Ostern im Kreis Bad Kreuznach
Was haben Kaninchen im Nest zu suchen, Frau Schneider?
Kein Osterhase, aber ein glückliches Kaninchen: Snickers ist aus dem Tierschutz und hat sein Zuhause gefunden.
Frederika Elfner

Zwischen Mythen, Möhren und Osterrummel – Kaninchen landen nicht selten als Geschenk im Nest. Tierschützerin Aylin Schneider erklärt im Interview mit unserer Zeitung, warum Kaninchen keine Kuscheltiere sind und oft unterschätzt werden.

Lange Schlappohren, weiches Fell und dunkle Knopfaugen: Kaninchen landen nicht selten als Geschenk im Osternest. Das erlebt Tierschützerin Aylin Schneider mit. Im Verein „Initiative für Tiere in Not“ ist sie die Beauftragte für Kaninchen. Auf ihrer Pflegestelle in Heimweiler nimmt sie die Tiere auf, die Hilfe und ein neues Zuhause brauchen. Im Interview mit unserer Zeitung erzählt die 31-Jährige, wie sie Ostern als Tierschützerin erlebt und warum Kaninchen – entgegen der weitverbreiteten Meinung – nicht pflegeleicht und nicht zum Kuscheln geeignet sind.

Frau Schneider, Hasen gehören für viele Menschen zum Osterfest. Deshalb landen Kaninchen oft als Geschenk im Nest der Kinder. Erleben Sie diesen Trend im Tierschutz?

Ja, dieser Trend ist meiner Erfahrung nach immer noch weit verbreitet. Familien fahren in den Zoofachhandel, kaufen Kaninchen und die landen dann nicht selten in einem Käfig im Kinderzimmer. Viele Menschen geben die Tiere nach kurzer Zeit wieder ab. Ich hatte schon Kaninchen in Pflege, die ich als „Osterhasen-Opfer“ bezeichnen würde.

Warum halten sich Ihrer Erfahrung nach so viele Menschen für gut vorbereitet, obwohl sie es oft nicht sind? Warum unterschätzen viele Menschen die Kaninchenhaltung?

Weil Kaninchen fälschlicherweise als pflegeleicht gelten. Die meisten Menschen wissen, dass ein Hund als Haustier Arbeit bedeutet: Er will Beschäftigung, muss Gassi gehen. Ein Hund macht auf seine Bedürfnisse aufmerksam. Ein Kaninchen hingegen macht sich nicht bemerkbar. Es scheint keine Arbeit zu machen, weil es keinen Anspruch erhebt.

Aylin Schneider ist Tierschützerin und im Verein "Initiative für Tiere in Not" Kaninchen-Beauftragte. In ihrem Heimatort Heimweiler hat sie eine Pflegestelle für Tiere, die Hilfe brauchen. Kaninchen Mila wurde vom Verein vermittelt und hat ihr Zuhause gefunden.
Hannah Klein

Welche Ansprüche hat ein Kaninchen, in der Ernährung zum Beispiel?

Kaninchen sind Frischköstler. Neben Heu und einem Napf mit Wasser brauchen sie vor allem frische Nahrung. Ihre Zähne sind auf blättriges Grün ausgelegt. Bei einer guten Fütterung bekommt das Kaninchen 12 bis 14 Pflanzenarten in einer Mahlzeit. Die Beschaffung von Nahrung kann zu einer Herausforderung werden.

Wo finde ich diese Vielfalt an Pflanzen?

Auf der Wildwiese gibt es im Sommer von Wildkräutern bis hin zu Wildblumen alles – Klee, Löwenzahn oder Schafgarbe zum Beispiel.

Gibt es auf der Wildwiese auch etwas, was auf gar keinen Fall im Napf landen sollte?

Der Schirling ist giftig und wird im Frühjahr oft mit Wiesenkerbel oder Schafgarbe verwechselt. Die gute Nachricht ist, dass ein Kaninchen von Natur aus selektieren kann – vorausgesetzt, es wird von Anfang an mit frischer Kost ernährt. Übrigens sollte ein Kaninchen 24 Stunden am Tag an Futter kommen, weil ihr Magen-Darm-Trakt immer am Arbeiten sein muss.

Im Winter sieht es mit frischer Kost in der Natur aber eher schlecht aus ...

Im Winter gibt es draußen zum Beispiel Brennnesseln oder Zweige von Brombeersträuchern. Das Angebot ist begrenzt. Deshalb muss aus dem Supermarkt zugekauft werden – Bittersalate wie Romana, Chicorée oder Radicchio und Kräuter wie Petersilie und Dill sind geeignet, genauso wie Kohl.

Kaninchen Alice (links) und Brownie sind aus dem Tierschutz und haben ein festes Zuhause gefunden. Viele ihrer Artgenossen landen als Osterhasen im Nest. "Ich hatte schon Kaninchen in Pflege, die ich als Osterhasen-Opfer bezeichnen würde", sagt Tierschützerin Aylin Schneider.
Frederika Elfner

Ist Kohl nicht gefährlich für Kaninchen? Wären Karotten nicht besser?

