A rmut ist etwas, was in Deutschland nicht mehr viele Menschen kennen – zum Glück. Trotzdem gibt es sie, und sie hat massive Auswirkungen. Die Tafeln im Kreisgebiet ächzen unter der starken Nachfrage, Menschen flüchten aus Krisen- und Kriegsregionen, und das wiederum hat Folgen auch bei uns. Dieser Tage ist in der Naheregion nicht alles so leicht, wie es manchmal scheint.
Aufatmen: Afghane in Haft

Der aggressive Afghane, der lange Zeit für Unruhe, sogar Angst in Windesheim gesorgt hat, sitzt in Abschiebehaft. Durch die Gemeinde dürfte ein Aufatmen gehen. Vor dem Hintergrund des tödlichen Messerattentats von Aschaffenburg am 22. Januar hatte die Anwesenheit des gewaltbereiten Flüchtlings im Dorf für Unsicherheit gesorgt. Was lange währt, wird nun also endlich gut? Bereits im November hatte sich Landrätin Bettina Dickes an das Integrationsministerium in Mainz gewandt. Damals hieß es, das Ministerium habe die zuständigen Stellen gebeten, schnell eine Abschiebung einzuleiten. Fünf Monate später wird der Mann nach Ingelheim gebracht. Keine Frage: Das dauert zu lange und ist für die Windesheimer eine Zumutung. Allerdings ist es das auch für die Menschen, die in der Notunterkunft leben. Ihr guter Ruf wird unberechtigterweise durch einen aggressiven Landsmann beschädigt. Man sollte in Zeiten wie diesen niemals vergessen: Zuvor ist kein Flüchtling in der Windesheimer Notunterkunft jemals auffällig geworden. Zugleich ist in Fällen wie dem des Afghanen schnelleres Handeln angesagt. Damit man denen keinen Fußbreit lässt, die nicht nur einen Politikwechsel wollen, sondern in Wirklichkeit einen Systemwechsel anstreben – der auf Kosten der Demokratie und Menschlichkeit geht.
Traurig: Kriegsschicksale
Rassistisches und antisemitisches Gedankengut haben Deutschland bereits einmal in eine unfassbare Katastrophe geführt. Diese dunkelsten Zeiten deutscher Geschichte beleuchteten wir kürzlich im Bericht „Kriegsende in Eckweiler“ der Kollegin Silke Jungbluth-Sepp vom 20. März. Eckhard Schlarb aus Meddersheim hat darauf mit Betroffenheit reagiert – auch, weil seine Vorfahren unter dem Naziregime gelitten haben. Die Schilderung des befehlsbesessenen, endsieggläubigen Dorf-Kommandeurs im Artikel habe vollkommen in das Bild der NS-Zeit gepasst – und sei kein Einzelfall gewesen. Aus einem Nachbardorf ist ihm von seiner Patentante eine Begebenheit mit dem dortigen Ortsgruppenleiter berichtet worden. Der hatte sich beim Einmarsch der Amerikaner die Identität eines desertierten Landsers „ausgeliehen“ und sich als einfacher Soldat gefangen nehmen lassen. Er sei im Gefangenenlager in Frankreich dann jedoch auf genau den verhassten Bauern aus seinem Heimatdorf getroffen, den er denunzierte, weil dieser sich für einen geistig behinderten Mitbürger eingesetzt hatte – dieser Bauer war der Vater von Eckhard Schlarbs Patentante. „Er hatte seinen Widersacher nicht verraten, da er nach dem Grundsatz lebte: Wenn die anderen Verbrecher sind, muss ich das nicht auch sein“, berichtet Schlarb. So ähnlich sei es auch im Falle seiner Familie mütterlicherseits in einem anderen Dorf gewesen. „Der Opa, Jahrgang 1890, schwerversehrter Veteran aus dem Ersten Weltkrieg, wurde wegen eines fehlenden Hitlerbildes im Haus 1944 zu Schanzarbeiten an den Westwall gezwungen.“ Der Opa kam im Spätwinter 1945 mehr tot als lebendig zurück. „Ich habe meine Großeltern kaum jemals lachen gesehen“, erzählt Schlarb.
Hell: Mond über Roxheim

Kommen wir zu den etwas leichteren Themen und Fragen unserer Zeit – auch wenn sie das nur relativ gesehen sind. Denn hohe Stromkosten sind wahrlich kein Spaß. Doch manchmal kann man trotzdem etwas Lustiges darin sehen, so wenn der leuchtende Vollmond über Roxheim die Hochspannungsleitung zu berühren scheint. Horst Seefeldt aus Bretzenheim fotografierte den schön leuchtenden Mond. „Beim Anblick dieses Fotos muss man sich doch die Frage stellen: Wer versorgt hier wen mit Energie?“, schreibt er uns. „Zieht der Mond seine Strahlkraft aus der Überlandleitung am Roxheimer Birkenberg – oder haben etwa die Roxheimer den Mond angezapft?“ Handelt es sich hier also um Mond- statt um Sonnenenergie, die Roxheim klugerweise abzapft? Was spart Roxheim ein, wenn die Energie sozusagen im Schlaf gewonnen wird – und was kann es sich leisten, wenn die Energiekosten sinken? Fragen über Fragen. Seefeldt mutmaßt scherzhaft, dass in der Gemeinde durch einen guten Draht zum Leuchtmittel am Nachthimmel einige Nebenstraßen saniert werden konnten. Ob das stimmt, weiß wahrscheinlich nur der Mann im Mond.
Anstehen: Warten an Tafel

Die Bad Kreuznacher Tafel in der Baumgartenstraße ist stark nachgefragt. So stark, dass schon Leute abgewiesen werden mussten und es immer noch eine Warteliste gibt, wenn sie auch kürzer geworden ist. Leiterin Daniela Essler und ihr Team versorgen rund 400 Haushalte mit insgesamt 850 Personen. Als Anfang 2022 aus der Ukraine viele Frauen und Kinder flüchteten, wurden in der Baumgartenstraße zeitweise 1200 Menschen versorgt. „Das schaffen wir aber nicht auf Dauer“, sagt Essler. Zumal auch die Lebensmittelspenden geringer werden. „Das liegt an einem veränderten logistischen System in den Supermärkten und einem geänderten Einkaufsverhalten. Fast abgelaufene Lebensmittel sind vielfach reduziert und werden von den Kunden gern gekauft.“ Damit auch Neuzugänge eine Chance haben, werden Bürgergeldbezieher für ein halbes Jahr aufgenommen. Danach können sie sich wieder anmelden. Diese Regelung gilt aber nicht für Alleinerziehende oder Rentner. Immer mal wieder schauen auch Politiker bei der Tafel vorbei: Der SPD-Landtagsabgeordnete Michael Simon half kürzlich bei der Lebensmittelausgabe mit. „Armut in einem trotz aller Probleme reichen Land ist für mich ein unerträglicher Zustand“, sagt er.