6500 tote Gastarbeiter, kaum Rechte für Frauen und stark eingeschränkte Pressefreiheit: Aus deutscher Sicht herrschen in Katar politische Missstände. Dennoch soll dort ab 20. November (Katar gegen Ecuador) mit der Fußballweltmeisterschaft das Sportgroßereignis '22 schlechthin stattfinden.
Problematisch könnten beim gemeinsamen Mitfiebern nicht nur die Begleitumstände im Gastgeberland sein, sondern auch kalte Temperaturen in unseren Breitengraden und Spielzeiten ab dem Vormittag. Die Chance für ein Wintermärchen samt Public Viewing? Der „Oeffentliche“ hat im Kreis nachgefragt, ob die Gastronomen heuer trotzdem wieder zum Fußball-Rudelgucken laden.
Katar: Reicher Inselstaat mit absoluter Monarchie
Katar ist ein Inselstaat an der Ostküste der arabischen Halbinsel am Persischen Golf. Knapp 2,7 Millionen Menschen, davon zahllose Arbeitsimmigranten, leben im knapp 12.000 Quadratkilometer kleinen Land (zum Vergleich: Rheinland-Pfalz ist fast 20.000 Quadratkilometer groß), das seinen Reichtum dem Erdöl verdankt und beim Bruttoinlandprodukt auf Platz acht im weltweiten Ranking liegt. Doha ist die Hauptstadt der absoluten Monarchie unter Emir Scheich Tamim bin Hamad Al-Thani. Seit 1971 ist Katar unabhängig vom Vereinigten Königreich. Staatsreligion in Katar: der Islam.
Eher unproblematisch sieht das Inhaberduo vom Bad Kreuznacher Brauwerk, Andreas Röth und Udo Braun, die WM. In der Hoffnung, wieder die größte Leinwand in Rheinland-Pfalz zu ergattern, wollen die beiden alle Spiele in ihrem Biergarten übertragen. Das Ziel: „Ein kleines Winterwunderland erschaffen.“ Dabei ist auch eine Eisbahn im Gespräch. „Wir müssen es schaffen, die Leute herzuholen“, sagt Braun und informiert, dass begleitend auch Glühwein- und Waffelstände geplant sind. So soll den Fans trotz Novembergraden warm werden. „Man wird nicht im Eiskalten stehen, aber eine Jacke braucht man natürlich“, prophezeit Udo Braun.
Mehrere Hundert Leute sollen im Mix von Fanmeile und Weihnachtsmarkt Platz finden. „Wenn die Hälfte kommt wie sonst, wäre das gut“, denken die beiden Gastronomen.
Denn immer wieder kündigen Fußballfans an, die WM wegen der problematischen Lage in Katar zu boykottieren. „Wir haben lange überlegt, ob wir es machen“, betont Braun. Schließlich fiel die Entscheidung dafür aus. „Jeder, der Spaß am Schauen hat, soll seinen Spaß haben“, ergänzt Andreas Röth. „Fußball soll vereinen.“ Schon die vergangenen Turniere hat das Brauwerk stets übertragen. Dem wollen die beiden treu bleiben.
Auch im Bonnheimer Hof in Hackenheim können Fußballfans das Geschehen live verfolgen, wie Chef Matthias Lorenz berichtet – zumindest theoretisch. „Die WM fällt voll in die Zeit der Weihnachtsfeiern.“ Zwar sei der große Saal immer für die Übertragung geöffnet, „aber eine Weihnachtsfeier ist für uns da natürlich lukrativer“, sagt Matthias Lorenz ehrlich und kann daher nicht versprechen, dass jedes Spiel übertragen wird. Wie viele Zuschauer zum Mitfiebern kommen, kann auch er nicht einschätzen. „Es wird aber nur drinnen stattfinden.“ Mit der Debatte um die kritische Lage in dem arabischen Staat habe er sich allerdings nicht beschäftigt.
Eugene Dunlap, Chef der Bad Kreuznacher Sportsbar Jake & Son, will die WM-Spiele mit deutscher Beteiligung ebenfalls zeigen. Mehrere Fernseher und eine Leinwand stehen dafür im Innenraum zur Verfügung, wo gut 200 Fans Platz finden können. Aber wie viele zur Übertragung kommen werden? „Keine Ahnung“, traut sich der 47-Jährige keine Prognose zu.
Dass die WM im November und Dezember stattfindet, findet er „auf gut deutsch Scheiße“ – denn auch in seinem Lokal könnte mancher Spieltermin mit Weihnachtsfeiern kollidieren, die dann ebenfalls dort stattfinden sollen. Angesprochen auf die problematische Situation in Katar sagt Dunlap: „Ich habe eine Sportsbar. Wenn die Gäste die Spiele sehen wollen, übertrage ich sie natürlich.“ Deswegen allerdings schon wesentlich früher als wie gewohnt um 17 Uhr öffnen, das möchte der Gastronom nicht.
Bruno Schneider vom Bad Sobernheimer Denkmalz wird auch bei dieser WM in seinem Biergarten den Großbildschirm aufstellen und einige der Spiele zeigen. Er weiß um die Diskussion über die Menschenrechte in Katar und teilt die Meinung der Kritiker, will sie keineswegs ignorieren. Fußball in der Gemeinschaft zu schauen, ist im Denkmalz längst Gepflogenheit, etwa als Eintracht Frankfurt im Europa-League-Finale siegte, der FC Kaiserslautern ein wichtiges Spiel hat oder bei der Frauen-EM – immer wieder schauen sie gemeinsam in die „Röhre“ und haben ihren Spaß – 100 bis 120 Leute haben Platz im Brauhaus-Biergarten.
Gerade hat sie den Meisenheimer Bierengel übernommen: Danielle Euler (24). Ob sie zur WM ein kleines Public Viewing mit 20 Plätzen in einem separaten Holzbau anbietet, hat die engagierte Restaurantfachfrau, die vor sieben Jahren als Aushilfe begann und kürzlich die Gaststätte samt Ferienwohnung übernommen hat, noch nicht entschieden. Vor dem Hintergrund steigender Energie- und Heizkosten, aber auch der FIFA-Gebühren für das Übertragungsrecht will sie in Ruhe überlegen, ob sie die Public-Viewing-Tradition des Bierengels fortsetzen wird.