Siebter und letzter Teil der Serie: Naturnaher Spaziergang führt an einem früheren Industriegebiet vorbei
Tipps für Ausflüge im Naheland: Eine Glashütte, die mitten im Wald stand
Am Gräfenbach: Die Natur malt die idyllischsten Stillleben.
Monika Kirschner-Ludwig

Siebter und letzter Teil der Serie: Ein naturnaher Spaziergang führt an einem früheren Industriegebiet vorbei.

Am Gräfenbach: Die Natur malt die idyllischsten Stillleben.
Monika Kirschner-Ludwig

Zum Ende unserer kleinen Sommerserie über Ausflugstipps im Soonwald möchten wir unseren Lesern einen einfachen Vorschlag machen. Ein Waldspaziergang soll es sein; ein erholsamer Gang, der sich auf die Spurensuche nach dem Wesen dieses Waldes macht, der in seinem Leben selten so „naturnah“ war wie heute.

Über Jahrhunderte diente er den Soonwaldbauern als erweiterter Stall und als Futterquelle, und es gab Zeiten, da war er ein Industriegebiet mit Lärm und Gestank. Die Eisenhütten waren nicht die ersten und nicht die einzigen großtechnischen Anlagen, deren Hunger nach Holz und Holzkohle kaum einen Baum schonte. Unser Rundgang hat kein Ziel. Diesmal ist der Weg das Ziel.

Heimat verändert sich

Nicht wenige Soonwälder fühlen sich bei dem Gedanken an einen Waldbesuch automatisch in die Kindheit zurückversetzt, mit Erinnerungen an Wasserspiele am Bach der Opelwiese oder Spaziergänge zu den Lädchen an der Trifthütte und große Portionen Spießbraten. Doch leider ist die Opelwiese nur bedingt ein Ziel für Erwachsene, und das Traditionslokal „Trifthütte“ ist inzwischen eine Pension mit Hunde-Spa. Tatsächlich braucht die Kenntnis um die eigene Heimat genauso ein regelmäßiges Update wie der Computer.

Unser Tipp verspricht einen abwechslungsreichen Besuch von etwa eineinhalb Stunden im Herzstück des Soonwaldes. Danach werden sie ein Gespür für diesen Wald und seinen eigenen Charakter haben und sich fragen: Warum habe ich mich nicht schon früher auf den Weg gemacht?

Die Rundstrecke startet am Wanderparkplatz an der L 239, zwischen der Opelwiese und der Kreuzung Thiergarten, GPS: B 49.933144, L 7.640729. Ein Hinweisschild kennzeichnet den Infopunkt mit Hintergrundinformationen. Unsere Wanderung folgt teilweise dem sogenannten „Life-Pfad“ und auch einem Teilstück des Soonwaldsteigs auf einer Länge von 3,6 Kilometern. Dafür braucht man eine knappe Stunde.

Der Anfang des Weges und einige Teilabschnitte sind selbst für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen geeignet; der gesamte Weg auch für geländegängige Fahrräder passend. Doch aufgepasst: Es liegt kein Gasthaus am Wege. Aber es gibt unterwegs an attraktiver Stelle eine bequeme Sitzgruppe. Daher erhöht es den Waldgenuss deutlich, einen gut gefüllten Rucksack dabei zu haben.

Dieser Anfang ist leicht

Es geht breit und bequem los, ein Weg fast wie eine Wald-Autobahn. Schon bald fällt auf, dass es rechts und links recht nass ist. Nach all den Trockenjahren erwartet man das eigentlich nicht mehr. Doch feuchter Waldboden und sogar Staunässe sind typisch für den Soonwald. Das merkt man auch an den Bäumen. Rechts und links vom Weg dominieren zunächst die Birken und erhellen mit ihrer weißen Rinde das Unterholz.

Die Rinde darunter ist grau-grün gefärbt. So sieht eine friedliche Lebensgemeinschaft von Pilzen, Grünalgen und Flechten aus. Nicht nur Birken mögen Wasser, auch Erlen wachsen am liebsten auf dauerfeuchtem Untergrund. Sie wachsen gleich nebenan in Erlenbruchwäldchen.

Über wunderbare Waldwege führt die Wanderung.
monika kirschner

Und tatsächlich kreuzt ganz bald ein Bach den Weg: der Gräfenbach. Er mäandert durch sein wildes Bachbett unter einer massiven Brücke aus grobem Soonwaldgestein hindurch. Die Strecke begleitet das Flüsschen bachaufwärts, mal näher, mal weiter von seinem Ufer entfernt. Der Gräfenbach entspringt, ähnlich wie der Ellerbach, hoch oben im Soonwald, auf einer Höhe von knapp 600 Metern, in der Nähe des Berggipfels „Ellerspring“. Er ist bekannt für seine ausgezeichnete Wasserqualität, in der sich sogar empfindliche Flusskrebse wohlfühlen. Möchte man die beobachten, braucht man etwas Geduld oder ein paar kleine Stücke rohe Leber. Damit kann man sie in den Sommermonaten sicher unter den Steinen hervorlocken.

