Wenn Helau gerufen und alles Gute zum neuen Jahr gewünscht wird, dann ist in Bingen die fünfte Jahreszeit angebrochen. Es ist Usus, dass dann die Flaggen der elf Binger Fastnachtsvereine gehisst und auf der „Belle Etage“ der Burg Klopp bis Aschermittwoch wehen. Wie weit die Tradition zurückgeht, wissen selbst alte Fastnachter wie das Urgestein der Gruber Narren, Männi Heil, nicht genau. „Ich kann mich daran erinnern, dass ich mit meinem Vater schon dabei war. Das war in dieser Zeit immer am 1. Januar.“
Bereits lange, bevor es hieß „Hisst die Flaggen“, versammelten sich die Binger Fastnachter zum Warm-up am Kulturzentrum. Hände wurden geschüttelt, ein gutes neues Jahr gewünscht, Neuigkeiten ausgetauscht. Dann ging der große Marsch durch die Innenstadt los, vorbei an den noch weihnachtlich geschmückten Bäumen, angeführt durch das „Blasorchester Oberes Mittelrheintal“ (Boom). Es ist hier der einzige Fastnachtsumzug, der sich durch die Innenstadt schlängelt. Die Umzüge an Fastnacht überlassen die drei Binger Kooperationen denen aus den Vororten.
Federführung hat die Korporation „Schwarze Elf“
Brauch ist es in Bingen auch, dass jeweils einer der Innenstadtvereine für eine Session „den Hut aufhat“ und die Federführung für die Auftaktveranstaltung übernimmt. In diesem Jahr ist es die „Schwarze Elf“, die das Zepter mit ihrem Präsidenten Dennis Fischer schwingt. Aber auch der Auftakt der Straßenfastnachtszeit liegt in der Obhut der „Schwarzen Elf“. Wenn in der Vergangenheit auf dem Freidhof ausgiebig gefeiert wurde, so in dieser Session auf dem Burghof. Dort wird am 27. Februar die Altweiberfastnacht unter dem Motto „Burgbeben, die Weiber sind los“ eingeläutet.

Wie es bei den Narren so üblich ist, werden die Stadtoberen insbesondere und die Politik im Allgemeinen auf die Schippe genommen. Kein gutes Haar ließ Dennis Fischer an der „Ampel-Regierung“ und auch an Nochkanzler Olaf Scholz. „Armes Deutschland, was wird nur aus dir, in einem Entwicklungsland leben wir hier. Ein Kanzler, der vergreift sich im Ton, und das zum wiederholten Male schon. Kanzler Scholz ruf ich zu, beim Namen muss man es nenne, einen guten Roten tut man im Abgang erkenne.“ Nichts habe die Regierung fertiggebracht, „aber das Gras legalisiert“. Auch die Kommunalpolitik wurde durch den Kakao gezogen. Wenn kein Geld da ist, werden kurzerhand die Parkgebühren erhöht. „Erstmal die Innenstadt beleben“, empfiehlt der Fastnachter. „Leere Geschäfte, kaum noch eine Kneipe, nichts los, man könnt sagen: tote Hos.“ Dass es auch ohne eine Koalition in Bingen geht, wird der Sitzungspräsident auch mal den „Berlinern“ empfehlen: „Wechselnde Mehrheiten funktionieren.“
Orden für nimmermüde Aktive und Ehrenamtler verliehen
Bei der anschließenden Verleihung des Stadtordens im proppenvollen Kulturzentrum hatte Oberbürgermeister Thomas Feser das Zepter in der Hand. „Die Auszeichnung ist für uns alle eine Ehre, eine Anerkennung des närrischen Brauchtums“, dankte Wolfgang Heinz, Altsitzungspräsident der „Schwarzen“, im Namen aller Binger Vereine. Das Stadtoberhaupt stellte das Ehrenamt in den Mittelpunkt. Er lobte das Engagement der Vereinsmitglieder über Jahrzehnte hinweg. „Das ist mit Gold nicht aufzuwiegen.“ Die Fastnacht sei ein Brauch, der den Menschen auch in schwierigen Zeiten Freude und Spaß garantiere. Die bürgerliche Verpflichtung sei mit Problemen behaftet, umso erfreulicher sei es, dass es immer noch Menschen gibt, die Flagge zeigen, das Brauchtum hochhalten und sich um den Nachwuchs bemühen.
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Mit dem Orden der Stadt Bingen wurden ausgezeichnet: Joachim Schnorr, Florian Pieroth, Savar Nouri, Astrid Maier, Matthias Krolla, Kornelia Krick, Gerhard Graf, Jenny Giedroc-Huber, Sebastian Fendel, Lena Eberhardt und Josef Decker. Die so Geehrten sind ehrenamtliche Aktive, die die Vereine am Leben erhalten. Ohne Vorträge, gestaltete Kulissen, Mitgliedschaft in der Garde oder Zuständigkeit für die Getränke ist eben keine Fastnachtsveranstaltung denkbar.