Der 41-jährige Türke („Nachfahre der ersten Gastarbeitergeneration“) lebt seit 1986 in Bad Kreuznach und ist leidenschaftlicher Astrofotograf. Er gehört zu jenen „Verrückten“, die mit ihren wertvollen 30, 40 Kilo schweren Ausrüstungen im In- und Ausland Hügel und Berge erklimmen, alles minutiös aufbauen und Gestirne auf den Punkt fotografieren. Wie am 25. April, einem Sonntag.
Die 450 Tonnen schwere Internationale Raumstation (ISS), das hatte Mehmet Ergün auf https://transit-finder.com entdeckt, „steht“ just zu dieser Zeit auf ihrer Erdbahn in 400 Kilometern Höhe und mit 28.800 Kilometern Speed vor der Sonne. Und zwar für 0,7 Sekunden. Die winzige ISS vorne, der riesige, glühende und 150 Millionen Kilometer entfernte Stern hinten: Der Moment, den Mehmet Ergün festhalten will. Und zwar in Einöd, weil dort der Blickwinkel an diesem Tag für dieses Motiv ideal ist.
Wetter und Winkel sind gut, alles passt. Er schafft es! Und bietet seine Aufnahme nach akribischer Nachbearbeitung der US-Weltraumbehörde NASA an. Die erklärt es zum Foto des Tages am 4. Mai, das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ gar zum Foto der Woche. Damit landet Ergün im Fokus einer Öffentlichkeit, die die Bilder der wenigen wirklich guten Astrofotografen verschlingt – Tag für Tag über die Internetadresse: https://apod.nasa.gov/apod/astropix.html
„Erdkunde“, sagt Mehmet Ergün, „war in der Schule mein Lieblingsfach.“ Schon damals sein Problem: Allem Irdischen sind Grenzen gesetzt, doch ihn, den „Star Trek“- und „Star Wars“-Fan mit Faible für harte wissenschaftliche Fakten, reizt das Unendliche, Unentdeckte.
Er ist aber auch im Hier und Jetzt zu Hause: Seit zwölf Jahren arbeitet er als Onlinemarketing-Manager bei der Bad Kreuznacher „DeinDesign“, formt als einer der ersten bundesweiten IHK-Ausbilder in seinem Beruf derzeit drei Azubis zu E-Commerce-Kaufleuten.
Und er ist ein Idealist, der ideale Bilder aufnehmen will. Das kostet Zeit und Geld und fordert Geduld. Denn über 20 Stunden Belichtungszeit mit Hunderten aufwendig zusammengefügten Bildern gehen ins Land, um extrem schwach leuchtende Gestirne präsentieren zu können. Hoch gelegene und nicht lichtverschmutzte Orte sind geeignet, etwa die Anhöhen der Kanareninsel La Palma, die er dafür 2016 erstmals besuchte.
„Ich fotografiere die Vergangenheit“, philosophiert er und denkt an manche Sterne und Gebilde, deren Lichtreflexionen 5000 Jahre bis zur Erde brauchen. „Das, was wir heute sehen, war vor 5000 Jahren.“ „Faszinierend“, würde Enterprise-Vulkanier S'chn T'gai Spock sagen.
Mehmets Frau Deniz und seine beiden Söhne Kaan (8) und Aras (5) wissen um die Leidenschaft ihres Mannes und Vaters und tragen sie gerne mit. Und sie freuen sich für ihn, wenn er erneut mit spektakulären Bildern heimkehrt. Sein Hobby ist ein gutes Stück seines Lebens – aber nicht im finanziellen Sinne. „Ich verdiene damit kein Geld. Erfolg und Wertschätzung sind meine Motivation.“ Jedes Jahr gibt er einen Kalender heraus, einen Teil der Einnahmen spendet er an Kinder, unterstützt Projekte in armen Ländern und beschenkt Schulen mit Teleskopen.