Wo sich die Ameisen sonnen

Sind Kinder dabei, bietet sich nach Überqueren der Brücke die Gelegenheit zu einem kleinen Wettbewerb: Wer sieht zuerst einen Ameisenhaufen? So eine kleine Übung trainiert das Auge, und nicht nur die Kleinen sind sofort „online“.

In der Osterferienzeit des Jahres 2014 waren auf unserem Weg Schulkinder aktiv. Sie wollten sich für die Zukunft „ihres“ Soonwaldes einsetzen und pflanzten mit Unterstützung der Förster vom Walderlebniszentrum Stecklinge. Sie haben damals sogenannte „Klimabäume“ gesetzt. Das sind Bäume, von denen man erhofft, dass sie den rasant ändernden Lebensbedingungen trotzen. Die Kinder setzten unter anderem Eichen, Buchen, Vogelbeere und Linde, schützten sie mit Maschendraht und beschrifteten sie.

Nach knapp zehn Jahren sind nicht alle Bäumchen gut gewachsen. Es gibt viel Wild in der Nähe, dass sich die Leckerbissen auch durch den Zaun holt. Auf der anderen Seite des Weges kann man staunen, wie gut dagegen ein großes Holzgatter vor Wild abschirmt. Die Pflanzaktion der Kinder war eine der vielfältigen Aktivitäten der Jahre 2010 bis 2014. Die „Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz“ führte damals gemeinsam mit „Landesforsten Rheinland-Pfalz“ das EU-Life-Projekt unter anderem zur „Entwicklung von Feucht- und Nasswäldern im Soonwald“ durch. Das Projektbudget betrug 1,75 Millionen Euro. Damit sollte der Soonwald in seiner lebenswichtigen Funktion als Wasserspeicher, vergleichbar mit einem großen Schwamm, gestärkt werden.

Weiter führt die Wanderung zu einer unübersehbar großen Kreuzung, an der es nach rechts weiter geht. Unvermittelt ändert sich das Waldbild. Ältere Fichten rücken dichter, im Wechsel mit Birkenwäldern.

Neustart vor 33 Jahren

Damit taucht vor den Augen des aufmerksamen Beobachters ein Stück jüngste Waldgeschichte auf. Im Winter 1990 wütete eine der schlimmsten Sturmkatastrophen auf dem gesamten Hunsrück. Sturmböen bis zur Windstärke 12 knickten vor allem die flach wurzelnden Fichten wie Streichhölzer um. Unter dem Namen „Wiebke“ ging dieser Orkan in die Wettergeschichte ein.

Sein zerstörerisches Werk prägt den Soonwald bis heute. Nur an windgeschützten Stellen blieben einige Fichten stehen. Doch auch diese wenigen Überlebenden werden nicht in Frieden alt werden können. Sie sind aufgrund der Trockenheit der letzten Jahre Opfer des Borkenkäfers geworden. Ihnen fehlt einfach das Wasser zur Produktion von Harz. Mit der klebrigen Masse können sie die Parasiten in Schach halten. Ohne Harz sind sie wehrlos. Schwere Harvester haben ihre Spuren hinterlassen, und unter den letzten Fichten liegt das sogenannte „Käferholz“.

Gleich nebenan sieht man großflächige Birkenwälder. Sie erinnern an die Stellen, an denen der Orkan nur nackten Boden zurückgelassen hat. Da Zeit und Geld fehlte, alles wieder aufzuforsten, überließ man ganze Areale der Natur. Das freute die Birkenkeimlinge im Boden und andere Arten, die nur auf Licht von oben warten. Sie stehen heute gut im gesegneten „Jesus-Alter“ von 33 Jahren da.

Wo kommst denn Du so plötzlich her?!
M.Stadtfeld. Michael Stadtfeld

Doch unter ihnen warten schon kleine Buchen und Eichen auf ihre Chance. Irgendwann werden sie die Lichtkeimer ablösen. Auf Dauer ganz in Ruhe gelassen, wird der Soonwald immer wieder zu einem Buchen-Eichenwald, wie es die Natur hier vorgesehen hat. So verdanken wir den großen Sturmgeschehen die Wende im Waldbau zu mehr Mischwald und heute einen jungen dynamischen Soonwald.

Der Gräfenbach begleitet uns weiter und kommt der Strecke bald wieder näher. Wir überqueren ihn diesmal über eine Metallbrücke. Gleich dahinter geht unsere Strecke ein Stück weit nach rechts. Dort öffnet sich der Blick auf weite Wiesen rechts und links mit einigen in die Jahre gekommenen Bäumen und Totholz. Ganz in der Nähe liegt ein Ort historischer Bedeutung. Zu erkennen ist davon zunächst einmal nichts, wäre nicht ein Schild zu finden.

