Tiere sind oft krank
Oft geht es den wilden Katzen schlecht, sie leiden unter Würmern und Parasiten, haben Infektionen wie Katzen-Aids, Wunden von Revierkämpfen und Fehlbildungen durch Inzucht. Und weil allzu viele Besitzer von Freigänger-Hauskatzen ihre Tiere unkastriert und unsterilisiert in der Gegend herumstreichen und sich mit den verwilderten Artgenossen paaren lassen, gibt es alle paar Monate unerwünschten Nachwuchs – so dass sich die Tierleidspirale immer und immer weiter dreht. Abgesehen davon, dass eine wachsende Zahl an Wildkatzen eine Bedrohung für die Vogelpopulation darstellt.
Aus Sicht von Baumgartl-Simons, die sich seit vielen Jahren mit dem Thema beschäftigt, ist es an der Zeit, mehr gegen das Problem zu tun als bisher. Sie hat versucht, einen Überblick über die Zahl der verwilderten Katzen in der VG zu gewinnen. Dafür hat sie die Tierärzte, das Kirner Tierheim, die vielen Tierschutzvereine und unzählige Privatleute kontaktiert, die sich an Nahe und Glan um verwilderte Fundtiere kümmern.
Die Daten zeigen, dass die Zahlen steigen. Trotz jahrelanger Bemühungen, wilde Katzen und ihre Nachkommen zu kastrieren, wann immer es möglich ist und wann immer sie eingefangen werden können. Letzteres kann mitunter eine Herausforderung sein. 2021 landeten auf diese Weise 94 Katzen und 103 Kitten zur Kastration bei den Organisationen, 177 unkastrierte Fundtiere mussten versorgt werden. Für 2017 nennt ihre Erhebung nur 78 Katzen und 38 Kitten sowie 129 zu versorgende Fundkatzen. „Die Dunkelziffer lässt sich dabei nicht einmal annähernd schätzen, aber der Faktor dürfte erheblich sein“, sagt sie.
Zahlen sind 2023 gestiegen
Und die Zahlen steigen weiter: So berichtet der Katzenschutzverein Bad Kreuznach für 2023 bei den frei lebenden Katzen von einer Steigerung von bis zu 20 Prozent. „Wir bekommen Hilferufe, wo Mutterkatzen mit gleich vier bis sechs Kitten gefunden wurden“, beschreibt die Vorsitzende Carmen Stoy in der Befragung. Leider könne man aus Kostengründen viele nicht kastrieren und aus Platzgründen nicht alle aufnehmen.
Hinzu kommt laut Baumgartl-Simons ein weiteres Problem: „Verwilderte Katzen lassen sich ab einem bestimmten Alter nicht mehr zähmen“. In diesen Fällen werde versucht, sie zu kastrieren und wieder am Fundort auszusetzen.
Selbst dann, wenn die Katzenretter den Eindruck haben, die Lage endlich in den Griff bekommen zu haben wie jüngst in Kirschroth, kann sich die Situation schnell wieder drehen. Noch im November 2023 konnte Jessica Kaster, die sich seit drei Jahren mit mehreren Mitstreiterinnen um die verwilderte Katzenpopulation im Dorf kümmert, melden, dass es dort seit Jahren erstmals keine neuen Streunerkitten gab. Zuvor waren immer wieder Jungtiere aus immer neuen Würfen gefunden und kastriert worden, insgesamt 21 in den Jahren 2021 und 2022.
Parallel wurde im Ort ein Katzenkataster angelegt, in dem alle gechippten Hauskatzen verzeichnet wurden. Leider währte die Freude in Kirschroth über die kittenfreie Zeit nicht lange. „Inzwischen gibt es wieder fünf neue Jungtiere“, sagt Kurt Simons, der sich ebenso wie Ehefrau Christiane seit vielen Jahren in der Katzenhilfe engagiert. Ihn überrascht das nicht. Denn solange fortpflanzungsfähige Hauskatzen frei herumlaufen dürfen, oder gar ausgesetzt werden, und draußen auf fortpflanzungsfähige Pendants treffen, kommen pro Muttertier jedes Jahr zwei Würfe mit jeweils vier bis sieben Tieren neu dazu.
Beide wünschen sich deshalb mehr Problembewusstsein bei den Katzenhaltern. Zwar sind nach Erhebungen des Deutschen Tierschutzbundes bis zu 90 Prozent der Freigänger-Hauskatzen kastriert. Aber zehn Prozent eben nicht – und das reicht, um die Spirale immer wieder aufs Neue anzutreiben.
Hohe Kosten belasten Helfer
Hinzu kommt, dass bei Tierschutzorganisationen und den engagierten Privatleuten die Mittel begrenzt sind, um für Futter und die hohen Kastrationskosten der verwilderten Tiere aufzukommen. Bis zu 100 Euro stehen dafür bei einem Kater auf der Rechnung, sogar bis zu 230 Euro für eine Kätzin.
Aus Sicht von Fachleuten gibt es nur eine Lösung, um die Plage durch verwilderte Katzen einzudämmen: Eine Katzenschutzvorordnung. Sie schreibt Haltern von Freigängermiezen vor, ihre Tiere zu kastrieren, sofern sie nicht für die Zucht vorgesehen sind, und die Katzen zugleich zur Nachverfolgung chippen zu lassen.
Katzenschutzverordnungen in Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz sind für Katzenschutzverordnungen die Verbandsgemeinden und Städte zuständig. Die erste Verordnung im Land hatte 2017 als Vorreiter die Verbandsgemeinde Brohltal erlassen. Seither sind laut Christiane Baumgartl-Simons elf Verbandsgemeinden und eine ganze Reihe von großen und kleinen Städten im Land nachgezogen – mit guten Erfahrungen. Ziel der Verordnungen ist es, durch eine Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Freigänger-Hauskatzen den Vermehrungskreislauf zu stoppen. Katzen und Kater von Privatleuten dürfen dann nur noch ins Feie, wenn sie mit einem Mikrochip gekennzeichnet und kastriert sind. Dadurch werden nicht nur unerwünschte Trächtigkeiten verhindert, sondern Fundkatzen können schnell an ihre Besitzer zurückgegeben werden oder aber, falls nicht gechippt, als herrenlose Tiere sofort kastriert und in ein Zuhause vermittelt werden. Für Zuchtkatzen gibt es in den Katzenschutzverordnungen Ausnahmen von der Kastrationspflicht, sofern die Besitzer die Kontrolle und Versorgung der Kitten nachweisen können. sjs