Provisorien bieten erste Sicherheit
Ja, sie bieten den Traumatisierten eine erste Sicherheit, ein Dach über dem Kopf, gar einen Entspannungsmoment und stressfreie Kommunikation (etwa eine Spielfläche für Kinder wie in der Theodor-Fliedner-Halle, in der aktuell eine neunköpfige Gruppe aus der Ukraine untergebracht ist; in der ehemaligen Naheland-Schule in Windesheim leben 50 Flüchtlinge und sind noch 30 Plätze frei).
Aber so sehr sich die Ehren- wie Hauptamtlichen auch mühen, Lösungen auf Dauer sind all diese Konstrukte auf Zeit nicht, findet Landrätin Bettina Dickes und denkt an ein „Containerdorf“ für etwa 100 Flüchtlinge. Am kommenden Montagnachmittag ist das geplante „Dorf“ Thema im Kreistag. Kriegt sie das „Go“ des Gremiums, wird Dickes den Plan vorantreiben. Wobei: „Containerdorf“ klingt weniger als das, was ihr vorschwebt. Sie denkt an eine privatwirtschaftlich gebaute Siedlung mit zwar einfachen, aber alles bietenden „Tiny-Häusern“ in Stadtnähe. Schon hat sie zwei citynahe Flächenangebote von möglichen Investoren erhalten.
Käme es mit denen zum Vertrag, würde der Kreis eine Laufzeit von wenigstens fünf Jahren anpeilen: Die Investoren bauen das Dorf auf und vermieten es an den Kreis. Ähnliche Projekte laufen zurzeit in den Kreisen Mayen-Koblenz und Alzey-Worms an. Sollten die Flüchtlingsströme in den nächsten Monaten, Jahren schwinden, gar versiegen, könnte man das Dorf als Sozialwohnungen nutzen. Denn Wohnraum ist knapp, wie die fieberhafte Suche nach Flüchtlingsbleiben zeigt. Die Menschen, die 2015/16 an die mittlere Nahe kamen, leben nach wie vor in den damals bezogenen Wohnungen.
Zahl der Geflüchteten steigt
Die Zahl der Geflüchteten, die Tag für Tag eintreffen, wird durch den Krieg in der Ukraine weiter steigen. Die Landesaufnahmeeinrichtungen würden vorbereitet, böten Plätze in mittlerer dreistelliger Höhe. Schon Ende 2021 wurden immer mehr Menschen aus diesen Einrichtungen auf die Kommunen verteilt. „Tendenz steigend“ bei gleichzeitiger Raumnot, wie es in der „Dorf“-Beschlussvorlage für den Kreistag heißt. Die Pflicht des Kreises, der Städte und Verbandsgemeinden zur Aufnahme dieser Menschen ist keine freiwillige Leistung, sie ergibt sich aus dem Landesaufnahmegesetz.
Zwar sei die Bereitschaft der Bevölkerung, Flüchtlinge aufzunehmen, ungebrochen. Der ohnehin angestrengte Wohnungsmarkt gebe aber darüber hinaus nicht mehr viele Angebote her. „Wir werden mittelfristig bei der Unterbringung an unsere Grenzen stoßen“, schreibt Landrätin Dickes: „Um das zu verhindern, müssen Überlegungen angestellt werden, wie wir diesen Menschen eine einfache, aber angemessene Unterkunft zur Verfügung stellen können.“
Eine Option sei, nach geeigneten Objekten und/oder Plätzen, auf denen solche Objekte errichtet werden könnten, zu suchen – in einem Bestandsbau oder aber in einer „Dorflösung“. Den zeitlichen Rahmen bei fünf Jahren festzusetzen, diene dazu, sowohl bei den Kosten als auch der Versorgungstechnik ein für alle Beteiligten interessantes Angebot zu schaffen.
Voraussetzung: Grundsatzbeschluss
Bevor konkrete Anforderungen formuliert und eine Ausschreibung auf den Weg gebracht werden könnten, brauche es eine intensive Vorarbeit. Eine Ausschreibung mache nur Sinn, wenn konkrete Anhaltspunkte, Vorgaben, Anforderungen, Bedingungen und Auflagen bekannt sind. Deshalb bedürfe es eines Grundsatzbeschlusses, damit die Verwaltung mit der Prüfung beginnen und die Schritte bis zur Ausschreibung des Projektes einleiten könne, so die Landrätin.