Soonwald, der Weide-Wald

Bis weit ins 17. Jahrhundert hinein herrschte hier Waldeinsamkeit mit Buchen, Eichen und weiten Lichtungen. Einige Jäger und Wilddiebe waren unterwegs und ein paar Soonwaldbauern, die ihre Schweine oder Ziegen in den Wald trieben. Damals entstanden die Wiesen, die an vielen Stellen wie hellgrüne Inseln im Wald liegen. Das Nutzvieh zertrampelte und wühlte die Böden auf, so dass nachwachsende Bäume kaum eine Chance hatten. Den alten Bäumen konnten die Tiere dagegen nichts anhaben, und die Bauern schützen die mächtigen Solitäre, denn sie lieferten das Fressen, die Eicheln und Bucheckern. Ein Beispiel dafür sind die Glashütter Wiesen. Die Wiese hinter dem Infoschild ist auch heute noch Weide, allerdings nicht für Schweine, sondern für Rinder.

Industriegebiet im Wald

Ende des 17. Jahrhunderts stürzte diese verborgene Stelle im Wald in ein neues Zeitalter mit gewaltigen Umbrüchen. Unvermittelt entstand auf dieser weitläufigen Soonwaldwiese eine Glashütte. Auslöser für ihren Bau waren um 1670 umfangreiche Rodungsarbeiten etwas westlich vom Bachlauf. Der Adel schätzte damals die Jagd auf heimische Wildtiere.

Die Oberschicht präsentierte damit ihre Macht im Land. So legten auch die Herzöge von Simmern einen prestigeträchtigen „Thiergarten“ an. Dazu wurde eine Fläche von gut 500 Morgen von Bäumen befreit, eingezäunt und mit Wild besetzt. Im Gatter waren die Tiere ohne Deckung und so auch für minder begabte Schützen leichte Beute. Die ungeheure Menge an gefälltem Holz, die dabei anfiel, führte kurz darauf zu der Gründung einer Glashütte. Sie produzierte das grüne Waldglas für Flaschen und Gläser. Als „Waldglas“ bezeichnet man durch Eisenoxide gefärbtes Glas mit kleinen Bläscheneinschlüssen aus Waldglashütten.

Überraschende Begegnungen mit diesen Rindern sind inklusive.
moniks kirschner

Wer ein gutes Auge hat, kann hinter dem Zaun noch Reste von Grundmauern entdecken, die zur historischen Anlage gehört haben. Im Winter und mithilfe einer professionellen „Luftarchäologie“ mit Drohnenaufnahmen kann man die Grundrisse der Siedlung als Muster auf dem Boden noch ausmachen. Hier lag tatsächlich das erste Industriegebiet der ganzen Region. Die Eisenhütten folgten erst später.

Doch nicht lange konnte der ungeheure Holzhunger der Glashütte aus dem umliegenden Wald gedeckt werden. 1735, nach gut 60 Jahren, kam das Ende. Die Glashütte mitsamt der Arbeitergebäude verfiel und diente zeitweilig als Unterschlupf für Wilddiebe und Räuber, die Schinderhannesbande, in ihrem Widerstand gegen den Adel und später auch gegen die französische Besatzung. Geblieben sind die weiten Waldwiesen der „Glashütter Wiesen“ die diesen Teil des Soonwaldes bis heute prägen – ein seltener Schatz und ein faszinierendes Stück Natur.

Entlang der Bäche

Von dem Infoschild „Glashütter Wiesen“ geht es wieder zurück an die Rundstrecken und weiter den Weg geradeaus in Richtung Schwabbelbruch. Hinter Erlenhainen und alten Eichen schimmern weitere Soonwaldwiesen hervor.

Es gibt viel Altholz und Baumveteranen zu bewundern und Momente, die es lohnen innezuhalten. Ja weiter man kommt, umso größer wird auch die Wahrscheinlichkeit, Wild zu begegnen. Nach ein paar Hundert Metern geht es am ersten Abzweig nach links. Ab jetzt folgt der Rundweg dem Soonwaldsteig, der mit seinem Symbol immer gut markiert ist.

Es folgt ein grasbewachsener Weg mit quer liegenden Wurzeln, der ein Stück weit nicht mehr ganz barrierefrei ist. Vor dem Wanderer weitet sich der Blick auf eine Waldwiese mit majestätischen Solitären von Buchen und Eichen: ein Stück Soonwald wie im Bilderbuch. Das wohl eindrucksvollste Exemplar am Wege ist die sogenannte „Albert-Eiche“, benannt nach Forstamtsleiter Erich Albert.

Rustikale Bänke mit Tisch in der Nähe laden zur verdienten Rast ein. Danach geht es weiter bis zu einem Querweg, dem wir nach links folgen. Nach ein paar Hundert Metern sind wir wieder an der großen Kreuzung, über die man geradeaus zurück zum Parkplatz kommt.

Weitere Infos zum Soonwald und den Aktivitäten der Initiative Soonwald gibt’s im Internet unter www.soonwald.de

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