. Ganze 110 Zuhörer haben sich am vergangenen Donnerstagabend im Gemeindezentrum der evangelischen Matthäusgemeinde eingefunden, um Steffen Kaul über die Geschichte des Kaufhofs in Bad Kreuznach erzählen zu hören. Begleitet wurde dies vom Akkordeonorchester der Gemeinde.
Geschichte der Kaufhof AG: Von Stralsund nach Bad Kreuznach
Steffen Kaul berichtet zunächst über die Erfolgsgeschichte von Leonard Tietz, geboren 1849 im heutigen Polen. 1879 eröffnete Tietz in Stralsund ein modernes Textiliengeschäft, auf größerer Ladenfläche und weitreichendem Sortiment. Sein Unternehmergeist führte zur schnellen Expansion und der Eröffnung weiterer Filialen in ganz Deutschland.
Die Warenhauskette Tietz war 1905 die erste ihrer Art an der Börse. Nach Leonard Tietz‘ Tod 1914 übernahmen seine Söhne das Unternehmen. Ab 1920 wurde es umbenannt in Westdeutsche Kaufhof AG. Auch in Bad Kreuznach eröffnet eine Filiale, die im Zweiten Weltkrieg jedoch wegen des jüdischen Erbes der Inhaber durch Nazi-Propaganda boykottiert wird und schließen muss.
Parallel begann August Krämer, Kurdirektor von Bad Kreuznach, den Bau eigener Kaufhäuser in Bad Kreuznach und Mainz. Er kaufte im Jahr 1913 das Geschäft in der Mannheimer Straße 152 und verlagerte auch das Spielwarengeschäft „Die Puppenfee“ seiner Frau dorthin. Das Kaufhaus Krämer Puppenfee florierte und wurde mehrfach erweitert, bis beide Filialen 1945 zerbombt wurden. Sobald Krämer selbst aus dem Krieg zurückkehrte, begann er den Wiederaufbau seines Bad Kreuznacher Geschäfts, welches 1947 wieder eröffnete und 1950 in Richtung Klostergasse erweitert wurde. Zu dieser Zeit waren 150 Personen beim Kaufhaus Krämer beschäftigt: Laut Kaul bediente eine Verkäuferin bis zu 500 Kunden am Tag.

Im Jahr 1965 kaufte die Kaufhof AG von Tietz das Kaufhaus Krämer und begann einen aufwendigen Neubau mit Tiefgarage in der Innenstadt. Zur selben Zeit begann der Konzern Michelin in Kreuznach eine Niederlassung zu bauen. Wegen der Flutgefährdung durch die Nahe musste für den Fabrikbau viel Grund aufgeschüttet werden: Der Aushub des Kaufhofs kam gelegen. Unter dem noch immer leicht erhöhten Hof der Michelin liegen somit die Überreste des alten Kaufhauses Krämer.

Am 29. September 1966 eröffnete der Kaufhof sein 14 Millionen D-Mark teures Gebäude. Über vier Etagen erstreckte sich das Angebot von Waren im Wert von einer Million D-Mark. Zu erreichen waren die unterschiedlichen Etagen zunächst nur über die Treppen des Parkhauses – erst später werden die Rolltreppen verbaut. Kaul erinnert sich, welche Anziehungskraft diese Rolltreppen auf ihn als Kind hatten. Der Kaufhof beschäftigte zu diesem Zeitpunkt ganze 400 Mitarbeiter.
Der Galeria Kaufhof heute
2008 wurde die Kaufhof Warenhaus AG zu Galeria Kaufhof. Ab 2015 befindet sich der Galeria-Konzern in amerikanischen Händen: erst Teil der Hudson’s Bay Company, dann von Signa Holding. Unter dieser Eigentümerschaft tritt der Konzern als Galeria Karstadt Kaufhof GmbH auf. Mehrere Insolvenzverfahren führen zur Schließung von neun Filialen, doch der Bad Kreuznacher Kaufhof blieb bestehen. Dieses Jahr kann er auf 60 erfolgreiche Jahre in der Bad Kreuznacher Innenstadt zurückblicken. Steffen Kaul schließt seinen Vortrag damit, dass trotz des steten Wandels, der alter Kreuznacher immer noch sage: „Ich geh emmo bei die Puppefee.“