Bad Kreuznach. Ein dicker Aktenordner mit Unterlagen zum Projekt „Neues Stadthaus“ liegt seit Spätsommer beim Landesrechnungshof – zur Prüfung. Oberbürgermeister Andreas Ludwig (CDU) will von der „neutralen Instanz“ die Frage beantwortet wissen, ob es Sinn macht, weiter Geld in die sieben städtischen, sanierungsbedürftigen Verwaltungsgebäude zu investieren, oder ob der Neubau eines Stadthauses günstiger kommt. Als Entscheidungshilfe wurde eine Bestandsanalyse der bestehenden Gebäude erstellt.
Besonders schlimm ist es um den Zustand des Casino-Gebäudes im Brückes 1 bestellt. Es gibt Risse im Dachgeschoss, das Dach ist undicht, es regnet rein. „Die Mitarbeiter haben Angst, dass ihnen das Dach auf den Kopf fällt“, so der OB, beruhigt aber zugleich: „Eine akute Gefahr besteht nicht.“ Gleichwohl beziffert er allein hier die Sanierungskosten auf eine halbe Million Euro. „Dann haben wir aber noch keine Verbesserung“, sagt Ludwig. „Eine halbe Million für nichts ausgeben?“ Das macht aus seiner Sicht keinen Sinn. In vielen der anderen Gebäude (Stadthaus, Jugendamt, Baracke am VfL-Parkplatz, Ordnungsamt am Eiermarkt und Bauverwaltung in der Viktoriastraße) sieht es kaum besser aus. Die zweite große Baustelle aber ist das Ordnungsamt, das für seine Zwecke, gerade wegen des Publikumsverkehrs, ungeeignet ist. Die Räume, in denen das Sozialamt untergebracht ist, sind gemietet.
Barrierefrei ist außer dem Erdgeschoss im Stadthaus keines der Gebäude. Ohne riesigen Aufwand ist das auch nicht zu machen. Selbst ohne dies geht Hauptamtsleiter Matthias Heidenreich von einem Sanierungsbedarf im zweistelligen Millionenbereich aus. Das ist es aber nicht allein: Schon die Unterhaltungskosten der sieben Gebäude liegen bei knapp 200 000 Euro jährlich. Dazu zählt neben Heizung, Strom und Wasser vor allem die bauliche Unterhaltung. Sie macht mit 102 517 Euro mehr als die Hälfte der Gesamtkosten aus.
Alles Argumente, die laut Ludwig und Heidenreich für einen Neubau sprechen. Um dabei erst gar nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, die Verwaltung wolle die Zahlen schönfärben, soll der Landesrechnungshof zu beiden Varianten Stellung beziehen. Heidenreich hofft, noch in diesem Jahr eine Antwort zu bekommen. Zudem, so Ludwig, müsse man schon fragen, wie denn eigentlich die Verwaltung der Zukunft aussehen solle. Beide versprechen sich von einem Zusammenlegen weitere Synergieeffekte und kürzere Wege. So ist heute der Bote jeden Tag bis zu vier Kilometer zwischen den einzelnen Gebäuden unterwegs.
Bleibt bei einem Neubau die Standortfrage: Bewusst habe man die Option eines Umzugs in den Gewerbepark General Rose fallen lassen, eine zweite Idee in Bahnhofsnähe ebenfalls verworfen, betont Ludwig. Er will an der fast 200 Jahre alten Tradition des Stadthauses in der Altstadt festhalten. Alles andere wäre ein falsches Zeichen, ein peripherer Standort setze nicht den richtigen Akzent, findet er. „Wir suchen eine Lösung, in die sich das Casino und das heutige Stadthaus einbinden lassen.“
Der Plan mit dem Telekomgebäude in der Poststraße hat sich zerschlagen, und für die Stadt war es ohnehin am naheliegendsten, stadteigenes Gelände wie den VfL-Parkplatz zu nutzen, statt ein Grundstück für viel Geld kaufen zu müssen. Der Parkplatz hat allein eine Fläche von 3000 Quadratmetern, das gesamte Areal eine Größe von fast 10 000 Quadratmetern.
Der dritte Baustein ist ein Nutzungskonzept für ein neues Rathaus. Heidenreich kalkuliert mit einer Nutzfläche von 8000 Quadratmetern. Ferner müsse darüber nachgedacht werden, welche Zuschüsse es gibt und wie viele Büros gebraucht werden. Bauen könnte ein Privatinvestor, denkbar ist aber auch, dass eine städtische Gesellschaft als Bauherr fungiert. Die Stadtverwaltung würde als Mieterin einziehen. Im Erdgeschoss könnten Restaurant, Lebensmittelmarkt oder Ähnliches Platz finden, im Keller eine Tiefgarage angelegt werden.
Was geschieht mit den jetzigen Verwaltungsgebäuden? Jugendamt und Baracke müssten abgerissen werden, das Ordnungsamt (erbaut 1862; Hauptnutzfläche 526 Quadratmeter) und die Bauverwaltung (erbaut 1878; Hauptnutzfläche 1369 Quadratmeter) sollen verkauft werden. Für das Verwaltungsgebäude am Eiermarkt kann sich Ludwig eine Nutzung durch Gastronomie, Hotel und/oder Wohnen vorstellen. Er ist überzeugt davon, dass nach der erfolgreichen Umsetzung des Objektes Poststraße 11 das Quartier rund um den Eiermarkt enorm aufgewertet wird. Der ganze Bereich dort werde als Wohnstandort gewinnen. Ludwig geht von einem weiteren starken Zuzug aus und rechnet damit, dass auch die Nachfrage nach Wohnungen in der Altstadt steigt.
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