, sagte Sabia.
Vor der Hunsrückhalle in Simmern demonstrierten am Freitag mehr als 4000 Menschen für Demokratie, Toleranz und Meschenrechte, gegen Rechtsextremismus und den "Bürgerdialog" der AfD. Was hat Menschen aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis dazu bewegt, die AfD-Veranstaltung zu besuchen?„AfD-Bürgerdialog“ mit Alice Weidel im Rhein-Hunsrück-Kreis: Wie stehen die Besucher zu Rechtsextremismus?
Sie sagte aber auch: „Rassismus und Ausgrenzung begegnen uns fast täglich, und es macht uns Angst, wie hier in den letzten Monaten über geflüchtete Menschen gesprochen wird. Die Menschen, die so wie wir nach Deutschland gekommen sind, haben Schreckliches erlebt und müssen nun erleben, dass sie hier nur als Problem gesehen werden und sie wieder Angst vor Deportation haben müssen. Es macht uns traurig und ist für uns kein gutes Gefühl. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, wo alle Menschen gleich sind, kein Unterschied gemacht wird, ob Mann oder Frau, ob jung oder alt und wo es egal ist, wo die Menschen geboren sind.“
Autor Reiner Engelmann, geboren in Völkenroth und Mitbegründer der ersten Gruppe von Amnesty International im Hunsrück, betonte: „Es ist gut, dass die Empörung über das, was wir über die AfD und ihre Sympathieträger gehört und erfahren haben, nun deutlicher sichtbar wird. Unser Protest ist ein erstes und wichtiges Zeichen. Dieses ,Nie wieder' muss von uns mit Inhalt gefüllt werden.“
Rund 4000 Demonstranten stellten sich am Freitag in Simmern dem sogenannten Bürgerdialog der AfD mit Bundessprecherin Alice Weidel entgegen. "Die sogenannte Alternative für Deutschland, die anderen nachsagt, Deutschland zu hassen, sie kennt dieses Deutschland gar nicht.Kommentar zur Gegendemo beim AfD-„Bürgerdialog“: Das Zeichen von Simmern
Auch die Vertreter der Kirchen traten auf die Bühne. Zuerst ergriff der katholische Pfarrer Lutz Schulz das Wort: „So verschieden wir sind, das eint uns: Wir alle wollen in einer menschenfreundlichen, freien und offenen Gesellschaft leben. Wir erschrecken über die Kälte, die sich in unserer Gesellschaft breit macht. Aber der Hunsrück ist Gehaichnis. Der Hunsrück ist nicht kalt.“
Markus Risch, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Simmern-Trarbach, sagte angesichts zahlreicher momentaner Krisen: „Da gibt es keine einfachen Antworten. Da gibt es auch nicht d i e Antwort. Wir brauchen gerade jetzt Streit, Diskussion. Wir brauchen unterschiedliche Meinungen. Was aber nicht geht, ist Menschenhass. Menschenhass ist keine Meinung. Hass auf Menschen, weil sie anders sind, anders aussehen oder anders denken, ist n i e eine Meinung!“
Ängste schmieden und Hass schüren
Auch Tom Hoffmann aus Kastellaun, Vertreter des Jugendtags und des Jugendparlaments, betrat die Bühne. „Wir dürfen nicht zulassen, dass mit populistischen Parolen und rassistischen Untertönen, Ängste geschürt und Hass zu schmieden versucht wird.“
Landrat Volker Boch zeigte sich erfreut über die große Resonanz auf den Aufruf zur Demonstration. Zusammen mit Vertretern von im Kreistag vertretenen Parteien war er auf die Bühne gekommen und erinnerte mahnend an die Zeit des Dritten Reichs, bevor unter der Leitung von Kantor Joachim Schreiber ein vielstimmiger Chor die alte Friedenshymne „We Shall Overcome“ die Kundgebung in Simmern beendete.