In einer E-Mail an die Mitglieder des Finanzausschusses hatte SPD-Fraktionschef Holger Grumbach am 6. April – also bereits vor der Aprilsitzung des Gremiums – versucht, diese von einer Onlinesitzung zu überzeugen: „Wir haben mit der vergangenen Stadtratssitzung und der Sitzung des Planungsausschusses bewiesen, dass online Sitzungen funktionieren. SPD und Grüne haben nicht auf eine Präsenzsitzung bestanden und dem Wunsch von unter anderem CDU und der Fraktionsgemeinschaft FDP/Faire Liste/FWG auf den Verzicht der Präsenzsitzung zugestimmt. Die Inzidenzen sind weiterhin hoch, und es verbleibt immer ein Restrisiko der Ansteckung, dem wir uns nur ungern aussetzen wollen.“ Der Versuch blieb aber erfolglos, weil ungehört.
Auch vor der jüngsten Sitzung unternahm die SPD einen solchen. „Der Infektionsschutz steht derzeit an oberster Stelle, und gerade Sie als Bürgermeister könnten hier als gutes Beispiel für modernes und verantwortungsvolles Handeln solidarisch vorangehen. Bitte befragen Sie doch zumindest einmal die Mitglieder des Finanzausschusses vorher zu einer Onlinesitzung, und teilen Sie das Ergebnis allen namentlich mit“, schreibt Grumbach in einer E-Mail an Heinrich am 27. April, sechs Tage vor der Sitzung. Auch diesmal blieb eine Reaktion von Heinrich aus.
Sinngemäß ähnliche E-Mails gibt es auch von anderen Fraktionen. Von Jürgen Locher (Die Linke), Andrea Manz (Grüne) und auch von Manfred Rapp (CDU), die alle nach der Möglichkeit gefragt haben, die Sitzung im Digitalen stattfinden zu lassen. Auch diese Anfragen blieben unbeantwortet.
Das kritisiert denn auch der SPD-Stadtverbandsvorsitzende Günter Meurer, der eigentlich ebenfalls im Finanzausschuss sitzt, scharf: „Uns wird da der demokratische Prozess verwehrt. Wir wollen keine Sitzung boykottieren, aber da wird einfach der Wille mehrerer Fraktion ignoriert.“ Die SPD-Fraktion nahm deswegen an der jüngsten Sitzung nicht teil.
Die Gemeindeordnung (Gemo), Ende 2020 Corona-bedingt diesbezüglich geändert, macht in Paragraf 35 klar, dass seitens der Ausschussmitglieder eine Zweidrittelmehrheit bestehen muss, um eine Sitzung online abzuhalten. Offen lässt die Gemo, wie diese Zweidrittelmehrheit festzustellen ist. Es findet sich kein Regelung darin, wie und ob überhaupt der Sitzungsleiter eine Abfrage, wie die Sitzung veranstaltet werden soll, durchführen muss. In Bad Kreuznach hatte es sich eingespielt, dass die anderen Sitzungsleiter (Oberbürgermeisterin Heike Kaster-Meurer und Beigeordneter Markus Schlosser) vorab per E-Mail das gewünschte Format abgefragt hatten.
Wolfgang Heinrich erklärt das Ausbleiben einer Abfrage wie folgt: „Ich halte mich da an das Gesetz. Der Grundsatz lautet: Präsenzsitzungen.“ Und in keinem Gesetz stehe seiner Meinung nach, dass er eine Abfrage durchführen müsse. Er prüfe vor jeder Sitzung bestimmte Parameter ab: „Ich schaue mir die Situation an, die freien Krankenhausbetten, die Inzidenzzahl, die Infektionslage, die Impffortschritte, und wäge dann ab, ob man tagen kann.“ Das sei bisher immer der Fall gewesen. Ein Beleg, dass er richtig gelegen habe, sieht der Kämmerer darin, dass man immer beschlussfähig gewesen sei.
Ist es aber kein Indiz für eine mögliche vorhandene Zweidrittelmehrheit, wenn vier Fraktionen wegen einer Onlinesitzung anfragen? „Nein, eine Zweidrittelmehrheit wäre nicht zu erreichen gewesen. Das Gesetzt will nicht, dass man immer sofort direkt abprüft“, so Heinrich.