Nein! Doch! Vielleicht? Das Thema Windkraft erhitzt in der Verbandsgemeinde (VG) Rüdesheim weiter die Gemüter (wir berichteten). Hatte die VG neue Windräder lange kategorisch abgelehnt, kam vor Kurzem die Kehrtwende. Insgesamt rund 850 Hektar, aufgeteilt in mehreren Flächen, stehen auf dem Gebiet der 32 Gemeinden unter VG-Chef Markus Lüttger (CDU) zur Diskussion. Nun wollte sich die CDU-Fraktion der VG im Sponheimer Wald ein Bild der aktuellen Lage machen, denn die hat sich zuletzt wieder verkompliziert.
„Wir schwimmen in sehr trübem Wasser“, fasst Lüttger mit Blick auf die neuen Regelungen vor rund 15 Christdemokraten zusammen. CDU-Fraktionschef im VG-Rat Rainer Link schätzt ein: „Die Bevölkerung versteht das nicht mehr.“ Worum geht es?
Weniger Abstand, höheres Alter
Für eine Vergrößerung der potenziellen Flächen sorgte zuletzt die Landesregierung, denn sie hatte den einzuhaltenden Abstand zwischen neuen Windrädern und Siedlungsgebieten von bisher 1000 Metern auf 900 Meter reduziert. Auch gelten nun erst mehr als 120 Jahre alte Bäume (zuvor: 100 Jahre) als alt, wie Lüttger erläutert. „Das hat in der VG viele Flächen geöffnet.“
Für Skepsis sorgt seit Kurzem eine neue EU-Verordnung, die die Artenschutzprüfung bereits in die Planungsphase (vorher: Genehmigungsphase) verlegt. Dadurch könnten aus den 850 Hektar nur die Hälfte oder ein Drittel als Potenzialfläche für Windenergie infrage kommen, wie Lüttger erklärt.
Waldböckelheim schmettert gemeinsame Vermarktung ab
Die Ortsgemeinde Waldböckelheim möchte seine potenziellen Windkraftflächen nicht über die Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR, siehe Infokasten rechts) gemeinsam mit der VG Rüdesheim vermarkten. Das hat der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung mit großer Mehrheit beschlossen.
Dem klaren Nein zum Vorstoß von VG-Chef Markus Lüttger war keinerlei Diskussion vorangegangen. Die Gemeinde hat mit ihrem Gemarkungsanteil am Zollstock eine Fläche für Windkraft und will das Thema weiterhin in Eigenregie vorantreiben. mki
Das Problem: „Die letzte Prüfung des Artenschutzes in den Waldgebieten der VG ist zwischen 8 und 13 Jahre alt.“ Inzwischen hätten sich die Prüfkriterien verändert. Wie Beigeordneter Heinz-Martin Schwerbel verrät, kostet die Artenschutzprüfung der VG-Fläche ein bis zwei Millionen Euro. Die Kosten müssten die sogenannten Projektierer zahlen, also die Entwickler und Unternehmen, die ein Windkraftprojekt von der Planung bis zum Betrieb der Anlage betreuen.
Lüttger ist gegen Alleingänge
Lüttger zeigt sich von der Idee überzeugt, die rund 850 Hektar der VG besser gemeinsam in einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) zu vermarkten. So wolle man verhindern, dass jede Gemeinde selbst mit Projektieren in Verhandlungen geht. Die AöR hätte den Vorteil, dass nur ein Gesellschafter die Interessen der Gemeinden vertritt, meint Lüttger. Waldböckelheim hat dem Beitritt zur AöR zuletzt eine Absage erteilt .
Gemeinden mit Windkraftflächen erhalten durch die Vermarktung Pachteinnahmen. „Vorsicht, da klingeln bei vielen jetzt die Dollarzeichen“, meint Lüttger beim Treffen unter dem Motto „Fraktion vor Ort“. Wenn es nach ihm geht, werden mithilfe des Solidarpaktes 75 Prozent des Profits innerhalb der VG verteilt.
VG will Anstalt des öffentlichen Rechts gründen
Die VG Rüdesheim will die potenziellen Windkraftflächen der betroffenen zehn Gemeinden (Bockenau, Braunweiler, Dalberg, Duchroth, Oberhausen, Sommerloch, Sponheim, Waldböckelheim, Wallhausen und Weinsheim) gemeinsam in einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) vermarkten (wir berichteten). Der VG-Rat hat die Gründung auf Vorstoß von VG-Chef Markus Lüttger (CDU) bereits beschlossen.
Die Anteilsverteilung in der AöR zwischen Verbandsgemeinde und Ortsgemeinde soll mit 75 Prozent zu 25 Prozent vereinbart werden. Der sogenannte Solidarpakt soll gewährleisten, dass auch die restlichen 22 Gemeinden ohne Potenzialflächen über den Anteil der VG entsprechend an den Einnahmen beteiligt werden können. Wallhausen hat sich der AöR angeschlossen, die Zusage anderer Gemeinden mit Potenzialflächen steht derzeit noch aus. mki