Jubiläum INF-Vertrag vor 30 Jahren ratifiziert - Diskussion mit Andreas Zumach in Bell
30 Jahre nach Abrüstungsvertrag: Friedensinitiative befürchtet neues Wettrüsten
Der Journalist Andreas Zumach aus Genf referierte im evangelischen Gemeindehaus in Bell.
Dieter Junker

Bell. Vor 30 Jahren sorgte der INF-Vertrag, den der damalige US-Präsident Ronald Reagan und der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow im Dezember 1987 unterzeichneten, für den Abzug der atomaren Mittelstreckenwaffen aus dem Hunsrück. Doch mittlerweile ist dieser Vertrag gefährdet, und es steht eine neue Rüstungsdebatte an.

Zeit für die Friedensbewegung, sich wieder deutlich zu Wort zu melden, findet der Journalist Andreas Zumach aus Genf, der in den 1980er-Jahren zu den Sprechern der deutschen Friedensbewegung gehörte. Die Friedensinitiative Rhein-Hunsrück hatte aus Anlass dieses Jubiläums des INF-Vertrages zu einer Gesprächsrunde eingeladen.

„Die Unterzeichnung des INF-Vertrages 1987 war ein großer Erfolg der Friedensbewegung, auch hier im Hunsrück“, unterstrich Zumach im evangelischen Gemeindehaus in Bell. Ranghohe Vertreter der damaligen Sowjetunion hätten ihm immer wieder gesagt, dass es ohne die Proteste der Friedensbewegung gerade auch in Westdeutschland nie zu entsprechenden Abrüstungsinitiativen der Supermächte gekommen wäre, sagte der Aktivist.

Wenn nun dieser Abrüstungsvertrag von den USA und Russland in Frage gestellt werde, sei es an der Zeit, dass die Friedensbewegung wieder eine öffentliche Debatte darüber anstoße, meinte Andreas Zumach in Bell. Deutschland spiele dabei eine wichtige Rolle, war er überzeugt und verwies darauf, dass hier die meisten Einrichtungen der Nato, aber auch der USA, ihren Standort hätten.

„Derzeit verweigert sich Deutschland aber einer solchen Diskussion“, kritisierte der Journalist. So werde ein Bundestagsbeschluss zu einem Abzug der Atomwaffen aus Deutschland, aus Büchel in der Eifel, von der Regierung ignoriert, und eine deutsche Unterschrift unter den Atomwaffenverbotsvertrag, der ebenfalls ein großer Erfolg der Friedensbewegung sei, werde verweigert. „Dabei wäre es wichtig, dass in Deutschland über diese Fragen gestritten wird“, betont Zumach.

Eine Forderung, die die Friedensbewegung erheben könnte, wäre die Aufnahme eines Atomwaffenverbots in das Grundgesetz. „Wenn dies gefordert würde, müssten die Politiker endlich Farbe bekennen, warum sie ein solches Verbot in unserer Verfassung nicht haben wollen“, war Zumach überzeugt. Vielleicht würden dann Einige endlich zugeben, dass sie eigentlich eine deutsche Verfügungsgewalt über Atomwaffen haben wollen und dass deswegen der Atomwaffenverbotsvertrag, den bereits 122 Staaten unterzeichnet haben, bisher keine deutsche Unterschrift trage. In Bell erinnerte Andreas Zumach an die großen sicherheitspolitischen Debatten im Land, in den 1950er-Jahren an die Wiederbewaffnung, die Westbindung oder die Atombewaffnung Deutschlands. „Vor 30 Jahren war die Nachrüstung ein Thema, das, gerade auch hier im Hunsrück, Tausende Menschen auf die Straßen trieb“, meinte er. Nun drohe bei einem Ende des INF-Vertrages und der geplanten Modernisierung der Atomwaffen eine neue Nachrüstung. „Hier brauchen wir wieder konstruktiven, produktiven Streit“, machte Zumach deutlich.

Für Hoffnung sorge der Friedensnobelpreis, den die internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen (Ican) am Sonntag verliehen bekommt, die auch von der Hunsrücker Friedensbewegung unterstützt wird, meinte Heidrun Kisters, die Sprecherin des Vereins für friedenspolitische und demokratische Bildung. „Das gibt uns Rückenwind für unsere Arbeit“, ist sie überzeugt.

Und dass die Arbeit der Friedensbewegung wieder wichtig werde, das betonten zahlreiche Zuhörer im Beller Gemeindehaus. Viele von ihnen waren auch schon vor 30 Jahren dabei, als es im Hunsrück Demonstrationen, Blockaden, Menschenketten und vielfältige Proteste gegen die damalige Stationierung von Marschflugkörpern bei Hasselbach gab.

„Leider spricht derzeit Vieles dafür, dass sich die Geschichte des Mittelstreckenwaffen-Wettrüstens wiederholt“, warnte Zumach. Eine neue Nachrüstungsdebatte laufe bei der Nato bereits hinter verschlossenen Türen, machte er deutlich.

Darum sei es an der Zeit, nicht nur den Erfolg der Friedensbewegung vor 30 Jahren zu feiern, sondern auch auf die wachsenden atomaren Gefahren hinzuweisen, so der Genfer Journalist.

Von unserem Mitarbeiter Dieter Junker

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