Kreis Bad Kreuznach
Unendliche Weiten im Fokus Mehmet Ergüns: US-Weltraumbehörde NASA ehrt Bad Kreuznacher Astrofotografen

Wir schreiben den 25. April, 8.30 Uhr: Mehmet Ergün macht sich auf den Weg. Durch unendliche Weiten? Nein. Aber um die Ecke liegt sein Ziel auch nicht gerade. Ins saarländische Einöd sind es 128 Kilometer. Er muss sich sputen, denn um 11.29 Uhr und 28 Sekunden kommt es an diesem Morgen zu einer himmlischen Begegnung. Und die will er auf keinen Fall verpassen.

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Astrofotograf Mehmet Ergün (41) aus Bad Kreuznach. Foto: Mehmet Ergün/Selfie
Mehmet Ergün
Der Mond – einziger natürlicher Satellit der Erde. Sein Name stammt von Monat. Er ist rund 400.000 Kilometer vom Blauen Planeten entfernt.
Mehmet Ergün
Die 125 Millionen Jahre alten Plejaden gehören zur Milchstraße (Sternbild: Stier) und haben 1200 Sterne.
Mehmet Ergün
Der Komet Neowise wurde am 27. März 2020 mit dem reaktivierten Weltraumteleskop Wise auf seiner extremen Bahn am Südhimmel entdeckt.
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Die Milchstraße, aufgenommen auf Teneriffa. Für solche Astrofotografien braucht es eine aufwendige Ausrüstung. Laien können erste Aufnahmen aber auch mit Smartphone, Kompaktkamera (Stativ mit Neigekopf) hinbekommen.
Mehmet Ergün
Die Milchstraße ist die Galaxie, zu der unser Sonnensystem mit der Erde gehört und die aus Hunderten von Milliarden Sternen besteht. Von der Erde aus ist sie als bandförmige Aufhellung am Nachthimmel sichtbar. Astrofotografie: Mehmet Ergün
Mehmet Ergün
Der Orionnebel ist ein Emissionsnebel im Sternbild Orion. Durch die Helligkeit seines Zentrums oberhalb der vierten Magnitude (Helligkeitsstufe) ist er von der Erde aus mit bloßem Auge sichtbar.
Mehmet Ergün
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Der 41-jährige Türke („Nachfahre der ersten Gastarbeitergeneration“) lebt seit 1986 in Bad Kreuznach und ist leidenschaftlicher Astrofotograf. Er gehört zu jenen „Verrückten“, die mit ihren wertvollen 30, 40 Kilo schweren Ausrüstungen im In- und Ausland Hügel und Berge erklimmen, alles minutiös aufbauen und Gestirne auf den Punkt fotografieren. Wie am 25. April, einem Sonntag.

Die 450 Tonnen schwere Internationale Raumstation (ISS), das hatte Mehmet Ergün auf https://transit-finder.com entdeckt, „steht“ just zu dieser Zeit auf ihrer Erdbahn in 400 Kilometern Höhe und mit 28.800 Kilometern Speed vor der Sonne. Und zwar für 0,7 Sekunden. Die winzige ISS vorne, der riesige, glühende und 150 Millionen Kilometer entfernte Stern hinten: Der Moment, den Mehmet Ergün festhalten will. Und zwar in Einöd, weil dort der Blickwinkel an diesem Tag für dieses Motiv ideal ist.

Wetter und Winkel sind gut, alles passt. Er schafft es! Und bietet seine Aufnahme nach akribischer Nachbearbeitung der US-Weltraumbehörde NASA an. Die erklärt es zum Foto des Tages am 4. Mai, das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ gar zum Foto der Woche. Damit landet Ergün im Fokus einer Öffentlichkeit, die die Bilder der wenigen wirklich guten Astrofotografen verschlingt – Tag für Tag über die Internetadresse: https://apod.nasa.gov/apod/astropix.html

„Erdkunde“, sagt Mehmet Ergün, „war in der Schule mein Lieblingsfach.“ Schon damals sein Problem: Allem Irdischen sind Grenzen gesetzt, doch ihn, den „Star Trek“- und „Star Wars“-Fan mit Faible für harte wissenschaftliche Fakten, reizt das Unendliche, Unentdeckte.

Er ist aber auch im Hier und Jetzt zu Hause: Seit zwölf Jahren arbeitet er als Onlinemarketing-Manager bei der Bad Kreuznacher „DeinDesign“, formt als einer der ersten bundesweiten IHK-Ausbilder in seinem Beruf derzeit drei Azubis zu E-Commerce-Kaufleuten.

Und er ist ein Idealist, der ideale Bilder aufnehmen will. Das kostet Zeit und Geld und fordert Geduld. Denn über 20 Stunden Belichtungszeit mit Hunderten aufwendig zusammengefügten Bildern gehen ins Land, um extrem schwach leuchtende Gestirne präsentieren zu können. Hoch gelegene und nicht lichtverschmutzte Orte sind geeignet, etwa die Anhöhen der Kanareninsel La Palma, die er dafür 2016 erstmals besuchte.

„Ich fotografiere die Vergangenheit“, philosophiert er und denkt an manche Sterne und Gebilde, deren Lichtreflexionen 5000 Jahre bis zur Erde brauchen. „Das, was wir heute sehen, war vor 5000 Jahren.“ „Faszinierend“, würde Enterprise-Vulkanier S'chn T'gai Spock sagen.

Mehmets Frau Deniz und seine beiden Söhne Kaan (8) und Aras (5) wissen um die Leidenschaft ihres Mannes und Vaters und tragen sie gerne mit. Und sie freuen sich für ihn, wenn er erneut mit spektakulären Bildern heimkehrt. Sein Hobby ist ein gutes Stück seines Lebens – aber nicht im finanziellen Sinne. „Ich verdiene damit kein Geld. Erfolg und Wertschätzung sind meine Motivation.“ Jedes Jahr gibt er einen Kalender heraus, einen Teil der Einnahmen spendet er an Kinder, unterstützt Projekte in armen Ländern und beschenkt Schulen mit Teleskopen.

Von unserem Redakteur Stefan Munzlinger

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