Kolumne Kreuznacher Kreis-Lauf
Von Flügelschlägen, die erschüttern und bereichern
Was die Menschen aus der Region in dieser Woche so alles erleben, sehen und erfahren konnten ...
Markus Kilian

Spitzen und Notizen aus dem Kreis Bad Kreuznach, gesammelt von Cordula Kabasch

D ie Störche sind im Kreis Bad Kreuznach los: In Gebroth und in Bretzenheim sind die Tiere gelandet und haben sich Nester gebaut, nachdem sie rund um die Michelin vertrieben worden sind. Der Vogel ist auch ein Symbol für Wachstum, Weisheit und Kindersegen. Vielleicht braucht der Kreis ja genau das: Wachstum und Weisheit können sicher nicht schaden, denn das wäre unter anderem dem ÖPNV in der Region förderlich, der zwar gut aufgestellt, aber noch ausbaufähig ist. Werfen wir einen Blick auf Fortbewegungen in der Luft und am Boden, auf Vergangenes und Gegenwärtiges.

Fast wie in Berlin

Busse und Bahnen sind in ländlichen Gebieten oft Mangelware. Gerade in Zeiten, in denen Neuwagen nicht mehr so ohne weiteres für alle finanzierbar sind und der Klimawandel zu umweltfreundlichem Verhalten anregen sollte, kommt dem ÖPNV eine überragende Bedeutung zu. Im Kreis Bad Kreuznach steht er ja noch vergleichsweise gut da – was die Greenpeace-Studie „Abgehängt“ belegt hat. Uwe Hiltmann, Geschäftsführer der Kommunalverkehr Rhein-Nahe (KRN), hat die Studie wohl so gut gefallen, dass er zu einem überaus positiven Vergleich kommt. So seien auch kleine Gemeinden wie Otzweiler am Rand des Kreises gut angebunden – und tatsächlich: Auch dort verkehrt laut DB-App die Linie 286 im Zwei-Stunden-Takt. „Das ist ja schon fast wie in Berlin“, scherzt Hiltmann – dem wohl bewusst ist, dass der ländliche Kreis Bad Kreuznach niemals mit der Hauptstadtmetropole mithalten kann. Dass die Gemeinden inzwischen aber alle mindestens im besagten Zwei-Stunden-Takt angefahren werden, ist ein Fortschritt, wenngleich die Studie von Greenpeace klar macht, dass noch einiges zu tun ist.

Fast fertig: die Familie

Zwei Störche haben in Gebroth ein neues Zuhause gefunden. Bald werden sie Nachwuchs haben.
Martina Kohls

Wie gut hat es da doch das Federvieh, das auf solch profane Vierräder wie den ÖPNV nicht angewiesen ist. Die Nester bei Michelin auf den Strommasten hat die Westnetz GmbH zwar entfernen lassen, doch die Störche, ganz ohne Fahrplanauskunft unterwegs, haben ein neues Zuhause gefunden, und zwar zum einen im benachbarten Bretzenheim. Dort hat Bernd Geyer aus Bad Kreuznach drei Nester auf einem Strommast kurz hinter dem zweiten Kreisel auf der linken Seite vor der Ortseinfahrt von Bad Kreuznach kommend entdeckt. „Das sind bestimmt die Michelin-Störche. Die haben sich dorthin verzogen“, glaubt er. Oder sind sie noch weiter geflogen nach Gebroth? Dort hat die Familie Merg von der gleichnamigen Fruchtkelterei bereits 2010 extra einen Mast aufgebaut, damit dort Störche nisten können. Antje Merg ist durch eine Kundin auf diese Idee gekommen und inzwischen schon viele Jahre Mitglied im Verein Storchenfreunde Glantal in Theisbergstegen (Kreis Kusel). „Vier Jahre lang mussten wir warten, aber dann kamen die Störche jedes Jahr“, erzählt sie. „Sie brauchen ein wenig, bis sie wissen, wo sie nisten können.“ Jetzt hat sich dort vor etwa einer Woche ein Storchenpaar eingefunden. Antje Merg rechnet damit, dass sie in etwa drei Wochen Nachwuchs haben werden und ein bis vier Schnäbel mehr zu füttern sind.

Fast eine neue Baugruppe

14 Nistkästen für Siebenschläfer hat FSJ-ler Samuel Neubrech gezimmert. Er hofft auf regen Zuzug.
Christian Kessel

Wir bleiben in der Tierwelt, wechseln aber die Art: Im Rheinland-Pfälzischen Freilichtmuseum hat sich Samuel Neubrech, der ein Freiwilliges Soziales Jahr ableistet, um Nistkästen für Siebenschläfer verdient gemacht. Der junge Mann hat aus Holz 14 kleine Häuser für Siebenschläfer gezimmert, die jetzt sozusagen als neue Baugruppe oder auch komplettes Ensemble im Baumbestand rund um das Schulhaus und die Museumsgaststätte angebracht worden sind. Bereits in der Winterpause hat Neubrech mit der Herstellung der Nistkästen begonnen, und nun sind sie fertig. „Wir möchten eine lebendige, bewohnte Baugruppe haben und hoffen daher auf regen Zuzug“, sagt Museumsdirektorin Sabrina Hirsch mit einem Augenzwinkern. Das Freilichtmuseum hofft auf zahlreiche „Hausbesetzer“, die im Idealfall ihre jetzigen Wohnräume in den Museumsdachböden räumen und in die neuen Nistkästen einziehen werden, so Hirsch weiter.

Fast wie in den 70ern

In der Rüdesheimer Bücherei las Autor Klaus Schneider aus seinem Buch vor. Die Besucher waren Babyboomer, die sich in seinen Geschichten wiederfanden.
Peter Johann

Wie war eine Kindheit in den 60er- und 70er-Jahren, so ganz ohne Handy, Soziale Netzwerke, mit Telefonzellen und Gummitwist, Petticoats und Schlaghosen? Einen Blick in diese Zeit hat Autor Klaus Schneider in der alten Schule in Rüdesheim geworfen. Der in Roxheim aufgewachsene Autor gewährte seinen Zuhörern mit seinem Buch „Klaus packt aus“ einen Einblick in die Sixties und Seventies. Es war auch damals keine einfache Zeit, aber sie war verbunden mit Freiheit und Abenteuer. Damals spielten mehr Kinder als heute draußen unbeaufsichtigt. Kein Trump und Putin regierten, dafür Breschnew und Nixon, Kiesinger und Brandt. Für Klaus Schneider bestand der Geschmack seiner Kindheit aus Himbeere und Fleischwurst. Ging er für seine Mutter in den Tante-Emma-Laden einkaufen, durfte er in das große Glas mit Himbeerbonbons greifen. Mit vollem Mund wechselte er gegenüber in die Metzgerei und schob ein Stück Fleischwurst gleich hinterher. Unter den Zuhörern waren viele Babyboomer, die sich gut in diese Zeit hinein versetzen konnten, gab es doch viele Parallelen in ihrem Leben. Auf jeden Fall kam die Lesung gut an, und das Buch „ Klaus packt aus“ kann in der Bücherei gerne ausgeliehen werden.

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