„Wenn ich sehe, was da entsteht, und die Dimension meines Hauses betrachte, dann fühle ich mich ganz klein“, so Haag. Einen Schlag hätte es an jenem 7. April getan. Gewissermaßen ein Weckruf, denn seitdem hat sich die Wohnsituation der Haags komplett verändert. Am 28. April wurde ihr deutlich, was da auf sie zukommt. „An diesem Tag haben sie angefangen, zehn Meter hohe Pfeiler hinter unserem Haus aufzustellen“, erinnert sie sich. An der dortigen Nordseite entsteht eine Lagerhalle mit aufgesetzter Büroetage.
11,5 Meter hoch wird das Gebäude im Endausbau sein, wie Haag erfahren hat. Zwar kam die Prokuristin des Unternehmens mit Blumen vorbei, doch das entschädigt die Haags keineswegs. Zumal sie sich durch Äußerungen während des Gesprächs verschaukelt fühlen. „Uns wurde zugesagt, dass hinter unserem Haus alles frei bleibt, und auf den Bauplänen war nur ein Flachbau eingezeichnet“, erinnert sie sich. Falls durch die Baumaßnahme Schäden an dem Haus der Haags entstehen, würden die von Pall übernommen. Auf die versprochene schriftliche Zusage wartet Haag bis heute.
Mittlerweile hat sich Michaela Haag schlaugemacht und muss anerkennen, dass der Bau als solcher wohl rechtens ist. Das geht auch aus der Antwort des Bauamtes an unsere Zeitung hervor, die bürokratisch knapp ausfällt. „Das Gebiet für den Neubau der Immobilie ist laut Flächennutzungsplan der Stadt Bad Kreuznach als gewerbliche Baufläche ausgewiesen“, heißt es in der Presseerklärung des Bauamtes, und weiter: „Die Prüfung des im Dezember 2020 eingereichten Bauantrages erfolgte gemäß den gesetzlichen Vorgaben (Landesbauordnung Rheinland-Pfalz usw.). Der Nachbarschutz steht bei unseren Prüfungen immer ganz oben. Die Firma Pall bestätigte uns gegenüber, das Gespräch mit den Nachbarn zu suchen, was auch unter Federführung des Architekten bereits mindestens einmal geschah.“
Auf die Kritik von Michaela Haag, das Bauamt hätte sie zumeist nur hingehalten und wollte „viel Geld zur Akteneinsicht“, geht die Presserklärung des Bauamtes gar nicht erst ein. Noch zugeknöpfter als die Bad Kreuznacher Bauverwaltung in Sachen Öffentlichkeitsarbeit ist das Unternehmen selbst. Trotz mehrmaliger Versuche war kein Unternehmensvertreter bereit, gegenüber dem „Oeffentlichen“ eine Stellungnahme abzugeben. Dagegen zeigte sich Architekt Rainer Schmitt von der RS-Plan/AG in Bad Kreuznach deutlich auskunftsfreudiger. Schmitt unterstreicht, dass das Verfahren seinen gewohnten Verlauf genommen hätte.
Bei dem Gelände handelt es sich um ein Gewerbegebiet. Nachdem die Bauvoranfrage positiv beschieden wurde, wurde ein Bebauungsplan aufgestellt, der die Baugenehmigung zur Folge hatte. Die Nachbarn wurden erst während des Abrisses auf die Maßnahme aufmerksam. „Ich verstehe ja die Nachbarn, wenn da jahrelang keine Gebäude gestanden haben“, so der Architekt. De facto hätten in der Vergangenheit aber sehr wohl Gebäude dort gestanden. Der Mindestabstand zur Grundstücksgrenze wird laut dem Planer mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen drei Meter betragen. Auch die Lärmsituation wird sich verbessern, da die Halle Betriebslärm abschirmt.
Dass bei dem ersten Treffen mit Pall der falsche Plan gezeigt wurde, der nicht die Gebäudehöhen zeigt, kann sich Schmitt nur dadurch erklären, dass der Einrichtungsplan gezeigt wurde. Sorgen wegen der Belichtung müssten sich die Nachbarn nicht machen, da die Halle auf der Nordseite ihrer Gebäude entsteht. Dennoch findet Michaela Haag diese Aussichten nicht beruhigend. Denn künftig kann man auf das Grundstück und ins Badezimmer schauen. „Zudem sinkt der Wert unserer Immobilie“, merkt sie an.