Im Gespräch mit Dörtelmann wird schnell deutlich, dass die Sozialkur, und hier insbesondere die ambulante Kur, nicht mehr viel gemein mit den heutigen Klinikaufenthalten zu tun hatte. So bestand die Möglichkeit, alle drei Jahre eine Kur anzutreten. Dörtelmann: „Bis in die 70er-Jahre zahlten die Versicherungsträger jedem Kurgast täglich 5 Mark Taschengeld.“ Damit waren die Abende gesichert. Er erinnerte sich noch gut, dass für „Tanzwütige“ die „Heilquelle“ in der Rossstraße eine der ersten Adressen war. Kur war in der Tat in den Zeiten des Wirtschaftswunders mehr als nur Fango, Bäder oder Massagen. Sie war für viele so etwas wie ein Muss, ein gesellschaftliches Ereignis, dass man sich alle drei Jahre gönnte.
Nicht wegzudenken war das Kurorchester, das teilweise zwölf Musiker hatte. Heute teilen sich Bad Münster und Kreuznach gerade drei Musiker. Dreimal täglich morgens, nachmittags und abends trat das Orchester auf. Wobei morgens immer zuerst ein geistlicher Choral gespielt wurde. Neben der Kurmusik gab es für die Kurgäste Theateraufführungen, regelmäßige Führungen durch die Stadt und das Angebot von organisierten Busausflügen zu Sehenswürdigkeiten rund um Bad Kreuznach. Wenn man Dörtelmann so erzählen hört, kann man den Eindruck gewinnen, dass die Kur jener Jahre auch ein wenig an einen Urlaub erinnert.
Dennoch waren die Anwendungen im Bäderhaus ausgebucht. In den Jahren, als die Sozialkur richtig boomte, hatte das Bäderhaus eine Auslastung von durchschnittlich 90 Prozent. In der Schlammabteilung wurde von morgens um 6 Uhr bis abends in mehreren Schichten gearbeitet. Die Zahlen der Kurmittelabgaben, die Dörtelmann noch hat, sprechen Bände: So wurden 1971 insgesamt 224.000 Kurmittel verabreicht, während es 1981 zum Rekordergebnis von 346.364 Anwendungen kam. „Entsprechend schwierig war es, geeignetes Personal zu finden“, berichtet der ehemalige Geschäftsführer. Immerhin beschäftigte 1992 die Rheuma Heilbad AG 393 Mitarbeiter.