Der Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Bad Kreuznach/Birkenfeld Joe Weingarten (SPD) hat sich für Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten seiner Partei ausgesprochen – und ist damit der erste Bundestagsabgeordnete, der auch öffentlich Stellung bezieht.
„Der Spiegel“ hatte am Samstag über eine Sitzung des Seeheimer Kreises, dem konservativen Flügel der SPD, berichtet, in der Weingarten sich intern für Verteidigungsminister Pistorius ausgesprochen habe. Scholz sei bei den Leuten „unten durch“, wird Weingarten zitiert. Diese Wortwahl bestätigt Weingarten am Sonntagnachmittag gegenüber unserer Zeitung nicht, aber er wiederholt seine Forderung: „Ich halte Boris Pistorius für den besseren Kanzlerkandidaten.“ Er sei glaubhaft, tatkräftig und er scheue sich nicht, unangenehme Wahrheiten auszusprechen, wenn es notwendig sei, so Weingarten.
Dritte plaudern aus vertraulicher Sitzung
Wenn Dritte aus vertraulichen Sitzungen plauderten, sei das zwar ärgerlich, es sei aber sinnlos, die eigenen Aussagen zu leugnen, erklärt Weingarten. Er kenne innerhalb der Partei viele, die ähnlich denken würden. Er habe es vorgezogen, das zunächst intern anzusprechen.
Auch in seinem Wahlkreis höre er immer wieder von den Leuten, dass die SPD nur ohne Olaf Scholz wählbar sei. „Viele sagen, dass wir mit Pistorius als Kanzlerkandidat wieder wählbar seien.“ Das seien keine einzelnen Stimmen, sondern die Meinung, die er fast immer zu hören bekäme. Das Feedback auf seine Fürsprache für Pistorius sei bislang einhellig positiv ausgefallen.
Dass die Diskussion bei der SPD nur schwer in Fahrt komme – bis jetzt – erstaune ihn aber nicht. „So eine Situation hatten wir noch nie. Parteien tun sich mit so etwas schwer“, verweist er auf die gleichen Probleme, die beispielsweise die Demokraten in den USA hatten, als sie Joe Biden durch Kamala Harris ersetzten.
Weingarten fordert sofortige Gespräche
Die von CDU-Parteichef Friedrich Merz suggerierte CDU-Dominanz bei den Bundestagswahlen im Februar sieht Weingarten nicht. „Das ist ein CDU-internes Thema. Ich höre draußen bei den Leuten andere Dinge. Aber auch wir müssen uns hinterfragen“, so Weingarten.
Er selbst empfinde den Prozess auch als schmerzhaft, aber er sei notwendig. „Olaf Scholz hat viel Gutes bewirkt. Er hat uns durch die Energiekrise gelotst und für die Unterstützung der Ukraine gesorgt, ohne uns in den Krieg zu ziehen“, lobt Weingarten. Nun müsse aber ein Wechsel her. Die SPD werde derzeit unter Wert gehandelt. Er wünsche sich, dass die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken gemeinsam mit Scholz und Pistorius Gespräche aufnähmen – „und eine Entscheidung treffen und verkünden“, so Weingarten.
Er geht davon aus, dass die Diskussion nun Fahrt aufnimmt. „Da bin ich sehr sicher, dass nun Dinge in Bewegung geraten“, hofft Weingarten.