Bis zu acht Windräder könnten sich künftig im Windpark Zollstock über Bad Sobernheim drehen. Das Genehmigungsverfahren läuft, doch aus Sicht der Initiative Soonwald geschieht bei dem Projekt zu viel unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das will die Gruppe ändern. Einerseits mit eigenen Rundgängen im Forst, andererseits mit der Forderung an die Kommunalpolitik in Stadt, Verbandsgemeinde und Kreis, eine Infoveranstaltung für die Bürger zu organisieren. Dazu sollten auch Vertreter des Betreibers RWE kommen, um das Projekt vorzustellen und auf die Bedenken der Bürger einzugehen, fordert Monika Kirschner-Ludwig, die sich gemeinsam mit einigen Mitstreitern gegen den Windradbau in Waldgebieten starkmacht.
Bürgerversammlung ist geplant
Der Bad Sobernheimer Stadtbürgermeister Roland Ruegenberg (WG Ruegenberg) hatte eine solche Infoveranstaltung vor einigen Wochen im Stadtrat angekündigt. Derzeit seien aber noch sehr viele Fragen offen, und die Akteure müssten einige Dinge klären, bevor ein Termin für solche Veranstaltung festgelegt werden könne, teilte er nun auf Anfrage mit.

Konkret plant der Investor RWE acht Windräder auf der Eignungsfläche nördlich der Stadt und südlich des Gewerbegebiets Pferdsfeld, links und rechts der Kreisstraße 20. Fünf der Anlagen sollen auf Bad Sobernheimer Grund errichtet werden, zwei auf Nußbaumer Gemarkung und eine auf Monzinger Gebiet. Die Planungen nennen eine Höhe von 165 Metern bis zur Gondel und einen Rotordurchmesser von 170 Metern, sodass die Anlagen mit den Rotorblattspitzen auf eine Gesamthöhe von rund 250 Metern kommen. Unmittelbar neben drei der geplanten Windräder grenzt der Heil- und Aktivwald, den die Stadt 2023 für Ruhesuchende, Naturliebhaber und Familien eröffnet hatte.

Zu einem ersten Rundgang im Wald ab dem Parkplatz Zollstock, zu dem die Initiative Soonwald eingeladen hatte, waren rund 50 Personen gekommen. Nur einen Steinwurf vom Parkplatz Zollstock entfernt konnten sie schon die Markierung anschauen, die den Standort des ersten Windrads kennzeichnet. Den mit der Aufschrift „WEA“ versehenen Pfosten zeigten Monika Kirschner-Ludwig, Annerose Renner-Fey und Gerlind Melsbach auch bei einem Rundgang mit dieser Zeitung.
Gefährden Windräder das Naherholungsgebiet?
„Wir sind geschockt, dass die Stadt in dem wichtigen Naherholungsgebiet Windräder bauen und alles zerstören will“, sagt die Bad Sobernheimerin Renner-Fey. Zum Bau müssten Schneisen in den Wald geschlagen werden und auch dauerhaft Trassen freigehalten werden, die die Waldflächen zerschneiden. Die Struktur des Waldbodens werde dauerhaft zerstört. Der Zollstock-Windpark sei darüber hinaus zu kritisieren, weil er den für Tourismus und Naherholung wichtigen Heil- und Aktivwald mit seinen Erholungsangeboten zwei Jahre nach dessen Eröffnung in Gefahr bringe. Außerdem habe der Wald am Zollstock mit seinen Moospolstern eine wichtige Schwammfunktion für die Wasserversorgung der Stadt und den Hochwasserschutz. Hinzu komme der Einfluss des Waldes auf die Frischluftqualität in der Felkestadt, die den Bad-Titel verlieren könnte.

„Wir werden dann an diesem Picknicktisch unter den Rotorblättern sitzen“, sagt Kirschner-Ludwig auf dem Parkplatz Zollstock, der Startpunkt für den Heil- und Aktivwald ist. „Dieses Projekt hier ist ein besonders absurdes Beispiel eines nicht mehr vermittelbaren Nutzungswiderspruchs“, sagt sie. Auch angesichts der Tatsache, dass die Windhöffigkeit des Windparks „grenzwertig niedrig“ sei.
Zugleich betont die Stombergerin, die sich seit Jahren gegen Windanlagen im Soonwald engagiert, dass sie keinesfalls gegen Windkraft an sich sei. Aber eben gegen Windräder im Wald. Es gebe genügend andere geeignete Standorte, die nicht in die Wälder eingreifen. „Diese Position vertritt die Initiative seit Jahren und es gibt auch keinen Wissenschaftler, der Wald als Standort für Windräder für sinnvoll hält.“ Dies gelte insbesondere für Bewaldung wie im Stadtforst, in dem es wertvolle Buchen- und Eichenbestände gibt und kulturhistorisch bedeutsame Hügelgräber.

