Demonstration am "Trauertag der Apotheken"
Trauertag auch in Meisenheim: Apothekensterben und Mangel an Medikamenten
Mit selbst gebastelten Grabsteinen und in Trauerkleidung machte das Team der Mohren-Apotheke in Meisenheim (Kreis Bad Kreuznach) am „Apothekentrauertag“ auf die prekäre Lage der Apotheken aufmerksam.
Roswitha Kexel

Ein beklemmendes Bild bot sich am Donnerstag auf dem Meisenheimer Marktplatz: Vor der Mohren-Apotheke steht ein Leichenwagen, aus dem Fenster baumelt eine Puppe am Strick, die Apotheken-Mitarbeiter tragen Trauerkleidung, an einem Fensterladen ist eine rote Liste mit 299 Medikamenten befestigt, die aktuell nicht lieferbar sind, darunter wichtige Antibiotika, Insuline, Schmerz- und Fiebersäfte.

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Grabsteine aus Pappe symbolisieren das Apothekensterben in ländlichen Regionen. Das deutsche Gesundheitssystem krankt in vielen Bereichen. Es fehlen Fachkräfte und immer mehr Apotheken. Catherin Heil, Inhaberin der Mohren-Apotheke in Meisenheim und der Schloss-Apotheke in Lauterecken, und ihre Mitarbeiter führten diese Probleme am Donnerstag, dem „Apothekentrauertag“, in beeindruckender Weise vor Augen.

Tendenz ist bei den Schließungen steigend

Dazu gab es auf bunten Blättern wichtige Informationen: Im vergangenen Jahr haben 369 Apotheken geschlossen. Im ersten Halbjahr 2022 seien bereits 235 weitere Schließungen registriert worden – Tendenz steigend! Dazu stand in fetten Buchstaben zu lesen: „Jede sechste Apotheke in Rheinland-Pfalz geschlossen – in den Jahren 2010 bis 2020.“

Auch ein Hinweis zu Rezepten ist an ein Fenster geklebt: Denn bei der Einreichung müssen mindestens 20 Punkte überprüft werden, bevor das Medikament abgegeben werden kann. „Übersehen wir einen Fehler, der in der Arztpraxis passiert ist, droht eine Vollabsetzung durch die Krankenkasse!“, ist da zu lesen.

“Tag der Tränen"

Am Dienstag, 22. November, findet ein „Tag der Tränen“ statt, an dem um alle Kräfte aus dem Gesundheitswesen getrauert wird, die aufgrund der Rahmenbedingungen ihren Beruf aufgegeben haben. Auch daran will sich Catherin Heil mit der Meisenheimer Mohren-Apotheke beteiligen. Sie will die Öffentlichkeit informieren und auf die Probleme im kranken Gesundheitssystem aufmerksam machen.

Dazu beschreibt Catherin Heil, was sie als „Kassenwillkür“ bezeichnet: „Für Formfehler auf dem Rezept zahlt der Apotheker im schlimmsten Fall den vollen Preis der Medikamente, obwohl der Patient ordnungsgemäß beliefert wurde!“ Wenn ein Faktor nicht richtig angegeben sei, werde das Rezept auf Null taxiert, der Apotheker trage die Kosten. „Das heißt: Wir haben viel mehr Arbeit, der Mehraufwand ist gestiegen. Durch unsere unentgeltliche 1:1-Umsetzung der Rabattverträge sparten die Kassen im vergangenen ca. 5,1 Milliarden Euro. Trotzdem wurde uns das Honorar gekürzt. Wir sind seit 2013 ohne Honorarerhöhung“, klagt Catherin Heil.

Es komme nicht von ungefähr, wenn so viele Apotheken schließen und keine Nachfolger zu finden sind. Auch der Ärztemangel sei teils hausgemacht. Ärzte stünden ebenfalls unter dem Druck der Krankenkassen. „Kaputt gespart! – das trifft’s exakt“, so Catherin Heil.

Insgesamt versteht sie nicht, wofür in Deutschland diese Masse an Krankenkassen gebraucht werden, die sich gegenseitig Mitglieder abwerben. Deren Werbekosten und Aufwandsentschädigungen für die Aufsichtsräte gehe zu Lasten der Beitragszahler.

Zahl der fehlenden Medikamente steigt von 238 auf 299

Uwe Engelmann (SPD), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nahe-Glan, ist beeindruckt von dem, was Catherin Heil über die Probleme und Forderungen der Krankenkassen berichtete. „In der Öffentlichkeit herrscht die Wahrnehmung vor, dass es Apothekern und Ärzten finanziell gut geht“, zeigte sich Engelmann überrascht. Auch die lange rote Liste mit 299 Medikamenten, die aktuell nicht lieferbar sind, was nicht zuletzt auf den Kostendruck der Krankenkassen zurückzuführen sei, löste bei ihm Kopfschütteln aus.

Noch am Vorabend hatten die Apotheker „nur“ 238 fehlende Medikamente gezählt. Am Morgen danach waren es dann schon 299. „Und das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das der Herr Karl Lauterbach auf den Weg gebracht hat und vom Bundestag beschlossen wurde, ist ein weiterer Sargnagel fürs Gesundheitssystem“, schwant Catherin Heil.

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