Das ist ein weitverbreiteter Mythos. Kaninchen können Kohl fressen. Brokkoli, Rosenkohl, Wirsing – das geht alles. Sie sollten nur langsam an die Kohlfütterung gewöhnt werden. Kohl sollte niemals zusammen mit Pellets gefüttert werden.

Karotten sind nicht so gut für Kaninchen, wie viele Menschen denken. Das ist vergleichbar mit Schokolade beim Menschen: Karotten enthalten viel Zucker. Sie sollten nur als Leckerli gefüttert werden – am besten mit dem Gemüseschäler in Streifen geschnitten. Das Gebiss von Kaninchen ist nicht darauf ausgelegt, Nahrung abzubeißen, sondern zu zermahlen. Dadurch reiben sich die Zähne ab – die wachsen beim Kaninchen nämlich ein Leben lang.

Was braucht ein Kaninchen neben Futter, um sich wirklich wohlzufühlen – an Platz, an Beschäftigung, an Sozialkontakten?

Ein Kaninchen ist ein absolutes Gruppentier: Je größer die Gruppe ist, umso besser geht es dem Tier. Da kommt es immer auf die Zusammensetzung an. Die männlichen Kaninchen sollten zum Beispiel kastriert sein. Je größer die Gruppe, desto mehr Platz ist nötig – bestenfalls drei Quadratmeter pro Tier. Kaninchen brauchen Bewegung, sie müssen springen, rennen, Hakenschlagen, um glücklich zu sein. In der Natur graben sie sich Gänge und Tunnel – das gehört zum Kaninchen-Sein dazu.

Viele Menschen halten ihre Kaninchen im Haus, buddeln ist da nicht möglich. Haben Sie Tipps für die Innenhaltung?

Ein mit Erde befülltes Katzenklo eignet sich als Buddelbox. Bei der Innenhaltung kommt es in erster Linie auf genügend Platz an. Ich kenne Menschen, die haben ein eigenes Zimmer für ihre Kaninchen. Das geht natürlich nur, wenn der Wohnraum es hergibt. Es sollte auch darauf geachtet werden, dass die Tiere genug Rückzugsmöglichkeiten haben – vor allem, wenn Kinder mit im Haus leben und es durchaus mal laut werden kann.

„Zwar sind Kaninchen keine Schmusetiere und machen viel Arbeit, sie können aber auch genauso viel Spaß bereiten, wenn sie artgerecht gehalten werden.“
Aylin Schneider, Tierschützerin im Verein „Initiative für Tiere in Not“

Kaninchen sind also keine Haustiere für Kinder?

Das würde ich so nicht sagen. Der richtige Umgang mit den Tieren ist wichtig – den sollten sie bestenfalls von ihren Eltern erlernen. Wenn Erwachsene ein Kaninchen anschaffen, sollten sie sich bewusst sein, dass sie die Verantwortung tragen. Die Kinder sind lediglich zum Unterstützen da. Wichtig ist, dass Kinder von Anfang an wissen, dass Kaninchen keine Kuscheltiere sind. Die meisten Kaninchen wollen nicht auf den Arm genommen werden. Sobald sie den Boden unter den Füßen verlieren, ist das für sie so, als hätte ein Greifvogel sie im Nacken. In dem Moment sind sie Beute und haben Todesangst.

Wie zeigt sich Todesangst bei Kaninchen?

Kaninchen verfallen in eine Starre. Das Innehalten wird dann von vielen Menschen fälschlicherweise als Genießen gedeutet. Ob ein Kaninchen Streicheleinheiten mag, zeigt sich, wenn es sitzen bleibt, obwohl es eigentlich weglaufen könnte. Manchmal krabbeln Kaninchen von sich aus auf den Schoß des Menschen – das braucht oft Zeit und Geduld.

Wenn Sie einen Wunsch für die Osterzeit äußern dürften: Was würden Sie sich im Umgang mit Kaninchen wünschen?

Es wäre schön, wenn Kaninchen – und Tiere generell – nicht mehr an Ostern verschenkt werden. Wenn ich mir ein Kaninchen anschaffen will, muss das nicht zwingend an Ostern sein. Zwar sind Kaninchen keine Schmusetiere und machen viel Arbeit, sie können aber auch genauso viel Spaß bereiten, wenn sie artgerecht gehalten werden.

Das Gespräch führte Hannah Klein.

Verein rettet Tiere in Not

Die „Initiative für Tiere in Not e.V.“ ist ein Tierschutzverein mit Sitz in Idar-Oberstein. Schwerpunktmäßig arbeitet der Verein in den Verbandsgemeinden Birkenfeld und Baumholder, Herrstein-Rhaunen und im Kirner Land. Der Verein führt kein Tierheim. Ausgesetzte, vernachlässigte oder verwahrloste Tiere werden in Pflegestellen versorgt. Bis zur erfolgreichen Vermittlung sind sie in das Familienleben der Tierschützer integriert. Aylin Schneider, die Kaninchenbeauftragte des Vereins, erklärt, dass die tierärztliche Versorgung sowie beratende Gespräche zu den Aufgaben der Tierschützer gehören.

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