Seit dem 21. August läuft vor der zweiten Strafkammer des Landgerichtes Bad Kreuznach das Verfahren gegen einen 23-jährigen syrischen Staatsbürger, dem sexuelle Gewalt gegen zwei ehemalige Partnerinnen vorgeworfen wird. Am zehnten Verhandlungstag befasste sich das Gericht vorwiegend mit der Persönlichkeit des Angeklagten, der im Laufe dieses bemerkenswerten Prozesses erneut in Haft genommen und am neunten Verhandlungstag von seiner nach kurdischem Recht angetrauten Partnerin geschieden worden war.
Mit zwölf Jahren vor dem Krieg geflohen
Der aus einer Bauernfamilie stammende Angeklagte wurde mit zwölf Jahren von seinen Eltern wegen des Bürgerkrieges in Syrien auf die Flucht geschickt. Er lebte zunächst mit einem Bruder zusammen in einer Wohnung, der aber wegen einer Arbeitsstelle wieder nach Griechenland zurückkehrte. Deshalb kam der Angeklagte als Minderjähriger in ein Heim, wo er als Jüngster mitunter dem Mobbing anderer Heimkinder ausgesetzt war. Zum Auftakt des Verfahrens hatte der 23-Jährige die Vorwürfe nicht nur bestritten, sondern sich selbst als Opfer dargestellt, indem er Sachverhalte einfach umdrehte. Das wurde ihm bei einer Geschichte zum Verhängnis, weil eine Zeugin und Ex-Freundin des Angeklagten die Version seiner ehemaligen Partnerin bestätigte.
Außerdem berichtete die Zeugin gleichfalls von sexuellen Übergriffen des 23-Jährigen während ihrer Beziehung. Aus diesem Grund setzte das Gericht den Haftbefehl gegen den Angeklagten wieder in Vollzug, er sitzt seit Ende August in Untersuchungshaft. Nach Aussage seiner beiden ehemaligen Partnerinnen hat er sie beleidigt und geschlagen. Beide Frauen werfen ihm auch vor, dass er sie in einem Fall zum Sex gezwungen hat. Ein völlig anderes Bild hatten die Frauen jeweils zu Beginn ihrer Beziehung von dem Angeklagten. Zunächst sei er ihnen liebevoll zugewandt gewesen, was sich nach einiger Zeit drastisch wandelte.
Angeklagter ist voll schuldfähig
Eine weitere Zeugin sagte am jüngsten Verhandlungstag aus, dass der 23-Jährige in den zwei Jahren, in denen sie ihn als Pflegekind betreut hat, stets respektvoll und freundlich mit Frauen umgegangen sei. Dass er die ihm vorgeworfenen Taten begangen hat, kann sie nicht glauben, auch wenn er sie mittlerweile eingeräumt hat. Der psychiatrische Gutachter Thomas Meyer sieht bei dem Angeklagten zwar psychopathische Züge, aber keine psychische Erkrankung. So war der 23-Jährige mit Beginn der Corona-Pandemie wie besessen davon zu erkranken und drangsalierte damit sein Umfeld. Es gibt keinen Anhaltspunkt für eine Traumatisierung durch Kriegs- und Fluchterlebnisse, die sich nach Ansicht des Gutachters aber in Verbindung mit paranoiden und narzisstischen Zügen in der Persönlichkeit des 23-Jährigen bringen lassen.
Für den Sachverständigen ist es kein Widerspruch, dass andere Bezugspersonen den Angeklagten als freundlich, aufgeschlossen und leistungsbereit charakterisieren. Der 23-Jährige hat in Deutschland einen Schulabschluss erreicht und eine Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen. „In einem eingeschränkten Bereich funktioniert etwas nicht bei ihm, das kann auf eine Persönlichkeitsstörung hindeuten“, so Meyer. Er bescheinigte dem Angeklagten einen Hang, Straftaten zu begehen, somit besteht auch eine Rückfallgefahr.
23-Jähriger braucht therapeutische Behandlung
Die große offene Frage sei die aktuelle Beziehung des Angeklagten mit einer Frau, mit der er ein gemeinsames Kind hat. Offiziell gibt es keine Angaben dazu, die Partnerin ist aber bisher zu jedem Prozesstag mit dem Baby angereist. Somit könnte es bei einer Verurteilung des 23-Jährigen auch darum gehen, dass die Kammer neben einer Freiheitsstrafe die Sicherungsverwahrung auf Vorbehalt gegen den Angeklagten verhängt. Eine Therapie in einer auf Sexualstraftäter spezialisierten Hafteinrichtung, wie sie der Vorsitzende Richter Folkmar Broszukat in den Raum stellte, befürwortete der Gutachter, damit der 23-Jährige seine Probleme bearbeiten kann.