Die Sobernheimerin Gerlind Melsbacher betont: „Die Öffentlichkeit ist nicht ausreichend informiert, die Genehmigungsprozesse sind äußerst kompliziert und welche Möglichkeiten des Einspruchs es gibt, müsste transparenter dargestellt werden.“ Sie kritisiert zudem, dass die Windparkplanung in der Region Stückwerk sei und es keine Karte gebe, auf der alle geplanten Projekte VG-übergreifend dargestellt werden. Denn es seien derzeit im Kreis Bad Kreuznach und darüber hinaus sehr viele Projekte parallel in Planung. „Das ist in der Summe zu viel, die Energiewende muss daher von der Kommunalpolitik aktiv gemanagt werden.“
Bund und Land wollen Ausbau zügig vorantreiben
Tatsächlich ist es Wille von Bund und Land Rheinland-Pfalz, den Windradausbau in Deutschland zügig voranzutreiben, um die Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen zu reduzieren und den Klimawandel auszubremsen. Daher sind nun auch Windmühlen in Waldgebieten erlaubt und 2024 wurden die Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt. In Rheinland-Pfalz sind bei künftigen Projekten statt der Kreisverwaltungen die Struktur- und Genehmigungsdirektionen (SGD) zuständig.
Für das Gebiet der früheren Verbandsgemeinde Bad Sobernheim gibt es seit 2023 einen gültigen Flächennutzungsplan, den der Verbandsgemeinderat Nahe-Glan nach längeren Diskussion mit deutlicher Mehrheit beschlossen hatte. Er sieht 5,8 Prozent des Gebiets für Windradnutzung vor. Der Teilplan Windenergie weist insgesamt elf Eignungsgebiete aus, davon vier mit einer Fläche zwischen 20 und 30 Hektar und sieben mit einer Fläche von mehr als 30 Hektar. Eine dieser Flächen ist das Zollstock-Areal.

Zielvorgabe aus Mainz sind laut der Initiative Soonwald 2,2 Prozent der Landesfläche, die bis 2032 für den Windkraftausbau zur Verfügung gestellt werden müssen, und immerhin zwei Prozent der Waldfläche. Aus Sicht von Kirschner-Ludwig ist der in der VG Nahe-Glan vorgesehene Wert daher viel zu hoch. Rechne man die zusätzlich geplanten Parks mit Freiflächen-Photovoltaik ein, würden künftig acht Prozent der Flächen für Energiegewinnung genutzt. Diese Übererfüllung sei nicht vermittelbar, die gewachsene heimische Kulturlandschaft werde zu einer Industrielandschaft, um die großen Städte mit Energie zu versorgen, kritisiert sie.
Gutachten im Genehmigungsverfahren notwendig
Ob und wie die elf Eignungsflächen mit Windkraftanlagen bebaut werden, ist mit dem Flächennutzungsplan indes noch nicht festgelegt. Das entscheidet sich erst in den Genehmigungsverfahren für jedes einzelne Projekt. Dazu gehören, wie in solchen Baugenehmigungsverfahren üblich, auch Umwelt- und Naturschutzprüfungen – und im Fall des Windparks Zollstock ein Gutachten zu den Auswirkungen auf die in der Nähe befindlichen Brunnen der VG-Werke. Im Haushalt der finanziell klammen Stadt Bad Sobernheim sind die Einnahmen durch die fünf geplanten Windräder auf städtischem Grund bereits fest ab 2026 eingeplant: Mehr als eine Million Euro pro Jahr werden erwartet, die der Stadt neuen finanziellen Spielraum geben werden.
Kreis rechnet mit Entscheidung bis Mitte 2025
Für den Windpark Zollstock ist noch die Kreisverwaltung als Genehmigungsbehörde zuständig. RWE habe bei der Unteren Immissionsschutzbehörde einen Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Bau und Betrieb des Windparks gestellt, teilt Kreis-Pressesprecherin Simone Mager mit. „Mit diesem Antrag wurden alle erforderlichen Dokumente eingereicht, um betroffene öffentliche Belange, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen, die von den Anlagen ausgehen könnten, prüfen und bewerten zu können.“ Zudem wurden im Verfahren alle Fachbehörden beteiligt, deren Zuständigkeitsbereich typischerweise von der Errichtung und dem Betrieb von Windenergieanlagen berührt sei. „Ein Ermittlungsdefizit in Bezug auf die Umwelteinwirkungen der geplanten Anlagen ist folglich nicht zu befürchten.“ Das Genehmigungsverfahren befinde sich derzeit noch in der Prüfungsphase. Mit einer Entscheidung über den Antrag sei voraussichtlich im Verlauf des ersten Halbjahres 2025 zu rechnen, so Mager. sjs